Der Graf Struensee hatte sich weder vor noch in der Zeit seines Glücks als einen Freund der Religion und guter Sitten bewiesen. Niemand glaubte wenigstens ihn dafür halten zu können, und sein Bey- spiel sowohl als einige seiner öffentlichen Veranstaltun- gen, auch seine Abänderungen solcher Gesetze, die die Einschränkung des Lasters und der sittlichen Unordnung zur Absicht hatten, schienen unwidersprechlich zu bewei- sen, daß man in der Meynung, die man von seiner Re- ligion hegte, nicht Unrecht hätte. Wer sehr billig von ihm dachte, der hielt ihn für einen sehr leichtsinnigen, den Vergnügungen und dem Ehrgeiz ergebenen Mann, der noch wohl von seiner Verirrung zurückkommen könnte. Darüber aber waren alle verständige Beurtheiler einig, daß unter seiner Verwaltung der öffentlichen Angelegen- heiten die Religion allen Nachtheil zu befürchten hätte, der ihr jemals von Menschen verursacht werden kann, und daß die Sitten des Volks, wenigstens in der Hauptstadt, in großer Gefahr wären wild und zügelloß zu werden.
Diese Betrachtungen verursachten es, daß sehr viele rechtschaffene Leute, die nicht fähig sind sich über
das
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Der Graf Struenſee hatte ſich weder vor noch in der Zeit ſeines Gluͤcks als einen Freund der Religion und guter Sitten bewieſen. Niemand glaubte wenigſtens ihn dafuͤr halten zu koͤnnen, und ſein Bey- ſpiel ſowohl als einige ſeiner oͤffentlichen Veranſtaltun- gen, auch ſeine Abaͤnderungen ſolcher Geſetze, die die Einſchraͤnkung des Laſters und der ſittlichen Unordnung zur Abſicht hatten, ſchienen unwiderſprechlich zu bewei- ſen, daß man in der Meynung, die man von ſeiner Re- ligion hegte, nicht Unrecht haͤtte. Wer ſehr billig von ihm dachte, der hielt ihn fuͤr einen ſehr leichtſinnigen, den Vergnuͤgungen und dem Ehrgeiz ergebenen Mann, der noch wohl von ſeiner Verirrung zuruͤckkommen koͤnnte. Daruͤber aber waren alle verſtaͤndige Beurtheiler einig, daß unter ſeiner Verwaltung der oͤffentlichen Angelegen- heiten die Religion allen Nachtheil zu befuͤrchten haͤtte, der ihr jemals von Menſchen verurſacht werden kann, und daß die Sitten des Volks, wenigſtens in der Hauptſtadt, in großer Gefahr waͤren wild und zuͤgelloß zu werden.
Dieſe Betrachtungen verurſachten es, daß ſehr viele rechtſchaffene Leute, die nicht faͤhig ſind ſich uͤber
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[[1]/0013]
Der Graf Struenſee hatte ſich weder vor noch in
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wenigſtens ihn dafuͤr halten zu koͤnnen, und ſein Bey-
ſpiel ſowohl als einige ſeiner oͤffentlichen Veranſtaltun-
gen, auch ſeine Abaͤnderungen ſolcher Geſetze, die die
Einſchraͤnkung des Laſters und der ſittlichen Unordnung
zur Abſicht hatten, ſchienen unwiderſprechlich zu bewei-
ſen, daß man in der Meynung, die man von ſeiner Re-
ligion hegte, nicht Unrecht haͤtte. Wer ſehr billig von
ihm dachte, der hielt ihn fuͤr einen ſehr leichtſinnigen, den
Vergnuͤgungen und dem Ehrgeiz ergebenen Mann, der
noch wohl von ſeiner Verirrung zuruͤckkommen koͤnnte.
Daruͤber aber waren alle verſtaͤndige Beurtheiler einig,
daß unter ſeiner Verwaltung der oͤffentlichen Angelegen-
heiten die Religion allen Nachtheil zu befuͤrchten haͤtte,
der ihr jemals von Menſchen verurſacht werden kann,
und daß die Sitten des Volks, wenigſtens in der
Hauptſtadt, in großer Gefahr waͤren wild und zuͤgelloß
zu werden.
Dieſe Betrachtungen verurſachten es, daß ſehr
viele rechtſchaffene Leute, die nicht faͤhig ſind ſich uͤber
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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/13>, abgerufen am 24.11.2024.
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