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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

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nicht Jhr plötzlicher Fall vertiefen! -- Was werden sie
für eine fürchterliche Erwartung des Ausgangs Jhrer
Sache haben! -- Mit welchem nagenden Kummer wer-
den sie die Gefahr erblicken, in der sich Jhre Seele befin-
det! -- Und wie wird sie die Art Jhres Todes beugen!
-- Werden sie sich jemals wieder zufrieden geben kön-
nen? -- Werden sie nicht unter der Last ihres gerechten
Schmerzes erliegen müssen, und vielleicht Gesundheit
und Leben darüber verlieren? -- Und derjenige, der
ihnen alle diese Leiden verursacht hat, ist ihr Sohn, der
sind Sie.

Jch hatte schon seit einigen Tagen einen Brief
von dem Vater des Grafen, an diesen unglücklichen
Sohn bey mir. Diesen Augenblick hielt ich für den
besten, ihm denselben zu überreichen. Jch darf ihn um
seines erbaulichen Jnhalts, und um der Vollständigkeit
dieser Geschichte willen, meinen Lesern nicht vorenthalten,
und ich hoffe, daß mir der würdige Vater die Bekannt-
machung desselben erlauben wird, zumahl da er schon in
öffentlichen Blättern abgedruckt ist.

"Jst es möglich so wünsche, daß diese Zeilen von dir
"empfangen und gelesen auch beherziget werden. Die
"Traurigkeit, Wehmuth und Beklemmung deiner El-
"tern über ihre Söhne vermag ich nicht auszudrücken.
"Unsre Augen thränen Tag und Nacht. Unsre See-
"len schreien um Erbarmung zu Gott ohne Aufhören.
"Doch ich will hievon schweigen. Nur eine Sache
"liegt mir und deiner bekümmerten Mutter auf dem Her-
"zen. Du kennest unsere Gesinnung. Du weist, was
"für einen Zweck wir bey deiner Erziehung gehabt
"haben. Es ist dir erinnerlich wie oft, wie nachdrück-
"lich, dir diese Wahrheit eingeschärft ist, daß die
"ungeheuchelte Gottseeligkeit zu allen Dingen nütze sey.

"So



nicht Jhr ploͤtzlicher Fall vertiefen! — Was werden ſie
fuͤr eine fuͤrchterliche Erwartung des Ausgangs Jhrer
Sache haben! — Mit welchem nagenden Kummer wer-
den ſie die Gefahr erblicken, in der ſich Jhre Seele befin-
det! — Und wie wird ſie die Art Jhres Todes beugen!
— Werden ſie ſich jemals wieder zufrieden geben koͤn-
nen? — Werden ſie nicht unter der Laſt ihres gerechten
Schmerzes erliegen muͤſſen, und vielleicht Geſundheit
und Leben daruͤber verlieren? — Und derjenige, der
ihnen alle dieſe Leiden verurſacht hat, iſt ihr Sohn, der
ſind Sie.

Jch hatte ſchon ſeit einigen Tagen einen Brief
von dem Vater des Grafen, an dieſen ungluͤcklichen
Sohn bey mir. Dieſen Augenblick hielt ich fuͤr den
beſten, ihm denſelben zu uͤberreichen. Jch darf ihn um
ſeines erbaulichen Jnhalts, und um der Vollſtaͤndigkeit
dieſer Geſchichte willen, meinen Leſern nicht vorenthalten,
und ich hoffe, daß mir der wuͤrdige Vater die Bekannt-
machung deſſelben erlauben wird, zumahl da er ſchon in
oͤffentlichen Blaͤttern abgedruckt iſt.

Jſt es moͤglich ſo wuͤnſche, daß dieſe Zeilen von dir
“empfangen und geleſen auch beherziget werden. Die
“Traurigkeit, Wehmuth und Beklemmung deiner El-
“tern uͤber ihre Soͤhne vermag ich nicht auszudruͤcken.
“Unſre Augen thraͤnen Tag und Nacht. Unſre See-
“len ſchreien um Erbarmung zu Gott ohne Aufhoͤren.
“Doch ich will hievon ſchweigen. Nur eine Sache
“liegt mir und deiner bekuͤmmerten Mutter auf dem Her-
“zen. Du kenneſt unſere Geſinnung. Du weiſt, was
“fuͤr einen Zweck wir bey deiner Erziehung gehabt
“haben. Es iſt dir erinnerlich wie oft, wie nachdruͤck-
“lich, dir dieſe Wahrheit eingeſchaͤrft iſt, daß die
“ungeheuchelte Gottſeeligkeit zu allen Dingen nuͤtze ſey.

“So
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[82/0094] nicht Jhr ploͤtzlicher Fall vertiefen! — Was werden ſie fuͤr eine fuͤrchterliche Erwartung des Ausgangs Jhrer Sache haben! — Mit welchem nagenden Kummer wer- den ſie die Gefahr erblicken, in der ſich Jhre Seele befin- det! — Und wie wird ſie die Art Jhres Todes beugen! — Werden ſie ſich jemals wieder zufrieden geben koͤn- nen? — Werden ſie nicht unter der Laſt ihres gerechten Schmerzes erliegen muͤſſen, und vielleicht Geſundheit und Leben daruͤber verlieren? — Und derjenige, der ihnen alle dieſe Leiden verurſacht hat, iſt ihr Sohn, der ſind Sie. Jch hatte ſchon ſeit einigen Tagen einen Brief von dem Vater des Grafen, an dieſen ungluͤcklichen Sohn bey mir. Dieſen Augenblick hielt ich fuͤr den beſten, ihm denſelben zu uͤberreichen. Jch darf ihn um ſeines erbaulichen Jnhalts, und um der Vollſtaͤndigkeit dieſer Geſchichte willen, meinen Leſern nicht vorenthalten, und ich hoffe, daß mir der wuͤrdige Vater die Bekannt- machung deſſelben erlauben wird, zumahl da er ſchon in oͤffentlichen Blaͤttern abgedruckt iſt. “Jſt es moͤglich ſo wuͤnſche, daß dieſe Zeilen von dir “empfangen und geleſen auch beherziget werden. Die “Traurigkeit, Wehmuth und Beklemmung deiner El- “tern uͤber ihre Soͤhne vermag ich nicht auszudruͤcken. “Unſre Augen thraͤnen Tag und Nacht. Unſre See- “len ſchreien um Erbarmung zu Gott ohne Aufhoͤren. “Doch ich will hievon ſchweigen. Nur eine Sache “liegt mir und deiner bekuͤmmerten Mutter auf dem Her- “zen. Du kenneſt unſere Geſinnung. Du weiſt, was “fuͤr einen Zweck wir bey deiner Erziehung gehabt “haben. Es iſt dir erinnerlich wie oft, wie nachdruͤck- “lich, dir dieſe Wahrheit eingeſchaͤrft iſt, daß die “ungeheuchelte Gottſeeligkeit zu allen Dingen nuͤtze ſey. “So

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Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/94>, abgerufen am 02.05.2024.