Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite




Christus die Todten auferwecken wird, wird er auch
Gericht über das menschliche Geschlecht halten, und das
wird mit einer Feyerlichkeit geschehen, die der Würde
eines solchen Richters und eines solchen Gerichts gemäß ist.
Jesus selbst hat uns diesen großen Tag umständlich be-
schrieben Matth. 25, 31-46. Er wird mit Güte und Ge-
rechtigkeit richten. Sie wissen, Gottes Gerechtigkeit ist
die vollkommenste Güte. Mit Güte wird er diejenigen
zum ewigen Leben bestimmen, die die Wahrheit ange-
nommen, und so viel ihnen möglich war nach den Vor-
schriften derselben gehandelt haben: mit Gerechtigkeit die
zum Verderben verurtheilen, die der Wahrheit nicht ge-
horchten und Böses thaten Röm. 3, 6-10.

Hier wünschte der Graf die Lehre der Schrift von
den Höllenstrafen und von ihrer Dauer zu wissen. Jch
trug sie ihm vor, nebst den Gründen für und wider die
Ewigkeit dieser Strafen. Jch berief mich vornehmlich
auf die Worte Christi, Matth. 25, 46. um ihm zu zeigen,
daß es uns nicht erlaubt sey, ein Ende des Verderbens der
Verdammten zu hoffen oder zu lehren, wenn wir nicht
auch zugleich die Ewigkeit des Heils der Gerechten in
Zweifel ziehen wollten. Die Güte Gottes, setzte ich hinzu,
leidet darunter auch nicht, wenn die Gottlosen ewig un-
glücklich sind, denn sie werden es nur darum seyn, weil
es unmöglich seyn wird, daß sie nicht ewig unglücklich
seyn sollten. Jhre Strafen werden zwar fürchterlich und
peinlich seyn, aber ich zweifle doch nicht, daß es ihnen
immer noch eine Wohlthat seyn wird zu existiren, und
daß sie auch an gewissen allgemeinen Vortheilen Antheil
haben werden, wie etwa in dieser Welt die Gottlosen an
dem Licht und an der Wärme der Sonne, an der Frucht-
barkeit des Landes u. s. w. Ein Verbrecher, der hier zu
lebenswieriger Festungsarbeit verurtheilt ist, wird doch
sein trauriges Leben für besser halten als den Tod. So
steht es auch in der Gnade des Königs ihm noch seine

Freyheit




Chriſtus die Todten auferwecken wird, wird er auch
Gericht uͤber das menſchliche Geſchlecht halten, und das
wird mit einer Feyerlichkeit geſchehen, die der Wuͤrde
eines ſolchen Richters und eines ſolchen Gerichts gemaͤß iſt.
Jeſus ſelbſt hat uns dieſen großen Tag umſtaͤndlich be-
ſchrieben Matth. 25, 31-46. Er wird mit Guͤte und Ge-
rechtigkeit richten. Sie wiſſen, Gottes Gerechtigkeit iſt
die vollkommenſte Guͤte. Mit Guͤte wird er diejenigen
zum ewigen Leben beſtimmen, die die Wahrheit ange-
nommen, und ſo viel ihnen moͤglich war nach den Vor-
ſchriften derſelben gehandelt haben: mit Gerechtigkeit die
zum Verderben verurtheilen, die der Wahrheit nicht ge-
horchten und Boͤſes thaten Roͤm. 3, 6-10.

Hier wuͤnſchte der Graf die Lehre der Schrift von
den Hoͤllenſtrafen und von ihrer Dauer zu wiſſen. Jch
trug ſie ihm vor, nebſt den Gruͤnden fuͤr und wider die
Ewigkeit dieſer Strafen. Jch berief mich vornehmlich
auf die Worte Chriſti, Matth. 25, 46. um ihm zu zeigen,
daß es uns nicht erlaubt ſey, ein Ende des Verderbens der
Verdammten zu hoffen oder zu lehren, wenn wir nicht
auch zugleich die Ewigkeit des Heils der Gerechten in
Zweifel ziehen wollten. Die Guͤte Gottes, ſetzte ich hinzu,
leidet darunter auch nicht, wenn die Gottloſen ewig un-
gluͤcklich ſind, denn ſie werden es nur darum ſeyn, weil
es unmoͤglich ſeyn wird, daß ſie nicht ewig ungluͤcklich
ſeyn ſollten. Jhre Strafen werden zwar fuͤrchterlich und
peinlich ſeyn, aber ich zweifle doch nicht, daß es ihnen
immer noch eine Wohlthat ſeyn wird zu exiſtiren, und
daß ſie auch an gewiſſen allgemeinen Vortheilen Antheil
haben werden, wie etwa in dieſer Welt die Gottloſen an
dem Licht und an der Waͤrme der Sonne, an der Frucht-
barkeit des Landes u. ſ. w. Ein Verbrecher, der hier zu
lebenswieriger Feſtungsarbeit verurtheilt iſt, wird doch
ſein trauriges Leben fuͤr beſſer halten als den Tod. So
ſteht es auch in der Gnade des Koͤnigs ihm noch ſeine

Freyheit
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0231" n="219"/><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Chri&#x017F;tus die Todten auferwecken wird, wird er auch<lb/>
Gericht u&#x0364;ber das men&#x017F;chliche Ge&#x017F;chlecht halten, und das<lb/>
wird mit einer Feyerlichkeit ge&#x017F;chehen, die der Wu&#x0364;rde<lb/>
eines &#x017F;olchen Richters und eines &#x017F;olchen Gerichts gema&#x0364;ß i&#x017F;t.<lb/>
Je&#x017F;us &#x017F;elb&#x017F;t hat uns die&#x017F;en großen Tag um&#x017F;ta&#x0364;ndlich be-<lb/>
&#x017F;chrieben Matth. 25, 31-46. Er wird mit Gu&#x0364;te und Ge-<lb/>
rechtigkeit richten. Sie wi&#x017F;&#x017F;en, Gottes Gerechtigkeit i&#x017F;t<lb/>
die vollkommen&#x017F;te Gu&#x0364;te. Mit Gu&#x0364;te wird er diejenigen<lb/>
zum ewigen Leben be&#x017F;timmen, die die Wahrheit ange-<lb/>
nommen, und &#x017F;o viel ihnen mo&#x0364;glich war nach den Vor-<lb/>
&#x017F;chriften der&#x017F;elben gehandelt haben: mit Gerechtigkeit die<lb/>
zum Verderben verurtheilen, die der Wahrheit nicht ge-<lb/>
horchten und Bo&#x0364;&#x017F;es thaten Ro&#x0364;m. 3, 6-10.</p><lb/>
        <p>Hier wu&#x0364;n&#x017F;chte der Graf die Lehre der Schrift von<lb/>
den Ho&#x0364;llen&#x017F;trafen und von ihrer Dauer zu wi&#x017F;&#x017F;en. Jch<lb/>
trug &#x017F;ie ihm vor, neb&#x017F;t den Gru&#x0364;nden fu&#x0364;r und wider die<lb/>
Ewigkeit die&#x017F;er Strafen. Jch berief mich vornehmlich<lb/>
auf die Worte Chri&#x017F;ti, Matth. 25, 46. um ihm zu zeigen,<lb/>
daß es uns nicht erlaubt &#x017F;ey, ein Ende des Verderbens der<lb/>
Verdammten zu hoffen oder zu lehren, wenn wir nicht<lb/>
auch zugleich die Ewigkeit des Heils der Gerechten in<lb/>
Zweifel ziehen wollten. Die Gu&#x0364;te Gottes, &#x017F;etzte ich hinzu,<lb/>
leidet darunter auch nicht, wenn die Gottlo&#x017F;en ewig un-<lb/>
glu&#x0364;cklich &#x017F;ind, denn &#x017F;ie werden es nur darum &#x017F;eyn, weil<lb/>
es unmo&#x0364;glich &#x017F;eyn wird, daß &#x017F;ie nicht ewig unglu&#x0364;cklich<lb/>
&#x017F;eyn &#x017F;ollten. Jhre Strafen werden zwar fu&#x0364;rchterlich und<lb/>
peinlich &#x017F;eyn, aber ich zweifle doch nicht, daß es ihnen<lb/>
immer noch eine Wohlthat &#x017F;eyn wird zu exi&#x017F;tiren, und<lb/>
daß &#x017F;ie auch an gewi&#x017F;&#x017F;en allgemeinen Vortheilen Antheil<lb/>
haben werden, wie etwa in die&#x017F;er Welt die Gottlo&#x017F;en an<lb/>
dem Licht und an der Wa&#x0364;rme der Sonne, an der Frucht-<lb/>
barkeit des Landes u. &#x017F;. w. Ein Verbrecher, der hier zu<lb/>
lebenswieriger Fe&#x017F;tungsarbeit verurtheilt i&#x017F;t, wird doch<lb/>
&#x017F;ein trauriges Leben fu&#x0364;r be&#x017F;&#x017F;er halten als den Tod. So<lb/>
&#x017F;teht es auch in der Gnade des Ko&#x0364;nigs ihm noch &#x017F;eine<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Freyheit</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[219/0231] Chriſtus die Todten auferwecken wird, wird er auch Gericht uͤber das menſchliche Geſchlecht halten, und das wird mit einer Feyerlichkeit geſchehen, die der Wuͤrde eines ſolchen Richters und eines ſolchen Gerichts gemaͤß iſt. Jeſus ſelbſt hat uns dieſen großen Tag umſtaͤndlich be- ſchrieben Matth. 25, 31-46. Er wird mit Guͤte und Ge- rechtigkeit richten. Sie wiſſen, Gottes Gerechtigkeit iſt die vollkommenſte Guͤte. Mit Guͤte wird er diejenigen zum ewigen Leben beſtimmen, die die Wahrheit ange- nommen, und ſo viel ihnen moͤglich war nach den Vor- ſchriften derſelben gehandelt haben: mit Gerechtigkeit die zum Verderben verurtheilen, die der Wahrheit nicht ge- horchten und Boͤſes thaten Roͤm. 3, 6-10. Hier wuͤnſchte der Graf die Lehre der Schrift von den Hoͤllenſtrafen und von ihrer Dauer zu wiſſen. Jch trug ſie ihm vor, nebſt den Gruͤnden fuͤr und wider die Ewigkeit dieſer Strafen. Jch berief mich vornehmlich auf die Worte Chriſti, Matth. 25, 46. um ihm zu zeigen, daß es uns nicht erlaubt ſey, ein Ende des Verderbens der Verdammten zu hoffen oder zu lehren, wenn wir nicht auch zugleich die Ewigkeit des Heils der Gerechten in Zweifel ziehen wollten. Die Guͤte Gottes, ſetzte ich hinzu, leidet darunter auch nicht, wenn die Gottloſen ewig un- gluͤcklich ſind, denn ſie werden es nur darum ſeyn, weil es unmoͤglich ſeyn wird, daß ſie nicht ewig ungluͤcklich ſeyn ſollten. Jhre Strafen werden zwar fuͤrchterlich und peinlich ſeyn, aber ich zweifle doch nicht, daß es ihnen immer noch eine Wohlthat ſeyn wird zu exiſtiren, und daß ſie auch an gewiſſen allgemeinen Vortheilen Antheil haben werden, wie etwa in dieſer Welt die Gottloſen an dem Licht und an der Waͤrme der Sonne, an der Frucht- barkeit des Landes u. ſ. w. Ein Verbrecher, der hier zu lebenswieriger Feſtungsarbeit verurtheilt iſt, wird doch ſein trauriges Leben fuͤr beſſer halten als den Tod. So ſteht es auch in der Gnade des Koͤnigs ihm noch ſeine Freyheit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/231
Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/231>, abgerufen am 28.11.2024.