ihm Gott seine Sünden vergeben habe, dessen Seele wird ruhig, und in den größesten Trübsalen versichert seyn, daß sie Gott zum Freunde und Vater habe. Röm. 8, 28-34.
Jch wendete nun diese allgemeinen Wahrheiten auf den Grafen an. Vergessen Sie, sagte ich, keinen Augenblick, selbst nicht in den letzten und furchtbarsten Jhres Lebens, daß Sie ein solcher Begnadigter Gottes sind. Mit Wohlgefallen siehet nun Gott auf Sie, Jhr Heil ist theuer vor ihm geachtet, mit aller seiner Liebe ist er zu Jhrer Glückseeligkeit geschäfftig. Alles, was Jh- nen nützlich ist, dürfen Sie sich mit Zuversicht von seiner Gnade versprechen, und was es auch sey, das Jhnen wiederfährt, selbst die zeitliche Strafe Jhrer Sünden, ist für Sie wahrer Vortheil: denn es begegnet Jhnen unter der Regierung Gottes, der Sie liebt, und keinen Augenblick aufhört seine Liebe an Jhnen zu beweisen. Bisher haben Sie wenigstens mit einiger Schüchternheit zu ihm gebetet. Sie wußten, wer Sie waren, ein Sün- der, ein Abtrünniger. Sie wußten, wer Gott ist, der Heiligste unter den Heiligen. Nun stehen Sie mit ihm in der seeligsten Uebereinstimmung. Er ist Jhr Vater und Sie sein Kind. Mit Zuversicht können Sie nun beten, mit Gewißheit erwarten, daß er Jhnen alles geben werde, warum Sie ihn bitten, und das seinen wohlthätigen Ab- sichten mit Jhnen gemäß ist. -- Nun können Sie sichs erklären, woher die heitre Ruhe der Seele rührt, die Sie seit einiger Zeit schon empfunden haben, und die von nun an noch immer fester und unzerstörbarer werden wird. Denken Sie zurück an die vorigen Tage der Weltlust und der irdischen Größe. War ein einziger unter ihnen so heiter, so voll von wahrer Zufriedenheit für Sie, als Jhnen itzt die Zeit Jhres Gefängnisses und Jhrer Bande ist? Sie haben sehr recht, antwortete er mir, und wenn mich auch sonst in meinem Glücke nichts unglücklich
gemacht
N 5
ihm Gott ſeine Suͤnden vergeben habe, deſſen Seele wird ruhig, und in den groͤßeſten Truͤbſalen verſichert ſeyn, daß ſie Gott zum Freunde und Vater habe. Roͤm. 8, 28-34.
Jch wendete nun dieſe allgemeinen Wahrheiten auf den Grafen an. Vergeſſen Sie, ſagte ich, keinen Augenblick, ſelbſt nicht in den letzten und furchtbarſten Jhres Lebens, daß Sie ein ſolcher Begnadigter Gottes ſind. Mit Wohlgefallen ſiehet nun Gott auf Sie, Jhr Heil iſt theuer vor ihm geachtet, mit aller ſeiner Liebe iſt er zu Jhrer Gluͤckſeeligkeit geſchaͤfftig. Alles, was Jh- nen nuͤtzlich iſt, duͤrfen Sie ſich mit Zuverſicht von ſeiner Gnade verſprechen, und was es auch ſey, das Jhnen wiederfaͤhrt, ſelbſt die zeitliche Strafe Jhrer Suͤnden, iſt fuͤr Sie wahrer Vortheil: denn es begegnet Jhnen unter der Regierung Gottes, der Sie liebt, und keinen Augenblick aufhoͤrt ſeine Liebe an Jhnen zu beweiſen. Bisher haben Sie wenigſtens mit einiger Schuͤchternheit zu ihm gebetet. Sie wußten, wer Sie waren, ein Suͤn- der, ein Abtruͤnniger. Sie wußten, wer Gott iſt, der Heiligſte unter den Heiligen. Nun ſtehen Sie mit ihm in der ſeeligſten Uebereinſtimmung. Er iſt Jhr Vater und Sie ſein Kind. Mit Zuverſicht koͤnnen Sie nun beten, mit Gewißheit erwarten, daß er Jhnen alles geben werde, warum Sie ihn bitten, und das ſeinen wohlthaͤtigen Ab- ſichten mit Jhnen gemaͤß iſt. — Nun koͤnnen Sie ſichs erklaͤren, woher die heitre Ruhe der Seele ruͤhrt, die Sie ſeit einiger Zeit ſchon empfunden haben, und die von nun an noch immer feſter und unzerſtoͤrbarer werden wird. Denken Sie zuruͤck an die vorigen Tage der Weltluſt und der irdiſchen Groͤße. War ein einziger unter ihnen ſo heiter, ſo voll von wahrer Zufriedenheit fuͤr Sie, als Jhnen itzt die Zeit Jhres Gefaͤngniſſes und Jhrer Bande iſt? Sie haben ſehr recht, antwortete er mir, und wenn mich auch ſonſt in meinem Gluͤcke nichts ungluͤcklich
gemacht
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[201/0213]
ihm Gott ſeine Suͤnden vergeben habe, deſſen Seele wird
ruhig, und in den groͤßeſten Truͤbſalen verſichert ſeyn, daß
ſie Gott zum Freunde und Vater habe. Roͤm. 8, 28-34.
Jch wendete nun dieſe allgemeinen Wahrheiten
auf den Grafen an. Vergeſſen Sie, ſagte ich, keinen
Augenblick, ſelbſt nicht in den letzten und furchtbarſten
Jhres Lebens, daß Sie ein ſolcher Begnadigter Gottes
ſind. Mit Wohlgefallen ſiehet nun Gott auf Sie, Jhr
Heil iſt theuer vor ihm geachtet, mit aller ſeiner Liebe iſt
er zu Jhrer Gluͤckſeeligkeit geſchaͤfftig. Alles, was Jh-
nen nuͤtzlich iſt, duͤrfen Sie ſich mit Zuverſicht von ſeiner
Gnade verſprechen, und was es auch ſey, das Jhnen
wiederfaͤhrt, ſelbſt die zeitliche Strafe Jhrer Suͤnden,
iſt fuͤr Sie wahrer Vortheil: denn es begegnet Jhnen
unter der Regierung Gottes, der Sie liebt, und keinen
Augenblick aufhoͤrt ſeine Liebe an Jhnen zu beweiſen.
Bisher haben Sie wenigſtens mit einiger Schuͤchternheit
zu ihm gebetet. Sie wußten, wer Sie waren, ein Suͤn-
der, ein Abtruͤnniger. Sie wußten, wer Gott iſt, der
Heiligſte unter den Heiligen. Nun ſtehen Sie mit ihm in
der ſeeligſten Uebereinſtimmung. Er iſt Jhr Vater und
Sie ſein Kind. Mit Zuverſicht koͤnnen Sie nun beten,
mit Gewißheit erwarten, daß er Jhnen alles geben werde,
warum Sie ihn bitten, und das ſeinen wohlthaͤtigen Ab-
ſichten mit Jhnen gemaͤß iſt. — Nun koͤnnen Sie ſichs
erklaͤren, woher die heitre Ruhe der Seele ruͤhrt, die
Sie ſeit einiger Zeit ſchon empfunden haben, und die von
nun an noch immer feſter und unzerſtoͤrbarer werden wird.
Denken Sie zuruͤck an die vorigen Tage der Weltluſt und
der irdiſchen Groͤße. War ein einziger unter ihnen ſo
heiter, ſo voll von wahrer Zufriedenheit fuͤr Sie, als
Jhnen itzt die Zeit Jhres Gefaͤngniſſes und Jhrer Bande
iſt? Sie haben ſehr recht, antwortete er mir, und wenn
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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/213>, abgerufen am 28.07.2024.
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