empfängt. Kurz, der Suverän ist in der Einen Beziehung Oberlehnsherr, und in der andern wieder der Pair seiner Vasallen: die Suveräne- tät ist dahin zurückgegeben, wohin sie gehört, nehmlich an die Idee, an eine religiöse Idee; keine Sache, kein Begriff, wie der seelenlose, bloß physische Zwang, sondern ein lebendiges Gesetz, gegenseitige Unterwerfung, ordnet und bindet den Staat.
Ich habe im Verlaufe dieser Vorlesungen hinreichend erwiesen, daß der Staat nichts an- deres seyn kann, als die Garantie der vollstän- digen Freiheit durch die vollständige Freiheit, der Persönlichkeit durch die Persönlichkeit, des Lebens durch das Leben; ferner, daß eine äußere Macht, wie die präsumirte Zwangsgewalt unsrer Staaten, 1) nur bindet, anstatt zu verbin- den, 2) nur bindet, in so fern sie nicht selbst wieder durch eine höhere Zwangsgewalt bezwun- gen wird. Wie nun also auch das Lehnsrecht, wegen der anscheinenden Lücken und Incongru- enzen, die es in die Berechnung der Staats- kräfte bringt, bei unserm staatswirthschaftlichen Zeitalter verschrieen seyn mag, so ist dennoch für die Ausbildung der Idee des Gesetzes nicht leicht ein wichtigerer Schritt gethan worden, als in- dem sich dem Römischen sächlichen Subordina-
empfaͤngt. Kurz, der Suveraͤn iſt in der Einen Beziehung Oberlehnsherr, und in der andern wieder der Pair ſeiner Vaſallen: die Suveraͤne- taͤt iſt dahin zuruͤckgegeben, wohin ſie gehoͤrt, nehmlich an die Idee, an eine religioͤſe Idee; keine Sache, kein Begriff, wie der ſeelenloſe, bloß phyſiſche Zwang, ſondern ein lebendiges Geſetz, gegenſeitige Unterwerfung, ordnet und bindet den Staat.
Ich habe im Verlaufe dieſer Vorleſungen hinreichend erwieſen, daß der Staat nichts an- deres ſeyn kann, als die Garantie der vollſtaͤn- digen Freiheit durch die vollſtaͤndige Freiheit, der Perſoͤnlichkeit durch die Perſoͤnlichkeit, des Lebens durch das Leben; ferner, daß eine aͤußere Macht, wie die praͤſumirte Zwangsgewalt unſrer Staaten, 1) nur bindet, anſtatt zu verbin- den, 2) nur bindet, in ſo fern ſie nicht ſelbſt wieder durch eine hoͤhere Zwangsgewalt bezwun- gen wird. Wie nun alſo auch das Lehnsrecht, wegen der anſcheinenden Luͤcken und Incongru- enzen, die es in die Berechnung der Staats- kraͤfte bringt, bei unſerm ſtaatswirthſchaftlichen Zeitalter verſchrieen ſeyn mag, ſo iſt dennoch fuͤr die Ausbildung der Idee des Geſetzes nicht leicht ein wichtigerer Schritt gethan worden, als in- dem ſich dem Roͤmiſchen ſaͤchlichen Subordina-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0090"n="82"/>
empfaͤngt. Kurz, der Suveraͤn iſt in der Einen<lb/>
Beziehung Oberlehnsherr, und in der andern<lb/>
wieder der Pair ſeiner Vaſallen: die Suveraͤne-<lb/>
taͤt iſt dahin zuruͤckgegeben, wohin ſie gehoͤrt,<lb/>
nehmlich an die <hirendition="#g">Idee</hi>, an eine <hirendition="#g">religioͤſe</hi> Idee;<lb/>
keine Sache, kein Begriff, wie der ſeelenloſe,<lb/>
bloß phyſiſche Zwang, ſondern ein lebendiges<lb/>
Geſetz, gegenſeitige Unterwerfung, ordnet und<lb/>
bindet den Staat.</p><lb/><p>Ich habe im Verlaufe dieſer Vorleſungen<lb/>
hinreichend erwieſen, daß der Staat nichts an-<lb/>
deres ſeyn kann, als die Garantie der vollſtaͤn-<lb/>
digen Freiheit <hirendition="#g">durch</hi> die vollſtaͤndige Freiheit,<lb/>
der Perſoͤnlichkeit <hirendition="#g">durch</hi> die Perſoͤnlichkeit, des<lb/>
Lebens <hirendition="#g">durch</hi> das Leben; ferner, daß eine aͤußere<lb/>
Macht, wie die praͤſumirte Zwangsgewalt unſrer<lb/>
Staaten, 1) nur <hirendition="#g">bindet</hi>, anſtatt zu <hirendition="#g">verbin-<lb/>
den</hi>, 2) nur bindet, in ſo fern ſie nicht ſelbſt<lb/>
wieder durch eine hoͤhere Zwangsgewalt bezwun-<lb/>
gen wird. Wie nun alſo auch das Lehnsrecht,<lb/>
wegen der anſcheinenden Luͤcken und Incongru-<lb/>
enzen, die es in die Berechnung der Staats-<lb/>
kraͤfte bringt, bei unſerm ſtaatswirthſchaftlichen<lb/>
Zeitalter verſchrieen ſeyn mag, ſo iſt dennoch fuͤr<lb/>
die Ausbildung der Idee des Geſetzes nicht leicht<lb/>
ein wichtigerer Schritt gethan worden, als in-<lb/>
dem ſich dem Roͤmiſchen ſaͤchlichen Subordina-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[82/0090]
empfaͤngt. Kurz, der Suveraͤn iſt in der Einen
Beziehung Oberlehnsherr, und in der andern
wieder der Pair ſeiner Vaſallen: die Suveraͤne-
taͤt iſt dahin zuruͤckgegeben, wohin ſie gehoͤrt,
nehmlich an die Idee, an eine religioͤſe Idee;
keine Sache, kein Begriff, wie der ſeelenloſe,
bloß phyſiſche Zwang, ſondern ein lebendiges
Geſetz, gegenſeitige Unterwerfung, ordnet und
bindet den Staat.
Ich habe im Verlaufe dieſer Vorleſungen
hinreichend erwieſen, daß der Staat nichts an-
deres ſeyn kann, als die Garantie der vollſtaͤn-
digen Freiheit durch die vollſtaͤndige Freiheit,
der Perſoͤnlichkeit durch die Perſoͤnlichkeit, des
Lebens durch das Leben; ferner, daß eine aͤußere
Macht, wie die praͤſumirte Zwangsgewalt unſrer
Staaten, 1) nur bindet, anſtatt zu verbin-
den, 2) nur bindet, in ſo fern ſie nicht ſelbſt
wieder durch eine hoͤhere Zwangsgewalt bezwun-
gen wird. Wie nun alſo auch das Lehnsrecht,
wegen der anſcheinenden Luͤcken und Incongru-
enzen, die es in die Berechnung der Staats-
kraͤfte bringt, bei unſerm ſtaatswirthſchaftlichen
Zeitalter verſchrieen ſeyn mag, ſo iſt dennoch fuͤr
die Ausbildung der Idee des Geſetzes nicht leicht
ein wichtigerer Schritt gethan worden, als in-
dem ſich dem Roͤmiſchen ſaͤchlichen Subordina-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/90>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.