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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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festen Fuß im Lande gefaßt 1). Nun aber sollte es sich
auch hier zeigen, daß nichts schwerer zu ertragen als
eine Reihe von guten Tagen. Die folgenden Jahr-
hunderte sahen keine Gelehrten wie Kukai und Saijo.
Wie in der Christenheit nach Konstantin, so erwiesen sich
auch hier Verwilderung und Verweichlichung als die
Feinde echten religiösen Lebens. Bigotte Kaiser und
Fürsten begünstigten den neuen Emporkömmling, bis
ihnen derselbe über die Köpfe wuchs. Die prächtigen
Pagoden, Tempel und Glocken von Kyoto, welche bis
zu dem heutigen Tage die ganze Stadt zu einem einzigen
großartigen Monument des Buddhismus machen, sind in
jener Zeit entstanden. Die Priester waren bald nicht
mehr zufrieden, dem Volke den Weg zum Himmel zu
weisen, auch auf der Erde, im weltlichen Staat, wollten
sie eine Rolle spielen. Die Geschichte des Christentums
wiederholte sich hier. Wie die streitbaren Mönche von
Theben die Straßen von Alexandria unsicher machten
und die Regierung des Landes nach ihrem Willen zu
lenken suchten, so wimmelte es auf den Straßen von
Kyoto bald von den derbfäustigen Bonzen des Hieizan.
Das Mönchtum fing an, ein Staat im Staate zu
werden, und die Sachlage wird trefflich gekennzeichnet
durch den Ausspruch eines der damaligen Kaiser:
"Zwei Dinge sind außer dem Bereich meiner Macht:
Das Wasser des Kamo und die Bergbonzen".

Erst gegen das Ende des zwölften Jahrhunderts
kam wieder ein frischer Hauch in das religiöse Leben.
Yoritomo gelang es, die weltlichen Gelüste der Priester
einzudämmen und ihr Interesse für Religion und Wissen

1) Ihre Namen sind: Sanron, Hosho, Kegon, Ritsu, Jojitsu,
Gusha, Shingon und Tendai. Die beiden letztgenannten sind die
einzig überlebenden.

feſten Fuß im Lande gefaßt 1). Nun aber ſollte es ſich
auch hier zeigen, daß nichts ſchwerer zu ertragen als
eine Reihe von guten Tagen. Die folgenden Jahr-
hunderte ſahen keine Gelehrten wie Kūkai und Saijō.
Wie in der Chriſtenheit nach Konſtantin, ſo erwieſen ſich
auch hier Verwilderung und Verweichlichung als die
Feinde echten religiöſen Lebens. Bigotte Kaiſer und
Fürſten begünſtigten den neuen Emporkömmling, bis
ihnen derſelbe über die Köpfe wuchs. Die prächtigen
Pagoden, Tempel und Glocken von Kyōto, welche bis
zu dem heutigen Tage die ganze Stadt zu einem einzigen
großartigen Monument des Buddhismus machen, ſind in
jener Zeit entſtanden. Die Prieſter waren bald nicht
mehr zufrieden, dem Volke den Weg zum Himmel zu
weiſen, auch auf der Erde, im weltlichen Staat, wollten
ſie eine Rolle ſpielen. Die Geſchichte des Chriſtentums
wiederholte ſich hier. Wie die ſtreitbaren Mönche von
Theben die Straßen von Alexandria unſicher machten
und die Regierung des Landes nach ihrem Willen zu
lenken ſuchten, ſo wimmelte es auf den Straßen von
Kyōto bald von den derbfäuſtigen Bonzen des Hieizan.
Das Mönchtum fing an, ein Staat im Staate zu
werden, und die Sachlage wird trefflich gekennzeichnet
durch den Ausſpruch eines der damaligen Kaiſer:
„Zwei Dinge ſind außer dem Bereich meiner Macht:
Das Waſſer des Kamo und die Bergbonzen“.

Erſt gegen das Ende des zwölften Jahrhunderts
kam wieder ein friſcher Hauch in das religiöſe Leben.
Yoritomo gelang es, die weltlichen Gelüſte der Prieſter
einzudämmen und ihr Intereſſe für Religion und Wiſſen

1) Ihre Namen ſind: Sanron, Hōſhō, Kegon, Ritſu, Jojitſu,
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[226/0240] feſten Fuß im Lande gefaßt 1). Nun aber ſollte es ſich auch hier zeigen, daß nichts ſchwerer zu ertragen als eine Reihe von guten Tagen. Die folgenden Jahr- hunderte ſahen keine Gelehrten wie Kūkai und Saijō. Wie in der Chriſtenheit nach Konſtantin, ſo erwieſen ſich auch hier Verwilderung und Verweichlichung als die Feinde echten religiöſen Lebens. Bigotte Kaiſer und Fürſten begünſtigten den neuen Emporkömmling, bis ihnen derſelbe über die Köpfe wuchs. Die prächtigen Pagoden, Tempel und Glocken von Kyōto, welche bis zu dem heutigen Tage die ganze Stadt zu einem einzigen großartigen Monument des Buddhismus machen, ſind in jener Zeit entſtanden. Die Prieſter waren bald nicht mehr zufrieden, dem Volke den Weg zum Himmel zu weiſen, auch auf der Erde, im weltlichen Staat, wollten ſie eine Rolle ſpielen. Die Geſchichte des Chriſtentums wiederholte ſich hier. Wie die ſtreitbaren Mönche von Theben die Straßen von Alexandria unſicher machten und die Regierung des Landes nach ihrem Willen zu lenken ſuchten, ſo wimmelte es auf den Straßen von Kyōto bald von den derbfäuſtigen Bonzen des Hieizan. Das Mönchtum fing an, ein Staat im Staate zu werden, und die Sachlage wird trefflich gekennzeichnet durch den Ausſpruch eines der damaligen Kaiſer: „Zwei Dinge ſind außer dem Bereich meiner Macht: Das Waſſer des Kamo und die Bergbonzen“. Erſt gegen das Ende des zwölften Jahrhunderts kam wieder ein friſcher Hauch in das religiöſe Leben. Yoritomo gelang es, die weltlichen Gelüſte der Prieſter einzudämmen und ihr Intereſſe für Religion und Wiſſen 1) Ihre Namen ſind: Sanron, Hōſhō, Kegon, Ritſu, Jojitſu, Guſha, Shingon und Tendai. Die beiden letztgenannten ſind die einzig überlebenden.

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/240>, abgerufen am 22.11.2024.