Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.über die Sittenlehre und den Tod Jesu. Er erinnerte sich, das im Emile gefunden zu haben. -- Jch könnte Jhnen wohl in dieser Absicht das neue Testament zu le- sen geben. Aber da die Geschichte Jesu in allen vier Evangelisten zerstreut ist, da manche Stelle nicht richtig übersetzt, und mehrere wegen ihrer Beziehung auf die Sitten der damaligen Zeiten und Völker, auf die Lage der Oerter u. s. w. Jhnen unverständlich seyn möchten, da Sie endlich auch vermuhtlich gewohnt gewesen sind, einige biblische Ausdrücke zum Spott zu misbrauchen, so will ich das itzt noch nicht thun. Ja, sagte er, Sie haben Recht. Jch versprach ihm also die in Zürich her- ausgekommene Geschichte der drey letzten Lebensjahre Jesu zu bringen, worin die Begebenheiten gesammlet und geordnet, alles ins Licht gesetzt, und in einer moder- nen Sprache vorgetragen sey. Jch beklagte aber, daß auch dieß Buch noch nicht vollständig sey, sondern daß der Tod Jesu, das interessanteste und ehrwürdigste Stück seiner Geschichte, noch fehle. Cramer hatte mir einen Gruß an ihn aufgetra- Jch ließ ihm heute Gellerts moralische Vorlesun- Fünfte D 2
uͤber die Sittenlehre und den Tod Jeſu. Er erinnerte ſich, das im Emile gefunden zu haben. — Jch koͤnnte Jhnen wohl in dieſer Abſicht das neue Teſtament zu le- ſen geben. Aber da die Geſchichte Jeſu in allen vier Evangeliſten zerſtreut iſt, da manche Stelle nicht richtig uͤberſetzt, und mehrere wegen ihrer Beziehung auf die Sitten der damaligen Zeiten und Voͤlker, auf die Lage der Oerter u. ſ. w. Jhnen unverſtaͤndlich ſeyn moͤchten, da Sie endlich auch vermuhtlich gewohnt geweſen ſind, einige bibliſche Ausdruͤcke zum Spott zu misbrauchen, ſo will ich das itzt noch nicht thun. Ja, ſagte er, Sie haben Recht. Jch verſprach ihm alſo die in Zuͤrich her- ausgekommene Geſchichte der drey letzten Lebensjahre Jeſu zu bringen, worin die Begebenheiten geſammlet und geordnet, alles ins Licht geſetzt, und in einer moder- nen Sprache vorgetragen ſey. Jch beklagte aber, daß auch dieß Buch noch nicht vollſtaͤndig ſey, ſondern daß der Tod Jeſu, das intereſſanteſte und ehrwuͤrdigſte Stuͤck ſeiner Geſchichte, noch fehle. Cramer hatte mir einen Gruß an ihn aufgetra- Jch ließ ihm heute Gellerts moraliſche Vorleſun- Fuͤnfte D 2
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uͤber die Sittenlehre und den Tod Jeſu. Er erinnerte
ſich, das im Emile gefunden zu haben. — Jch koͤnnte
Jhnen wohl in dieſer Abſicht das neue Teſtament zu le-
ſen geben. Aber da die Geſchichte Jeſu in allen vier
Evangeliſten zerſtreut iſt, da manche Stelle nicht richtig
uͤberſetzt, und mehrere wegen ihrer Beziehung auf die
Sitten der damaligen Zeiten und Voͤlker, auf die Lage
der Oerter u. ſ. w. Jhnen unverſtaͤndlich ſeyn moͤchten,
da Sie endlich auch vermuhtlich gewohnt geweſen ſind,
einige bibliſche Ausdruͤcke zum Spott zu misbrauchen,
ſo will ich das itzt noch nicht thun. Ja, ſagte er, Sie
haben Recht. Jch verſprach ihm alſo die in Zuͤrich her-
ausgekommene Geſchichte der drey letzten Lebensjahre
Jeſu zu bringen, worin die Begebenheiten geſammlet
und geordnet, alles ins Licht geſetzt, und in einer moder-
nen Sprache vorgetragen ſey. Jch beklagte aber, daß
auch dieß Buch noch nicht vollſtaͤndig ſey,
ſondern daß
der Tod Jeſu, das intereſſanteſte und ehrwuͤrdigſte Stuͤck
ſeiner Geſchichte, noch fehle.
Cramer hatte mir einen Gruß an ihn aufgetra-
gen, und mich gebeten ihm zu melden, daß der Graf
Bernſtorf ihm verziehen habe, und noch in den letzten Ta-
gen ſeines Lebens ſehr bekuͤmmert um den Zuſtand ſeiner
Seele geweſen ſey. Er fragte: Hat Bernſtorf meine Ar-
retirung erlebt? “Ja, er iſt etwa erſt vor vierzehn Ta-
gen geſtorben.„ Die Thraͤnen ſtuͤrzten ihm hier wieder
aus den Augen. Er bat mich, Cramern zu melden, daß
er wuͤnſchte, ſeines Andenkens wuͤrdig zu ſeyn, und daß
er ihm ſehr fuͤr dieſe Nachricht dankte.
Jch ließ ihm heute Gellerts moraliſche Vorleſun-
gen. Den Reimarus hatte er ſchon beynahe halb vollen-
det. Er hat ſich bisher in meiner Abweſenheit faſt im-
mer mit den Buͤchern, die ich ihm gebracht, beſchaͤfftigt.
Fuͤnfte
D 2
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