Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.Haß und Verfolgungsgeist unter dem Schein des Eifers sich überließen. Dieser Misbrauch zeigte mir die Reli- gion als eine Verblendung, die zu allen Zeiten auf die menschliche Gesellschaft mehr schädliche Folgen gehabt, als der unordentliche Genuß der sinnlichen Vergnügen. Die Einbildungskraft übersieht die Mittel, und wählt aus Uebereilung unrichtige, wenn sie sich zu lebhaft mit dem Endzweck beschäfftigt. Die Anwendung der Wahr- heiten der Religion sorgfältig auf sich selbst zu machen, die Rechtschaffenheit und die Erfüllung der Pflichten seines Verhältnisses zu suchen, halte ich daher für das nothwendigste, um ein wahrer Christ zu seyn. Jn die- ser Absicht habe mit Vergnügen diesen Aufsatz geschrie- ben. Jch übergebe ihn Jhnen, wehrtester Freund, zur Beurtheilung, und überlasse Jhnen den Gebrauch, den Sie davon zu machen für nützlich finden werden. den 23sten April 1772. Struensee. Gedruckt im Waysenhause, Haß und Verfolgungsgeiſt unter dem Schein des Eifers ſich uͤberließen. Dieſer Misbrauch zeigte mir die Reli- gion als eine Verblendung, die zu allen Zeiten auf die menſchliche Geſellſchaft mehr ſchaͤdliche Folgen gehabt, als der unordentliche Genuß der ſinnlichen Vergnuͤgen. Die Einbildungskraft uͤberſieht die Mittel, und waͤhlt aus Uebereilung unrichtige, wenn ſie ſich zu lebhaft mit dem Endzweck beſchaͤfftigt. Die Anwendung der Wahr- heiten der Religion ſorgfaͤltig auf ſich ſelbſt zu machen, die Rechtſchaffenheit und die Erfuͤllung der Pflichten ſeines Verhaͤltniſſes zu ſuchen, halte ich daher fuͤr das nothwendigſte, um ein wahrer Chriſt zu ſeyn. Jn die- ſer Abſicht habe mit Vergnuͤgen dieſen Aufſatz geſchrie- ben. Jch uͤbergebe ihn Jhnen, wehrteſter Freund, zur Beurtheilung, und uͤberlaſſe Jhnen den Gebrauch, den Sie davon zu machen fuͤr nuͤtzlich finden werden. den 23ſten April 1772. Struenſee. Gedruckt im Wayſenhauſe, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0324" n="312"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> Haß und Verfolgungsgeiſt unter dem Schein des Eifers<lb/> ſich uͤberließen. Dieſer Misbrauch zeigte mir die Reli-<lb/> gion als eine Verblendung, die zu allen Zeiten auf die<lb/> menſchliche Geſellſchaft mehr ſchaͤdliche Folgen gehabt,<lb/> als der unordentliche Genuß der ſinnlichen Vergnuͤgen.<lb/> Die Einbildungskraft uͤberſieht die Mittel, und waͤhlt<lb/> aus Uebereilung unrichtige, wenn ſie ſich zu lebhaft mit<lb/> dem Endzweck beſchaͤfftigt. Die Anwendung der Wahr-<lb/> heiten der Religion ſorgfaͤltig auf ſich ſelbſt zu machen,<lb/> die Rechtſchaffenheit und die Erfuͤllung der Pflichten<lb/> ſeines Verhaͤltniſſes zu ſuchen, halte ich daher fuͤr das<lb/> nothwendigſte, um ein wahrer Chriſt zu ſeyn. Jn die-<lb/> ſer Abſicht habe mit Vergnuͤgen dieſen Aufſatz geſchrie-<lb/> ben. Jch uͤbergebe ihn Jhnen, wehrteſter Freund, zur<lb/> Beurtheilung, und uͤberlaſſe Jhnen den Gebrauch, den<lb/> Sie davon zu machen fuͤr nuͤtzlich finden werden.</p><lb/> <p> <hi rendition="#et">den 23ſten April 1772.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#b">Struenſee.</hi> </hi> </p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </body> <back> <p> <hi rendition="#c">Gedruckt im Wayſenhauſe,<lb/> bey Gerhard Gieſe Salikath.</hi> </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </back> </text> </TEI> [312/0324]
Haß und Verfolgungsgeiſt unter dem Schein des Eifers
ſich uͤberließen. Dieſer Misbrauch zeigte mir die Reli-
gion als eine Verblendung, die zu allen Zeiten auf die
menſchliche Geſellſchaft mehr ſchaͤdliche Folgen gehabt,
als der unordentliche Genuß der ſinnlichen Vergnuͤgen.
Die Einbildungskraft uͤberſieht die Mittel, und waͤhlt
aus Uebereilung unrichtige, wenn ſie ſich zu lebhaft mit
dem Endzweck beſchaͤfftigt. Die Anwendung der Wahr-
heiten der Religion ſorgfaͤltig auf ſich ſelbſt zu machen,
die Rechtſchaffenheit und die Erfuͤllung der Pflichten
ſeines Verhaͤltniſſes zu ſuchen, halte ich daher fuͤr das
nothwendigſte, um ein wahrer Chriſt zu ſeyn. Jn die-
ſer Abſicht habe mit Vergnuͤgen dieſen Aufſatz geſchrie-
ben. Jch uͤbergebe ihn Jhnen, wehrteſter Freund, zur
Beurtheilung, und uͤberlaſſe Jhnen den Gebrauch, den
Sie davon zu machen fuͤr nuͤtzlich finden werden.
den 23ſten April 1772.
Struenſee.
Gedruckt im Wayſenhauſe,
bey Gerhard Gieſe Salikath.
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Zitationshilfe: | Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/324>, abgerufen am 16.02.2025. |