Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

dem chinesischen Kaufmann und Bankier; seine Bank
habe in fünfundzwanzig Jahren Geschäfte mit Chinesen
in der Höhe von Hunderten von Millionen Dollars
gemacht; aber niemals habe er einen betrügerischen
Chinesen gefunden. Dagegen herrscht über die Unzu-
verlässigkeit des japanischen Kaufmanns nur eine Stimme
der Klage. Er bestellt bei einer fremden Firma, und
wenn die Ware kommt, so nimmt er sie nicht ab, oder
er sucht trotz vorheriger Vereinbarung den Preis herab-
zudrücken. Er hat beständige Ausflüchte, und selbst durch
einen schriftlichen Kontrakt fühlt er sich nicht gebunden.
In den großen fremden Handelshäusern in Yokohama
und Kobe sind die gewöhnlichen Arbeiter Japaner, als
Aufseher an der Spitze aber stehen Chinesen. Man
hat die geschäftliche Unzuverlässigkeit des Japaners
geschichtlich erklären wollen. In der Feudalzeit waren
Handel und Geldgeschäfte die ausschließliche Domäne
der unteren Kasten, während der Gelehrten- und der
Kriegerstand darauf als auf gemeine Beschäftigungen
mit Verachtung herabsahen. Von früh auf war es
ihnen eingeimpft worden als ein unantastbarer Grund-
satz der Moral: "Geld ist das letzte, darnach ein Mensch
trachten sollte; Reichtum ist der Feind der Weisheit".
Da konnte es nicht ausbleiben, daß der kaufmännische
Stand moralisch herabsank, und daß der Handel nur
ausgeübt wurde von solchen, die auf Ehre nicht viel
hielten. Zweifellos trägt das an dem gegenwärtigen
Stand der Dinge einen Hauptteil der Schuld. Wenn
im Verkehr mit den Handelsvölkern des Westens der
Handel erst einmal seine rechte Würdigung erfährt, --
und man ist jetzt schon auf dem besten Wege dazu --,
so werden sich ihm auch sittlich hochstehende Kreise zu-
wenden, und allmählich wird das Geschäftsgebahren

dem chineſiſchen Kaufmann und Bankier; ſeine Bank
habe in fünfundzwanzig Jahren Geſchäfte mit Chineſen
in der Höhe von Hunderten von Millionen Dollars
gemacht; aber niemals habe er einen betrügeriſchen
Chineſen gefunden. Dagegen herrſcht über die Unzu-
verläſſigkeit des japaniſchen Kaufmanns nur eine Stimme
der Klage. Er beſtellt bei einer fremden Firma, und
wenn die Ware kommt, ſo nimmt er ſie nicht ab, oder
er ſucht trotz vorheriger Vereinbarung den Preis herab-
zudrücken. Er hat beſtändige Ausflüchte, und ſelbſt durch
einen ſchriftlichen Kontrakt fühlt er ſich nicht gebunden.
In den großen fremden Handelshäuſern in Yokohama
und Kobe ſind die gewöhnlichen Arbeiter Japaner, als
Aufſeher an der Spitze aber ſtehen Chineſen. Man
hat die geſchäftliche Unzuverläſſigkeit des Japaners
geſchichtlich erklären wollen. In der Feudalzeit waren
Handel und Geldgeſchäfte die ausſchließliche Domäne
der unteren Kaſten, während der Gelehrten- und der
Kriegerſtand darauf als auf gemeine Beſchäftigungen
mit Verachtung herabſahen. Von früh auf war es
ihnen eingeimpft worden als ein unantaſtbarer Grund-
ſatz der Moral: „Geld iſt das letzte, darnach ein Menſch
trachten ſollte; Reichtum iſt der Feind der Weisheit“.
Da konnte es nicht ausbleiben, daß der kaufmänniſche
Stand moraliſch herabſank, und daß der Handel nur
ausgeübt wurde von ſolchen, die auf Ehre nicht viel
hielten. Zweifellos trägt das an dem gegenwärtigen
Stand der Dinge einen Hauptteil der Schuld. Wenn
im Verkehr mit den Handelsvölkern des Weſtens der
Handel erſt einmal ſeine rechte Würdigung erfährt, —
und man iſt jetzt ſchon auf dem beſten Wege dazu —,
ſo werden ſich ihm auch ſittlich hochſtehende Kreiſe zu-
wenden, und allmählich wird das Geſchäftsgebahren

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0126" n="112"/>
dem chine&#x017F;i&#x017F;chen Kaufmann und Bankier; &#x017F;eine Bank<lb/>
habe in fünfundzwanzig Jahren Ge&#x017F;chäfte mit Chine&#x017F;en<lb/>
in der Höhe von Hunderten von Millionen Dollars<lb/>
gemacht; aber niemals habe er einen betrügeri&#x017F;chen<lb/>
Chine&#x017F;en gefunden. Dagegen herr&#x017F;cht über die Unzu-<lb/>
verlä&#x017F;&#x017F;igkeit des japani&#x017F;chen Kaufmanns nur eine Stimme<lb/>
der Klage. Er be&#x017F;tellt bei einer fremden Firma, und<lb/>
wenn die Ware kommt, &#x017F;o nimmt er &#x017F;ie nicht ab, oder<lb/>
er &#x017F;ucht trotz vorheriger Vereinbarung den Preis herab-<lb/>
zudrücken. Er hat be&#x017F;tändige Ausflüchte, und &#x017F;elb&#x017F;t durch<lb/>
einen &#x017F;chriftlichen Kontrakt fühlt er &#x017F;ich nicht gebunden.<lb/>
In den großen fremden Handelshäu&#x017F;ern in Yokohama<lb/>
und Kobe &#x017F;ind die gewöhnlichen Arbeiter Japaner, als<lb/>
Auf&#x017F;eher an der Spitze aber &#x017F;tehen Chine&#x017F;en. Man<lb/>
hat die ge&#x017F;chäftliche Unzuverlä&#x017F;&#x017F;igkeit des Japaners<lb/>
ge&#x017F;chichtlich erklären wollen. In der Feudalzeit waren<lb/>
Handel und Geldge&#x017F;chäfte die aus&#x017F;chließliche Domäne<lb/>
der unteren Ka&#x017F;ten, während der Gelehrten- und der<lb/>
Krieger&#x017F;tand darauf als auf gemeine Be&#x017F;chäftigungen<lb/>
mit Verachtung herab&#x017F;ahen. Von früh auf war es<lb/>
ihnen eingeimpft worden als ein unanta&#x017F;tbarer Grund-<lb/>
&#x017F;atz der Moral: &#x201E;Geld i&#x017F;t das letzte, darnach ein Men&#x017F;ch<lb/>
trachten &#x017F;ollte; Reichtum i&#x017F;t der Feind der Weisheit&#x201C;.<lb/>
Da konnte es nicht ausbleiben, daß der kaufmänni&#x017F;che<lb/>
Stand morali&#x017F;ch herab&#x017F;ank, und daß der Handel nur<lb/>
ausgeübt wurde von &#x017F;olchen, die auf Ehre nicht viel<lb/>
hielten. Zweifellos trägt das an dem gegenwärtigen<lb/>
Stand der Dinge einen Hauptteil der Schuld. Wenn<lb/>
im Verkehr mit den Handelsvölkern des We&#x017F;tens der<lb/>
Handel er&#x017F;t einmal &#x017F;eine rechte Würdigung erfährt, &#x2014;<lb/>
und man i&#x017F;t jetzt &#x017F;chon auf dem be&#x017F;ten Wege dazu &#x2014;,<lb/>
&#x017F;o werden &#x017F;ich ihm auch &#x017F;ittlich hoch&#x017F;tehende Krei&#x017F;e zu-<lb/>
wenden, und allmählich wird das Ge&#x017F;chäftsgebahren<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[112/0126] dem chineſiſchen Kaufmann und Bankier; ſeine Bank habe in fünfundzwanzig Jahren Geſchäfte mit Chineſen in der Höhe von Hunderten von Millionen Dollars gemacht; aber niemals habe er einen betrügeriſchen Chineſen gefunden. Dagegen herrſcht über die Unzu- verläſſigkeit des japaniſchen Kaufmanns nur eine Stimme der Klage. Er beſtellt bei einer fremden Firma, und wenn die Ware kommt, ſo nimmt er ſie nicht ab, oder er ſucht trotz vorheriger Vereinbarung den Preis herab- zudrücken. Er hat beſtändige Ausflüchte, und ſelbſt durch einen ſchriftlichen Kontrakt fühlt er ſich nicht gebunden. In den großen fremden Handelshäuſern in Yokohama und Kobe ſind die gewöhnlichen Arbeiter Japaner, als Aufſeher an der Spitze aber ſtehen Chineſen. Man hat die geſchäftliche Unzuverläſſigkeit des Japaners geſchichtlich erklären wollen. In der Feudalzeit waren Handel und Geldgeſchäfte die ausſchließliche Domäne der unteren Kaſten, während der Gelehrten- und der Kriegerſtand darauf als auf gemeine Beſchäftigungen mit Verachtung herabſahen. Von früh auf war es ihnen eingeimpft worden als ein unantaſtbarer Grund- ſatz der Moral: „Geld iſt das letzte, darnach ein Menſch trachten ſollte; Reichtum iſt der Feind der Weisheit“. Da konnte es nicht ausbleiben, daß der kaufmänniſche Stand moraliſch herabſank, und daß der Handel nur ausgeübt wurde von ſolchen, die auf Ehre nicht viel hielten. Zweifellos trägt das an dem gegenwärtigen Stand der Dinge einen Hauptteil der Schuld. Wenn im Verkehr mit den Handelsvölkern des Weſtens der Handel erſt einmal ſeine rechte Würdigung erfährt, — und man iſt jetzt ſchon auf dem beſten Wege dazu —, ſo werden ſich ihm auch ſittlich hochſtehende Kreiſe zu- wenden, und allmählich wird das Geſchäftsgebahren

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/126
Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/126>, abgerufen am 24.11.2024.