Müllner, Adolph: Der Kaliber. Leipzig, 1829.bis dahin meine Hand festgehalten. Jetzt sah sie starr vor sich hin, die allmählig nachlassende Spannung ihrer Handmuskeln ließ mich ahnen, daß auch in ihrem Gemüth der Krampf ihrer Empfindung nachzulassen anfing. Nach einer Weile erhob sie die Augen - nicht ohne Schüchternheit - zu den meinigen, und fragte wehmüthig: "Sagen Sie, lieber Herr, richtet man hier zu Lande - ent - ent - enthauptet man mit dem Beil?" Thränen rollten dem letzten Worte nach, und wahrlich auch meine Augen waren davon voll. "Nein, unglückliches Mädchen" erwiederte ich: "dazu soll es, so Gott will, nicht kommen." Diese Worte wirkten auf ihr Gemüth mit aller Macht eines freudigen Schreckens. bis dahin meine Hand festgehalten. Jetzt sah sie starr vor sich hin, die allmählig nachlassende Spannung ihrer Handmuskeln ließ mich ahnen, daß auch in ihrem Gemüth der Krampf ihrer Empfindung nachzulassen anfing. Nach einer Weile erhob sie die Augen – nicht ohne Schüchternheit – zu den meinigen, und fragte wehmüthig: „Sagen Sie, lieber Herr, richtet man hier zu Lande – ent – ent – enthauptet man mit dem Beil?“ Thränen rollten dem letzten Worte nach, und wahrlich auch meine Augen waren davon voll. „Nein, unglückliches Mädchen“ erwiederte ich: „dazu soll es, so Gott will, nicht kommen.“ Diese Worte wirkten auf ihr Gemüth mit aller Macht eines freudigen Schreckens. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0155" n="135"/> bis dahin meine Hand festgehalten. Jetzt sah sie starr vor sich hin, die allmählig nachlassende Spannung ihrer Handmuskeln ließ mich ahnen, daß auch in ihrem Gemüth der Krampf ihrer Empfindung nachzulassen anfing. Nach einer Weile erhob sie die Augen – nicht ohne Schüchternheit – zu den meinigen, und fragte wehmüthig: „Sagen Sie, lieber Herr, richtet man hier zu Lande – ent – ent – <hi rendition="#g">enthauptet</hi> man mit dem Beil?“ Thränen rollten dem letzten Worte nach, und wahrlich auch <hi rendition="#g">meine</hi> Augen waren davon voll.</p> <p>„Nein, unglückliches Mädchen“ erwiederte ich: „<hi rendition="#g">dazu</hi> soll es, so Gott will, nicht kommen.“</p> <p>Diese Worte wirkten auf ihr Gemüth mit aller Macht eines freudigen Schreckens. </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [135/0155]
bis dahin meine Hand festgehalten. Jetzt sah sie starr vor sich hin, die allmählig nachlassende Spannung ihrer Handmuskeln ließ mich ahnen, daß auch in ihrem Gemüth der Krampf ihrer Empfindung nachzulassen anfing. Nach einer Weile erhob sie die Augen – nicht ohne Schüchternheit – zu den meinigen, und fragte wehmüthig: „Sagen Sie, lieber Herr, richtet man hier zu Lande – ent – ent – enthauptet man mit dem Beil?“ Thränen rollten dem letzten Worte nach, und wahrlich auch meine Augen waren davon voll.
„Nein, unglückliches Mädchen“ erwiederte ich: „dazu soll es, so Gott will, nicht kommen.“
Diese Worte wirkten auf ihr Gemüth mit aller Macht eines freudigen Schreckens.
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Zitationshilfe: | Müllner, Adolph: Der Kaliber. Leipzig, 1829, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muellner_kaliber_1829/155>, abgerufen am 08.07.2024. |