Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.gion vorgeschriebene Ordnung verletzt haben. -- Wir wollen glücklich seyn; dieß verlangen wir alle, und es ist auch mein Wunsch gewesen. Um dazu zu gelangen, erlaubte ich mir alles, wovon ich glaubte, daß es mir und andern keinen Schaden verursachen würde. Die Vernunft, durch meine Neigungen geleitet, war meine Führerinn, und ich bestimmte mich nach Grundsätzen, die ich aus einer Moral geschöpft hatte, welche nach mei- nem Geschmack war. Durch meine Klugheit hoffte ich den bösen Folgen meiner Handlungen zuvor zu kommen, die ich in sich selbst für gleichgültig hielt. Es fehlte mir selbst nicht an Gründen, sie so gar für unschuldig, für übereinstimmend mit meiner und anderer Glückseeligkeit zu halten. -- Wie muß ich nicht itzt diese Grundsätze verabscheuen, müßte ich es auch nur darum thun, weil sie mich verführt haben Personen unglücklich zu machen, die aller meiner Dankbarkeit würdig sind! Dazu kommt noch ein stärkerer Grund, den ich empfinde, seitdem ich durch die Religion erleuchtet bin, daß ich nemlich Gott dadurch beleidigt habe. -- Urtheilen Sie nun selbst von der Lebhaftigkeit meiner Reue und meiner Qual! Zum Glück für mich hat diese Erkenntniß mir zugleich Mittel gewiesen, von meiner Verirrung zurück zu kommen, und durch aufrichtige Buße, durch Glauben an die Wahr- heiten, die uns Gott offenbahrt hat, durch die Berichti- gung meiner Gesinnungen nach seinem Willen, meine Sünden vor ihm auszulöschen, und mich seiner Begna- digung fähig zu machen. Dieß ist mein Trost worden, der einzige, der für mich vorhanden war! -- Jch richte nun meine eifrigsten Wünsche und Gebete zu Gott, daß er meine durch meine Beyspiele und Reden verführten Freunde auf den Weg der Tugend zurückführen wolle. Jch beschwöre sie, ihre Glückseeligkeit nur in dieser Quelle zu suchen, und keine andre zu hoffen, als diejenige, die uns die Zufriedenheit mit uns selbst, die Religion und das O 2
gion vorgeſchriebene Ordnung verletzt haben. — Wir wollen gluͤcklich ſeyn; dieß verlangen wir alle, und es iſt auch mein Wunſch geweſen. Um dazu zu gelangen, erlaubte ich mir alles, wovon ich glaubte, daß es mir und andern keinen Schaden verurſachen wuͤrde. Die Vernunft, durch meine Neigungen geleitet, war meine Fuͤhrerinn, und ich beſtimmte mich nach Grundſaͤtzen, die ich aus einer Moral geſchoͤpft hatte, welche nach mei- nem Geſchmack war. Durch meine Klugheit hoffte ich den boͤſen Folgen meiner Handlungen zuvor zu kommen, die ich in ſich ſelbſt fuͤr gleichguͤltig hielt. Es fehlte mir ſelbſt nicht an Gruͤnden, ſie ſo gar fuͤr unſchuldig, fuͤr uͤbereinſtimmend mit meiner und anderer Gluͤckſeeligkeit zu halten. — Wie muß ich nicht itzt dieſe Grundſaͤtze verabſcheuen, muͤßte ich es auch nur darum thun, weil ſie mich verfuͤhrt haben Perſonen ungluͤcklich zu machen, die aller meiner Dankbarkeit wuͤrdig ſind! Dazu kommt noch ein ſtaͤrkerer Grund, den ich empfinde, ſeitdem ich durch die Religion erleuchtet bin, daß ich nemlich Gott dadurch beleidigt habe. — Urtheilen Sie nun ſelbſt von der Lebhaftigkeit meiner Reue und meiner Qual! Zum Gluͤck fuͤr mich hat dieſe Erkenntniß mir zugleich Mittel gewieſen, von meiner Verirrung zuruͤck zu kommen, und durch aufrichtige Buße, durch Glauben an die Wahr- heiten, die uns Gott offenbahrt hat, durch die Berichti- gung meiner Geſinnungen nach ſeinem Willen, meine Suͤnden vor ihm auszuloͤſchen, und mich ſeiner Begna- digung faͤhig zu machen. Dieß iſt mein Troſt worden, der einzige, der fuͤr mich vorhanden war! — Jch richte nun meine eifrigſten Wuͤnſche und Gebete zu Gott, daß er meine durch meine Beyſpiele und Reden verfuͤhrten Freunde auf den Weg der Tugend zuruͤckfuͤhren wolle. Jch beſchwoͤre ſie, ihre Gluͤckſeeligkeit nur in dieſer Quelle zu ſuchen, und keine andre zu hoffen, als diejenige, die uns die Zufriedenheit mit uns ſelbſt, die Religion und das O 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0223" n="211"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> gion vorgeſchriebene Ordnung verletzt haben. — Wir<lb/> wollen gluͤcklich ſeyn; dieß verlangen wir alle, und es<lb/> iſt auch mein Wunſch geweſen. Um dazu zu gelangen,<lb/> erlaubte ich mir alles, wovon ich glaubte, daß es mir<lb/> und andern keinen Schaden verurſachen wuͤrde. Die<lb/> Vernunft, durch meine Neigungen geleitet, war meine<lb/> Fuͤhrerinn, und ich beſtimmte mich nach Grundſaͤtzen,<lb/> die ich aus einer Moral geſchoͤpft hatte, welche nach mei-<lb/> nem Geſchmack war. Durch meine Klugheit hoffte ich<lb/> den boͤſen Folgen meiner Handlungen zuvor zu kommen,<lb/> die ich in ſich ſelbſt fuͤr gleichguͤltig hielt. Es fehlte mir<lb/> ſelbſt nicht an Gruͤnden, ſie ſo gar fuͤr unſchuldig, fuͤr<lb/> uͤbereinſtimmend mit meiner und anderer Gluͤckſeeligkeit<lb/> zu halten. — Wie muß ich nicht itzt dieſe Grundſaͤtze<lb/> verabſcheuen, muͤßte ich es auch nur darum thun, weil<lb/> ſie mich verfuͤhrt haben Perſonen ungluͤcklich zu machen,<lb/> die aller meiner Dankbarkeit wuͤrdig ſind! Dazu kommt<lb/> noch ein ſtaͤrkerer Grund, den ich empfinde, ſeitdem ich<lb/> durch die Religion erleuchtet bin, daß ich nemlich Gott<lb/> dadurch beleidigt habe. — Urtheilen Sie nun ſelbſt von<lb/> der Lebhaftigkeit meiner Reue und meiner Qual! Zum<lb/> Gluͤck fuͤr mich hat dieſe Erkenntniß mir zugleich Mittel<lb/> gewieſen, von meiner Verirrung zuruͤck zu kommen, und<lb/> durch aufrichtige Buße, durch Glauben an die Wahr-<lb/> heiten, die uns Gott offenbahrt hat, durch die Berichti-<lb/> gung meiner Geſinnungen nach ſeinem Willen, meine<lb/> Suͤnden vor ihm auszuloͤſchen, und mich ſeiner Begna-<lb/> digung faͤhig zu machen. Dieß iſt mein Troſt worden,<lb/> der einzige, der fuͤr mich vorhanden war! — Jch richte<lb/> nun meine eifrigſten Wuͤnſche und Gebete zu Gott, daß<lb/> er meine durch meine Beyſpiele und Reden verfuͤhrten<lb/> Freunde auf den Weg der Tugend zuruͤckfuͤhren wolle.<lb/> Jch beſchwoͤre ſie, ihre Gluͤckſeeligkeit nur in dieſer Quelle<lb/> zu ſuchen, und keine andre zu hoffen, als diejenige, die<lb/> uns die Zufriedenheit mit uns ſelbſt, die Religion und<lb/> <fw place="bottom" type="sig">O 2</fw><fw place="bottom" type="catch">das</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [211/0223]
gion vorgeſchriebene Ordnung verletzt haben. — Wir
wollen gluͤcklich ſeyn; dieß verlangen wir alle, und es
iſt auch mein Wunſch geweſen. Um dazu zu gelangen,
erlaubte ich mir alles, wovon ich glaubte, daß es mir
und andern keinen Schaden verurſachen wuͤrde. Die
Vernunft, durch meine Neigungen geleitet, war meine
Fuͤhrerinn, und ich beſtimmte mich nach Grundſaͤtzen,
die ich aus einer Moral geſchoͤpft hatte, welche nach mei-
nem Geſchmack war. Durch meine Klugheit hoffte ich
den boͤſen Folgen meiner Handlungen zuvor zu kommen,
die ich in ſich ſelbſt fuͤr gleichguͤltig hielt. Es fehlte mir
ſelbſt nicht an Gruͤnden, ſie ſo gar fuͤr unſchuldig, fuͤr
uͤbereinſtimmend mit meiner und anderer Gluͤckſeeligkeit
zu halten. — Wie muß ich nicht itzt dieſe Grundſaͤtze
verabſcheuen, muͤßte ich es auch nur darum thun, weil
ſie mich verfuͤhrt haben Perſonen ungluͤcklich zu machen,
die aller meiner Dankbarkeit wuͤrdig ſind! Dazu kommt
noch ein ſtaͤrkerer Grund, den ich empfinde, ſeitdem ich
durch die Religion erleuchtet bin, daß ich nemlich Gott
dadurch beleidigt habe. — Urtheilen Sie nun ſelbſt von
der Lebhaftigkeit meiner Reue und meiner Qual! Zum
Gluͤck fuͤr mich hat dieſe Erkenntniß mir zugleich Mittel
gewieſen, von meiner Verirrung zuruͤck zu kommen, und
durch aufrichtige Buße, durch Glauben an die Wahr-
heiten, die uns Gott offenbahrt hat, durch die Berichti-
gung meiner Geſinnungen nach ſeinem Willen, meine
Suͤnden vor ihm auszuloͤſchen, und mich ſeiner Begna-
digung faͤhig zu machen. Dieß iſt mein Troſt worden,
der einzige, der fuͤr mich vorhanden war! — Jch richte
nun meine eifrigſten Wuͤnſche und Gebete zu Gott, daß
er meine durch meine Beyſpiele und Reden verfuͤhrten
Freunde auf den Weg der Tugend zuruͤckfuͤhren wolle.
Jch beſchwoͤre ſie, ihre Gluͤckſeeligkeit nur in dieſer Quelle
zu ſuchen, und keine andre zu hoffen, als diejenige, die
uns die Zufriedenheit mit uns ſelbſt, die Religion und
das
O 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |