Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite



genau bestimmen könnte, so wären die Einwendungen eben
so unbedeutend, als die Antworten nicht immer befriedi-
gend wären. Zuweilen könnten sich auch Schreibfehler in
die Codices eingeschlichen haben, hin und wieder hätte
man auch wohl nicht die richtige Bedeutung der Worte
gefunden. Jch erläuterte ihm das mit einigen Beyspielen
aus den alten Testament. -- Jn Schweden könnten unge-
heure Summen berechnet werden, wenn man nach Kupfer-
dalern rechnete. Wenn nun eine solche Rechnung nach vie-
len Jahrhunderten, da man etwa nicht mehr wüßte, wie
hoch der Wehrt eines Kupferdalers gewesen wäre, und
vielleicht ihn aus Jrrthum für gleich mit dem Wehrt eines
Reichsthalers annähme, beurtheilt werden sollte, so wür-
den sich gegen dieselbe unauflösliche Schwürigkeiten ma-
chen lassen. --

Der bevorstehende Montag war, wie ich schon
erwähnt habe, zur Communion angesetzt. Da diese feyer-
liche Handlung, sagte ich zu dem Grafen, zugleich ein
öffentliches Bekenntniß des Christenthums ist, so halte ich
es nicht für anständig, daß Sie sie ohne Zeugen begehen.
Billig sollte doch irgend ein wahrer Christ, der dafür be-
kannt ist, dabey gegenwärtig seyn. Jch wünschte, antwor-
tete er, daß ich zugleich mit dem Grafen Brandt das heilige
Abendmahl empfangen könnte. Weil das aber Schwürig-
keiten haben kann, so bitte ich Sie den Herrn Commendan-
ten zu ersuchen, daß er Zeuge dabey seyn wolle.

Der Graf schien mir heute nicht völlig so heiter zu
seyn, als er sonst zu seyn pflegt. Jch erkundigte mich bey
ihm nach der Ursache davon. Sie wissen, antwortete er,
daß ich morgen mein Urtheil erwarte. Dieß hat mich veran-
laßt über die vorigen Zeiten nachzudenken. Es ist mir dabey
eingefallen, wenn ich dieß nicht gethan und jenes anders
gemacht hätte, so würde ich nicht so unglücklich geworden
seyn. Und das hat mich ein wenig beunruhigt. Jnzwischen
verlassen Sie sich darauf, daß diese Unruhe nur ein kleiner

Ueber-



genau beſtimmen koͤnnte, ſo waͤren die Einwendungen eben
ſo unbedeutend, als die Antworten nicht immer befriedi-
gend waͤren. Zuweilen koͤnnten ſich auch Schreibfehler in
die Codices eingeſchlichen haben, hin und wieder haͤtte
man auch wohl nicht die richtige Bedeutung der Worte
gefunden. Jch erlaͤuterte ihm das mit einigen Beyſpielen
aus den alten Teſtament. — Jn Schweden koͤnnten unge-
heure Summen berechnet werden, wenn man nach Kupfer-
dalern rechnete. Wenn nun eine ſolche Rechnung nach vie-
len Jahrhunderten, da man etwa nicht mehr wuͤßte, wie
hoch der Wehrt eines Kupferdalers geweſen waͤre, und
vielleicht ihn aus Jrrthum fuͤr gleich mit dem Wehrt eines
Reichsthalers annaͤhme, beurtheilt werden ſollte, ſo wuͤr-
den ſich gegen dieſelbe unaufloͤsliche Schwuͤrigkeiten ma-
chen laſſen. —

Der bevorſtehende Montag war, wie ich ſchon
erwaͤhnt habe, zur Communion angeſetzt. Da dieſe feyer-
liche Handlung, ſagte ich zu dem Grafen, zugleich ein
oͤffentliches Bekenntniß des Chriſtenthums iſt, ſo halte ich
es nicht fuͤr anſtaͤndig, daß Sie ſie ohne Zeugen begehen.
Billig ſollte doch irgend ein wahrer Chriſt, der dafuͤr be-
kannt iſt, dabey gegenwaͤrtig ſeyn. Jch wuͤnſchte, antwor-
tete er, daß ich zugleich mit dem Grafen Brandt das heilige
Abendmahl empfangen koͤnnte. Weil das aber Schwuͤrig-
keiten haben kann, ſo bitte ich Sie den Herrn Commendan-
ten zu erſuchen, daß er Zeuge dabey ſeyn wolle.

Der Graf ſchien mir heute nicht voͤllig ſo heiter zu
ſeyn, als er ſonſt zu ſeyn pflegt. Jch erkundigte mich bey
ihm nach der Urſache davon. Sie wiſſen, antwortete er,
daß ich morgen mein Urtheil erwarte. Dieß hat mich veran-
laßt uͤber die vorigen Zeiten nachzudenken. Es iſt mir dabey
eingefallen, wenn ich dieß nicht gethan und jenes anders
gemacht haͤtte, ſo wuͤrde ich nicht ſo ungluͤcklich geworden
ſeyn. Und das hat mich ein wenig beunruhigt. Jnzwiſchen
verlaſſen Sie ſich darauf, daß dieſe Unruhe nur ein kleiner

Ueber-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0262" n="250"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
genau be&#x017F;timmen ko&#x0364;nnte, &#x017F;o wa&#x0364;ren die Einwendungen eben<lb/>
&#x017F;o unbedeutend, als die Antworten nicht immer befriedi-<lb/>
gend wa&#x0364;ren. Zuweilen ko&#x0364;nnten &#x017F;ich auch Schreibfehler in<lb/>
die Codices einge&#x017F;chlichen haben, hin und wieder ha&#x0364;tte<lb/>
man auch wohl nicht die richtige Bedeutung der Worte<lb/>
gefunden. Jch erla&#x0364;uterte ihm das mit einigen Bey&#x017F;pielen<lb/>
aus den alten Te&#x017F;tament. &#x2014; Jn Schweden ko&#x0364;nnten unge-<lb/>
heure Summen berechnet werden, wenn man nach Kupfer-<lb/>
dalern rechnete. Wenn nun eine &#x017F;olche Rechnung nach vie-<lb/>
len Jahrhunderten, da man etwa nicht mehr wu&#x0364;ßte, wie<lb/>
hoch der Wehrt eines Kupferdalers gewe&#x017F;en wa&#x0364;re, und<lb/>
vielleicht ihn aus Jrrthum fu&#x0364;r gleich mit dem Wehrt eines<lb/>
Reichsthalers anna&#x0364;hme, beurtheilt werden &#x017F;ollte, &#x017F;o wu&#x0364;r-<lb/>
den &#x017F;ich gegen die&#x017F;elbe unauflo&#x0364;sliche Schwu&#x0364;rigkeiten ma-<lb/>
chen la&#x017F;&#x017F;en. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Der bevor&#x017F;tehende Montag war, wie ich &#x017F;chon<lb/>
erwa&#x0364;hnt habe, zur Communion ange&#x017F;etzt. Da die&#x017F;e feyer-<lb/>
liche Handlung, &#x017F;agte ich zu dem Grafen, zugleich ein<lb/>
o&#x0364;ffentliches Bekenntniß des Chri&#x017F;tenthums i&#x017F;t, &#x017F;o halte ich<lb/>
es nicht fu&#x0364;r an&#x017F;ta&#x0364;ndig, daß Sie &#x017F;ie ohne Zeugen begehen.<lb/>
Billig &#x017F;ollte doch irgend ein wahrer Chri&#x017F;t, der dafu&#x0364;r be-<lb/>
kannt i&#x017F;t, dabey gegenwa&#x0364;rtig &#x017F;eyn. Jch wu&#x0364;n&#x017F;chte, antwor-<lb/>
tete er, daß ich zugleich mit dem Grafen Brandt das heilige<lb/>
Abendmahl empfangen ko&#x0364;nnte. Weil das aber Schwu&#x0364;rig-<lb/>
keiten haben kann, &#x017F;o bitte ich Sie den Herrn Commendan-<lb/>
ten zu er&#x017F;uchen, daß er Zeuge dabey &#x017F;eyn wolle.</p><lb/>
        <p>Der Graf &#x017F;chien mir heute nicht vo&#x0364;llig &#x017F;o heiter zu<lb/>
&#x017F;eyn, als er &#x017F;on&#x017F;t zu &#x017F;eyn pflegt. Jch erkundigte mich bey<lb/>
ihm nach der Ur&#x017F;ache davon. Sie wi&#x017F;&#x017F;en, antwortete er,<lb/>
daß ich morgen mein Urtheil erwarte. Dieß hat mich veran-<lb/>
laßt u&#x0364;ber die vorigen Zeiten nachzudenken. Es i&#x017F;t mir dabey<lb/>
eingefallen, wenn ich dieß nicht gethan und jenes anders<lb/>
gemacht ha&#x0364;tte, &#x017F;o wu&#x0364;rde ich nicht &#x017F;o unglu&#x0364;cklich geworden<lb/>
&#x017F;eyn. Und das hat mich ein wenig beunruhigt. Jnzwi&#x017F;chen<lb/>
verla&#x017F;&#x017F;en Sie &#x017F;ich darauf, daß die&#x017F;e Unruhe nur ein kleiner<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ueber-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[250/0262] genau beſtimmen koͤnnte, ſo waͤren die Einwendungen eben ſo unbedeutend, als die Antworten nicht immer befriedi- gend waͤren. Zuweilen koͤnnten ſich auch Schreibfehler in die Codices eingeſchlichen haben, hin und wieder haͤtte man auch wohl nicht die richtige Bedeutung der Worte gefunden. Jch erlaͤuterte ihm das mit einigen Beyſpielen aus den alten Teſtament. — Jn Schweden koͤnnten unge- heure Summen berechnet werden, wenn man nach Kupfer- dalern rechnete. Wenn nun eine ſolche Rechnung nach vie- len Jahrhunderten, da man etwa nicht mehr wuͤßte, wie hoch der Wehrt eines Kupferdalers geweſen waͤre, und vielleicht ihn aus Jrrthum fuͤr gleich mit dem Wehrt eines Reichsthalers annaͤhme, beurtheilt werden ſollte, ſo wuͤr- den ſich gegen dieſelbe unaufloͤsliche Schwuͤrigkeiten ma- chen laſſen. — Der bevorſtehende Montag war, wie ich ſchon erwaͤhnt habe, zur Communion angeſetzt. Da dieſe feyer- liche Handlung, ſagte ich zu dem Grafen, zugleich ein oͤffentliches Bekenntniß des Chriſtenthums iſt, ſo halte ich es nicht fuͤr anſtaͤndig, daß Sie ſie ohne Zeugen begehen. Billig ſollte doch irgend ein wahrer Chriſt, der dafuͤr be- kannt iſt, dabey gegenwaͤrtig ſeyn. Jch wuͤnſchte, antwor- tete er, daß ich zugleich mit dem Grafen Brandt das heilige Abendmahl empfangen koͤnnte. Weil das aber Schwuͤrig- keiten haben kann, ſo bitte ich Sie den Herrn Commendan- ten zu erſuchen, daß er Zeuge dabey ſeyn wolle. Der Graf ſchien mir heute nicht voͤllig ſo heiter zu ſeyn, als er ſonſt zu ſeyn pflegt. Jch erkundigte mich bey ihm nach der Urſache davon. Sie wiſſen, antwortete er, daß ich morgen mein Urtheil erwarte. Dieß hat mich veran- laßt uͤber die vorigen Zeiten nachzudenken. Es iſt mir dabey eingefallen, wenn ich dieß nicht gethan und jenes anders gemacht haͤtte, ſo wuͤrde ich nicht ſo ungluͤcklich geworden ſeyn. Und das hat mich ein wenig beunruhigt. Jnzwiſchen verlaſſen Sie ſich darauf, daß dieſe Unruhe nur ein kleiner Ueber-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/262
Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/262>, abgerufen am 03.12.2024.