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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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Fichte und Pflaumenblüte stattgefunden hat, ist wenig
Gutes zu erwarten. So stehen die japanischen Volks-
sitten mit ihren oft sehr sympathischen Zügen in enger
Beziehung zum Shintoismus. Schade nur, daß man
aus der ganzen peinlich skrupulösen Art, mit der man
sie handhabt, den Aberglauben herausmerkt. Wenn
man aber in unserm Volke noch Züge eines ähnlichen
Aberglaubens findet, so ist in Analogie mit Japan die
Quelle davon unschwer zu entdecken: Es ist die alte
heidnische Religion.

Als die Urahnen des Volkes vom Festland nach
Japan einwanderten, brachten sie den Shintoismus schon
mit. Die Ähnlichkeit mit dem altchinesischen Animis-
mus weist das zur Genüge nach. Bis zur Mitte des
sechsten Jahrhunderts, d. h. bis zum Auftreten des
Buddhismus in Japan, war der Shintoismus die
einzige Religion. Das Staatswesen war damals so
enge mit ihm verknüpft, daß man sehr wohl von einer
Theokratie sprechen kann. Das Leben des japanischen
Volkes war nur die Fortsetzung des Lebens seiner gött-
lichen Ahnen, ein Gott beherrschte das Volk als Mikado,
Religion und Staat fielen in eins zusammen. Sobald
aber der Buddhismus Ernst machte, war es mit der
Herrlichkeit des Shinto vorbei; der öde Kult war dieser
Macht mit ihrer äußeren Pracht, ihrem religiösen Ernst
und ihrer sittlichen Tiefe nicht gewachsen. Und als der
neue Glaube vollends weitherzig genug war, auch die
Götter des Shintoismus in sein System zu übernehmen,
da nahm man vom Kaiser bis zum Bettler keinen
Anstand mehr, sich dem Neuen zuzuwenden. Nun trat
für den Shintoismus eine Zeit ein, da man nur noch
von einem Vegetieren desselben sprechen darf. Er
spaltete sich in eine Anzahl von Sekten, die einen zählen

Fichte und Pflaumenblüte ſtattgefunden hat, iſt wenig
Gutes zu erwarten. So ſtehen die japaniſchen Volks-
ſitten mit ihren oft ſehr ſympathiſchen Zügen in enger
Beziehung zum Shintoismus. Schade nur, daß man
aus der ganzen peinlich ſkrupulöſen Art, mit der man
ſie handhabt, den Aberglauben herausmerkt. Wenn
man aber in unſerm Volke noch Züge eines ähnlichen
Aberglaubens findet, ſo iſt in Analogie mit Japan die
Quelle davon unſchwer zu entdecken: Es iſt die alte
heidniſche Religion.

Als die Urahnen des Volkes vom Feſtland nach
Japan einwanderten, brachten ſie den Shintoismus ſchon
mit. Die Ähnlichkeit mit dem altchineſiſchen Animis-
mus weiſt das zur Genüge nach. Bis zur Mitte des
ſechſten Jahrhunderts, d. h. bis zum Auftreten des
Buddhismus in Japan, war der Shintoismus die
einzige Religion. Das Staatsweſen war damals ſo
enge mit ihm verknüpft, daß man ſehr wohl von einer
Theokratie ſprechen kann. Das Leben des japaniſchen
Volkes war nur die Fortſetzung des Lebens ſeiner gött-
lichen Ahnen, ein Gott beherrſchte das Volk als Mikado,
Religion und Staat fielen in eins zuſammen. Sobald
aber der Buddhismus Ernſt machte, war es mit der
Herrlichkeit des Shinto vorbei; der öde Kult war dieſer
Macht mit ihrer äußeren Pracht, ihrem religiöſen Ernſt
und ihrer ſittlichen Tiefe nicht gewachſen. Und als der
neue Glaube vollends weitherzig genug war, auch die
Götter des Shintoismus in ſein Syſtem zu übernehmen,
da nahm man vom Kaiſer bis zum Bettler keinen
Anſtand mehr, ſich dem Neuen zuzuwenden. Nun trat
für den Shintoismus eine Zeit ein, da man nur noch
von einem Vegetieren desſelben ſprechen darf. Er
ſpaltete ſich in eine Anzahl von Sekten, die einen zählen

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[213/0227] Fichte und Pflaumenblüte ſtattgefunden hat, iſt wenig Gutes zu erwarten. So ſtehen die japaniſchen Volks- ſitten mit ihren oft ſehr ſympathiſchen Zügen in enger Beziehung zum Shintoismus. Schade nur, daß man aus der ganzen peinlich ſkrupulöſen Art, mit der man ſie handhabt, den Aberglauben herausmerkt. Wenn man aber in unſerm Volke noch Züge eines ähnlichen Aberglaubens findet, ſo iſt in Analogie mit Japan die Quelle davon unſchwer zu entdecken: Es iſt die alte heidniſche Religion. Als die Urahnen des Volkes vom Feſtland nach Japan einwanderten, brachten ſie den Shintoismus ſchon mit. Die Ähnlichkeit mit dem altchineſiſchen Animis- mus weiſt das zur Genüge nach. Bis zur Mitte des ſechſten Jahrhunderts, d. h. bis zum Auftreten des Buddhismus in Japan, war der Shintoismus die einzige Religion. Das Staatsweſen war damals ſo enge mit ihm verknüpft, daß man ſehr wohl von einer Theokratie ſprechen kann. Das Leben des japaniſchen Volkes war nur die Fortſetzung des Lebens ſeiner gött- lichen Ahnen, ein Gott beherrſchte das Volk als Mikado, Religion und Staat fielen in eins zuſammen. Sobald aber der Buddhismus Ernſt machte, war es mit der Herrlichkeit des Shinto vorbei; der öde Kult war dieſer Macht mit ihrer äußeren Pracht, ihrem religiöſen Ernſt und ihrer ſittlichen Tiefe nicht gewachſen. Und als der neue Glaube vollends weitherzig genug war, auch die Götter des Shintoismus in ſein Syſtem zu übernehmen, da nahm man vom Kaiſer bis zum Bettler keinen Anſtand mehr, ſich dem Neuen zuzuwenden. Nun trat für den Shintoismus eine Zeit ein, da man nur noch von einem Vegetieren desſelben ſprechen darf. Er ſpaltete ſich in eine Anzahl von Sekten, die einen zählen

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/227>, abgerufen am 25.11.2024.