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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

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können Sie doch wohl in den letzten Tagen Jhres Lebens
und beym Hingange zum Tode Furcht und Aengstlichkeit
verspüren. Jch sage Jhnen dieß zum Voraus, damit
Sie alsdann nicht glauben mögen, es fehle der Religion
an Trost im Tode. Die natürliche Furcht vor dem Tode,
die schrecklichen Umstände des ihrigen, das Bewußtseyn,
daß Sie sich ihn selbst durch Jhre Vergehungen zugezo-
gen haben, wird sie nicht wegnehmen. Aber in die
Ewigkeit werden Sie durch sie mit Ruhe und Hoffnung
hinausblicken lernen.

Er hatte den Bonnet durchgelesen, und bezeugte
seine große Zufriedenheit über dieß Buch. Die Bonnet-
sche Hypothese zur Erklärung der Wunder hatte ihm be-
sonders wohlgefallen, und viele Zweifel bey ihm auf ein-
mahl gehoben. Da ich wußte daß Rousseau einer von
seinen liebsten Schriftstellern gewesen war, so besorgte
ich, die Einwürfe dieses Verfassers gegen die Wunder
Christi möchten ihm etwa wichtig scheinen. Jch brachte
ihm deswegen des Herrn Claparede Schrift von den
Wundern des Evangelii, um ihm zu zeigen, wie schwach
selbst Roußeaus Einwendungen gegen diese Thatsachen
sind. Die Glaubwürdigkeit der Wunder, sagte ich,
untersteht sich niemand durch Prüfung der Zeugnisse zu
widerlegen, auf welchen sie beruht. Läugnen aber möchte
man sie doch gerne, deswegen macht man bald Vernunft-
schlüsse gegen diese Thatsachen, bald will man sie zu
Allegorien umschaffen, bald läugnet man, gegen die
ausdrücklichen Aussprüche Jesu, der es doch am zuver-
lässigsten sagen konnte, in welcher Absicht er Wunder
that, daß er sie gethan habe, um die Wahrheit seiner
Lehre dadurch zu beweisen. Dieß letztere ist der Weg,
den Roußeau am meisten betritt. Sie müssen selbst in
der Geschichte Jesu die Stellen angetroffen haben, wo
er sich zum Beweise der Göttlichkeit seiner Sendung auf

seine



koͤnnen Sie doch wohl in den letzten Tagen Jhres Lebens
und beym Hingange zum Tode Furcht und Aengſtlichkeit
verſpuͤren. Jch ſage Jhnen dieß zum Voraus, damit
Sie alsdann nicht glauben moͤgen, es fehle der Religion
an Troſt im Tode. Die natuͤrliche Furcht vor dem Tode,
die ſchrecklichen Umſtaͤnde des ihrigen, das Bewußtſeyn,
daß Sie ſich ihn ſelbſt durch Jhre Vergehungen zugezo-
gen haben, wird ſie nicht wegnehmen. Aber in die
Èwigkeit werden Sie durch ſie mit Ruhe und Hoffnung
hinausblicken lernen.

Er hatte den Bonnet durchgeleſen, und bezeugte
ſeine große Zufriedenheit uͤber dieß Buch. Die Bonnet-
ſche Hypotheſe zur Erklaͤrung der Wunder hatte ihm be-
ſonders wohlgefallen, und viele Zweifel bey ihm auf ein-
mahl gehoben. Da ich wußte daß Rouſſeau einer von
ſeinen liebſten Schriftſtellern geweſen war, ſo beſorgte
ich, die Einwuͤrfe dieſes Verfaſſers gegen die Wunder
Chriſti moͤchten ihm etwa wichtig ſcheinen. Jch brachte
ihm deswegen des Herrn Claparede Schrift von den
Wundern des Evangelii, um ihm zu zeigen, wie ſchwach
ſelbſt Roußeaus Einwendungen gegen dieſe Thatſachen
ſind. Die Glaubwuͤrdigkeit der Wunder, ſagte ich,
unterſteht ſich niemand durch Pruͤfung der Zeugniſſe zu
widerlegen, auf welchen ſie beruht. Laͤugnen aber moͤchte
man ſie doch gerne, deswegen macht man bald Vernunft-
ſchluͤſſe gegen dieſe Thatſachen, bald will man ſie zu
Allegorien umſchaffen, bald laͤugnet man, gegen die
ausdruͤcklichen Ausſpruͤche Jeſu, der es doch am zuver-
laͤſſigſten ſagen konnte, in welcher Abſicht er Wunder
that, daß er ſie gethan habe, um die Wahrheit ſeiner
Lehre dadurch zu beweiſen. Dieß letztere iſt der Weg,
den Roußeau am meiſten betritt. Sie muͤſſen ſelbſt in
der Geſchichte Jeſu die Stellen angetroffen haben, wo
er ſich zum Beweiſe der Goͤttlichkeit ſeiner Sendung auf

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[108/0120] koͤnnen Sie doch wohl in den letzten Tagen Jhres Lebens und beym Hingange zum Tode Furcht und Aengſtlichkeit verſpuͤren. Jch ſage Jhnen dieß zum Voraus, damit Sie alsdann nicht glauben moͤgen, es fehle der Religion an Troſt im Tode. Die natuͤrliche Furcht vor dem Tode, die ſchrecklichen Umſtaͤnde des ihrigen, das Bewußtſeyn, daß Sie ſich ihn ſelbſt durch Jhre Vergehungen zugezo- gen haben, wird ſie nicht wegnehmen. Aber in die Èwigkeit werden Sie durch ſie mit Ruhe und Hoffnung hinausblicken lernen. Er hatte den Bonnet durchgeleſen, und bezeugte ſeine große Zufriedenheit uͤber dieß Buch. Die Bonnet- ſche Hypotheſe zur Erklaͤrung der Wunder hatte ihm be- ſonders wohlgefallen, und viele Zweifel bey ihm auf ein- mahl gehoben. Da ich wußte daß Rouſſeau einer von ſeinen liebſten Schriftſtellern geweſen war, ſo beſorgte ich, die Einwuͤrfe dieſes Verfaſſers gegen die Wunder Chriſti moͤchten ihm etwa wichtig ſcheinen. Jch brachte ihm deswegen des Herrn Claparede Schrift von den Wundern des Evangelii, um ihm zu zeigen, wie ſchwach ſelbſt Roußeaus Einwendungen gegen dieſe Thatſachen ſind. Die Glaubwuͤrdigkeit der Wunder, ſagte ich, unterſteht ſich niemand durch Pruͤfung der Zeugniſſe zu widerlegen, auf welchen ſie beruht. Laͤugnen aber moͤchte man ſie doch gerne, deswegen macht man bald Vernunft- ſchluͤſſe gegen dieſe Thatſachen, bald will man ſie zu Allegorien umſchaffen, bald laͤugnet man, gegen die ausdruͤcklichen Ausſpruͤche Jeſu, der es doch am zuver- laͤſſigſten ſagen konnte, in welcher Abſicht er Wunder that, daß er ſie gethan habe, um die Wahrheit ſeiner Lehre dadurch zu beweiſen. Dieß letztere iſt der Weg, den Roußeau am meiſten betritt. Sie muͤſſen ſelbſt in der Geſchichte Jeſu die Stellen angetroffen haben, wo er ſich zum Beweiſe der Goͤttlichkeit ſeiner Sendung auf ſeine

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Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/120>, abgerufen am 24.11.2024.