Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müllner, Adolph: Der Kaliber. Leipzig, 1829.

Bild:
<< vorherige Seite

"Wenn kein Testament vorhanden ist, ohne Zweifel."

Dies schien ihn zu beunruhigen. Er fragte mit einer Art von Aengstlichkeit, ob er diese Erbschaft annehmen müsse. Als ich ihm erwiederte, daß er dieselbe ausschlagen könnte, wenn er das Vermögen den Schulden nicht gewachsen fände, ließ er eine Empfindlichkeit des kaufmännischen Ehrgeizes blicken, und erklärte seine Bedenklichkeit gegen die Annahme der Erbschaft dadurch, daß er nie daran gedacht habe, seinen Bruder zu beerben, der nur um wenige Jahre älter gewesen, als er selbst, und unfehlbar geheirathet haben würde. Als er vernahm, daß ich mit Tages-Anbruch die gerichtliche Anzeige nach B... senden würde, bat er um Material zu zwei Zeilen an seinen Principal. Der Versuch mit Feder und Dinte zu schreiben, mißlang seiner Schwäche. Doch mit der Bleifeder brachte er die

„Wenn kein Testament vorhanden ist, ohne Zweifel.“

Dies schien ihn zu beunruhigen. Er fragte mit einer Art von Aengstlichkeit, ob er diese Erbschaft annehmen müsse. Als ich ihm erwiederte, daß er dieselbe ausschlagen könnte, wenn er das Vermögen den Schulden nicht gewachsen fände, ließ er eine Empfindlichkeit des kaufmännischen Ehrgeizes blicken, und erklärte seine Bedenklichkeit gegen die Annahme der Erbschaft dadurch, daß er nie daran gedacht habe, seinen Bruder zu beerben, der nur um wenige Jahre älter gewesen, als er selbst, und unfehlbar geheirathet haben würde. Als er vernahm, daß ich mit Tages-Anbruch die gerichtliche Anzeige nach B… senden würde, bat er um Material zu zwei Zeilen an seinen Principal. Der Versuch mit Feder und Dinte zu schreiben, mißlang seiner Schwäche. Doch mit der Bleifeder brachte er die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0052" n="32"/>
          <p>&#x201E;Wenn kein Testament vorhanden ist, ohne Zweifel.&#x201C;</p>
          <p>Dies schien ihn zu beunruhigen. Er fragte mit einer Art von Aengstlichkeit, ob er diese Erbschaft annehmen <hi rendition="#g">müsse</hi>. Als ich ihm erwiederte, daß er dieselbe ausschlagen könnte, wenn er das Vermögen den Schulden nicht gewachsen fände, ließ er eine Empfindlichkeit des kaufmännischen Ehrgeizes blicken, und erklärte seine Bedenklichkeit gegen die Annahme der Erbschaft dadurch, daß er <hi rendition="#g">nie</hi> daran gedacht habe, seinen Bruder zu beerben, der nur um wenige Jahre älter gewesen, als er selbst, und unfehlbar geheirathet haben würde. Als er vernahm, daß ich mit Tages-Anbruch die gerichtliche Anzeige nach B&#x2026; senden würde, bat er um Material zu zwei Zeilen an seinen Principal. Der Versuch mit Feder und Dinte zu schreiben, mißlang seiner Schwäche. Doch mit der Bleifeder brachte er die
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[32/0052] „Wenn kein Testament vorhanden ist, ohne Zweifel.“ Dies schien ihn zu beunruhigen. Er fragte mit einer Art von Aengstlichkeit, ob er diese Erbschaft annehmen müsse. Als ich ihm erwiederte, daß er dieselbe ausschlagen könnte, wenn er das Vermögen den Schulden nicht gewachsen fände, ließ er eine Empfindlichkeit des kaufmännischen Ehrgeizes blicken, und erklärte seine Bedenklichkeit gegen die Annahme der Erbschaft dadurch, daß er nie daran gedacht habe, seinen Bruder zu beerben, der nur um wenige Jahre älter gewesen, als er selbst, und unfehlbar geheirathet haben würde. Als er vernahm, daß ich mit Tages-Anbruch die gerichtliche Anzeige nach B… senden würde, bat er um Material zu zwei Zeilen an seinen Principal. Der Versuch mit Feder und Dinte zu schreiben, mißlang seiner Schwäche. Doch mit der Bleifeder brachte er die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-01-02T10:45:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
GDZ Göttingen: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-02T10:45:31Z)
UB Leipzig: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. 38-0-637:15785; Bilder 0107 bis 0110) (2013-01-02T10:45:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-02T10:45:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/muellner_kaliber_1829
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/muellner_kaliber_1829/52
Zitationshilfe: Müllner, Adolph: Der Kaliber. Leipzig, 1829, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muellner_kaliber_1829/52>, abgerufen am 24.11.2024.