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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

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Gottes übereinstimme. Gott ist heilig, sagte ich hier,
weil er einen unüberwindlichen Abscheu an dem morali-
schen Uebel hat. Finden Sie nun etwas in der Haupt-
lehre des Christenthums, das der Heiligkeit Gottes nach-
theilig ist? Warum machte Gott seine große Veranstal-
tung durch Christum? Seine Liebe konnte seiner Heiligkeit
nicht widersprechen. Hätte er jene an den Sündern
bewiesen, ohne seinen Abscheu an ihren Sünden zu er-
klären, so hätte der Mensch denken können, Gott mache
sich nichts daraus, ob man sündige oder nicht. Und
wäre es dann nicht um unsre Erkenntniß und Ueberzeu-
gung von seiner Heiligkeit geschehen gewesen? Nun aber
sehen wir, seine Heiligkeit, seine Verabscheuung der
Sünde, ist eben so groß als seine Liebe. Er will den
Sündern vergeben; er kann es aber nicht, ohne sie von
seinem Haß gegen ihre Sünde zu überzeugen. Er läßt
also seinen Sohn für sie sterben, ehe er sie begnadigt.
Denken Sie nach, ob Sie sich eine Art ersinnen können,
wie Gott, ohne die Menschen selbst zu strafen, ihnen
nachdrücklicher hätte zeigen können, wie verhaßt ihm das
moralische Uebel sey.

Endlich fällt es auch sehr in die Augen, daß die
Gerechtigkeit Gottes nicht allein mit der Lehre der Ver-
söhnung sehr wohl bestehe, sondern auch in unsern Vor-
stellungen von ihr viel dadurch gewinnen muß. Gerecht
mußte sich Gott gegen die Sünder beweisen; seine Güte
würde sonst nicht zugleich Weisheit, sie würde Schwach-
heit gewesen seyn. Er verzeiht also nicht ohne gestraft
zu haben. Nun straft er, aber nur Einen, aber einen
solchen, der durch die Hoheit seiner Natur und seines
Characters würdig ist, das ganze menschliche Geschlecht
vorzustellen. Hier könnte Jhnen nun freylich einfallen,
daß dieser Einzige gleichwohl unschuldig war. Aber er
ward ja auch nicht gezwungen die Strafen der Sünder

auf
H



Gottes uͤbereinſtimme. Gott iſt heilig, ſagte ich hier,
weil er einen unuͤberwindlichen Abſcheu an dem morali-
ſchen Uebel hat. Finden Sie nun etwas in der Haupt-
lehre des Chriſtenthums, das der Heiligkeit Gottes nach-
theilig iſt? Warum machte Gott ſeine große Veranſtal-
tung durch Chriſtum? Seine Liebe konnte ſeiner Heiligkeit
nicht widerſprechen. Haͤtte er jene an den Suͤndern
bewieſen, ohne ſeinen Abſcheu an ihren Suͤnden zu er-
klaͤren, ſo haͤtte der Menſch denken koͤnnen, Gott mache
ſich nichts daraus, ob man ſuͤndige oder nicht. Und
waͤre es dann nicht um unſre Erkenntniß und Ueberzeu-
gung von ſeiner Heiligkeit geſchehen geweſen? Nun aber
ſehen wir, ſeine Heiligkeit, ſeine Verabſcheuung der
Suͤnde, iſt eben ſo groß als ſeine Liebe. Er will den
Suͤndern vergeben; er kann es aber nicht, ohne ſie von
ſeinem Haß gegen ihre Suͤnde zu uͤberzeugen. Er laͤßt
alſo ſeinen Sohn fuͤr ſie ſterben, ehe er ſie begnadigt.
Denken Sie nach, ob Sie ſich eine Art erſinnen koͤnnen,
wie Gott, ohne die Menſchen ſelbſt zu ſtrafen, ihnen
nachdruͤcklicher haͤtte zeigen koͤnnen, wie verhaßt ihm das
moraliſche Uebel ſey.

Endlich faͤllt es auch ſehr in die Augen, daß die
Gerechtigkeit Gottes nicht allein mit der Lehre der Ver-
ſoͤhnung ſehr wohl beſtehe, ſondern auch in unſern Vor-
ſtellungen von ihr viel dadurch gewinnen muß. Gerecht
mußte ſich Gott gegen die Suͤnder beweiſen; ſeine Guͤte
wuͤrde ſonſt nicht zugleich Weisheit, ſie wuͤrde Schwach-
heit geweſen ſeyn. Er verzeiht alſo nicht ohne geſtraft
zu haben. Nun ſtraft er, aber nur Einen, aber einen
ſolchen, der durch die Hoheit ſeiner Natur und ſeines
Characters wuͤrdig iſt, das ganze menſchliche Geſchlecht
vorzuſtellen. Hier koͤnnte Jhnen nun freylich einfallen,
daß dieſer Einzige gleichwohl unſchuldig war. Aber er
ward ja auch nicht gezwungen die Strafen der Suͤnder

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[113/0125] Gottes uͤbereinſtimme. Gott iſt heilig, ſagte ich hier, weil er einen unuͤberwindlichen Abſcheu an dem morali- ſchen Uebel hat. Finden Sie nun etwas in der Haupt- lehre des Chriſtenthums, das der Heiligkeit Gottes nach- theilig iſt? Warum machte Gott ſeine große Veranſtal- tung durch Chriſtum? Seine Liebe konnte ſeiner Heiligkeit nicht widerſprechen. Haͤtte er jene an den Suͤndern bewieſen, ohne ſeinen Abſcheu an ihren Suͤnden zu er- klaͤren, ſo haͤtte der Menſch denken koͤnnen, Gott mache ſich nichts daraus, ob man ſuͤndige oder nicht. Und waͤre es dann nicht um unſre Erkenntniß und Ueberzeu- gung von ſeiner Heiligkeit geſchehen geweſen? Nun aber ſehen wir, ſeine Heiligkeit, ſeine Verabſcheuung der Suͤnde, iſt eben ſo groß als ſeine Liebe. Er will den Suͤndern vergeben; er kann es aber nicht, ohne ſie von ſeinem Haß gegen ihre Suͤnde zu uͤberzeugen. Er laͤßt alſo ſeinen Sohn fuͤr ſie ſterben, ehe er ſie begnadigt. Denken Sie nach, ob Sie ſich eine Art erſinnen koͤnnen, wie Gott, ohne die Menſchen ſelbſt zu ſtrafen, ihnen nachdruͤcklicher haͤtte zeigen koͤnnen, wie verhaßt ihm das moraliſche Uebel ſey. Endlich faͤllt es auch ſehr in die Augen, daß die Gerechtigkeit Gottes nicht allein mit der Lehre der Ver- ſoͤhnung ſehr wohl beſtehe, ſondern auch in unſern Vor- ſtellungen von ihr viel dadurch gewinnen muß. Gerecht mußte ſich Gott gegen die Suͤnder beweiſen; ſeine Guͤte wuͤrde ſonſt nicht zugleich Weisheit, ſie wuͤrde Schwach- heit geweſen ſeyn. Er verzeiht alſo nicht ohne geſtraft zu haben. Nun ſtraft er, aber nur Einen, aber einen ſolchen, der durch die Hoheit ſeiner Natur und ſeines Characters wuͤrdig iſt, das ganze menſchliche Geſchlecht vorzuſtellen. Hier koͤnnte Jhnen nun freylich einfallen, daß dieſer Einzige gleichwohl unſchuldig war. Aber er ward ja auch nicht gezwungen die Strafen der Suͤnder auf H

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Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/125>, abgerufen am 22.11.2024.