umgänglicher Nothwendigkeit. Deshalb müssen alle übrigen sich nach ihrer Form richten und sich an sie anschließen.
Das Geschlechtsverhältniß ist das Schema jener ersten Eigenschaft aller Rechtsverhältnisse, nehmlich der Gegenseitigkeit; das Verhält- niß der verschiedenen Lebensalter in der Familie ist das Schema jener andern Grundeigenschaft der Rechtsverhältnisse, der Subordination. -- Was also soll uns eine Gesetzgebung wie die Römische, die auf einem ganz fremdartigen Zu- stande der Dinge erbauet ist, auf einem Zustande militärischer Freiheit, wo, neben diesem Staats- zwecke, die reine und natürliche Form der Fa- milie gering geachtet werden mußte, wo, vor der in jedem Augenblicke nothwendigen Subordi- nation und äußeren Ordnung, die zarte Gegen- seitigkeit sowohl des wahren persönlichen Ver- hältnisses, als des Besitzes gering geachtet, wo das aller wahren Staatsform unentbehrliche weib- liche Element des politischen Lebens ganz über- sehen werden mußte!
Was soll uns eine Gesetzgebung, deren be- gleitende suveräne Idee, die Idee der Römischen Freiheit, schon beinahe seit zwei Jahrtausenden ausgestorben ist, und die zwar auf unsern Ver- stand, aber in keinem Stücke auf unsre Neigung
Müllers Elemente. II. [5]
umgaͤnglicher Nothwendigkeit. Deshalb muͤſſen alle uͤbrigen ſich nach ihrer Form richten und ſich an ſie anſchließen.
Das Geſchlechtsverhaͤltniß iſt das Schema jener erſten Eigenſchaft aller Rechtsverhaͤltniſſe, nehmlich der Gegenſeitigkeit; das Verhaͤlt- niß der verſchiedenen Lebensalter in der Familie iſt das Schema jener andern Grundeigenſchaft der Rechtsverhaͤltniſſe, der Subordination. — Was alſo ſoll uns eine Geſetzgebung wie die Roͤmiſche, die auf einem ganz fremdartigen Zu- ſtande der Dinge erbauet iſt, auf einem Zuſtande militaͤriſcher Freiheit, wo, neben dieſem Staats- zwecke, die reine und natuͤrliche Form der Fa- milie gering geachtet werden mußte, wo, vor der in jedem Augenblicke nothwendigen Subordi- nation und aͤußeren Ordnung, die zarte Gegen- ſeitigkeit ſowohl des wahren perſoͤnlichen Ver- haͤltniſſes, als des Beſitzes gering geachtet, wo das aller wahren Staatsform unentbehrliche weib- liche Element des politiſchen Lebens ganz uͤber- ſehen werden mußte!
Was ſoll uns eine Geſetzgebung, deren be- gleitende ſuveraͤne Idee, die Idee der Roͤmiſchen Freiheit, ſchon beinahe ſeit zwei Jahrtauſenden ausgeſtorben iſt, und die zwar auf unſern Ver- ſtand, aber in keinem Stuͤcke auf unſre Neigung
Müllers Elemente. II. [5]
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umgaͤnglicher Nothwendigkeit. Deshalb muͤſſen
alle uͤbrigen ſich nach ihrer Form richten und
ſich an ſie anſchließen.
Das Geſchlechtsverhaͤltniß iſt das Schema
jener erſten Eigenſchaft aller Rechtsverhaͤltniſſe,
nehmlich der Gegenſeitigkeit; das Verhaͤlt-
niß der verſchiedenen Lebensalter in der Familie
iſt das Schema jener andern Grundeigenſchaft
der Rechtsverhaͤltniſſe, der Subordination.
— Was alſo ſoll uns eine Geſetzgebung wie die
Roͤmiſche, die auf einem ganz fremdartigen Zu-
ſtande der Dinge erbauet iſt, auf einem Zuſtande
militaͤriſcher Freiheit, wo, neben dieſem Staats-
zwecke, die reine und natuͤrliche Form der Fa-
milie gering geachtet werden mußte, wo, vor
der in jedem Augenblicke nothwendigen Subordi-
nation und aͤußeren Ordnung, die zarte Gegen-
ſeitigkeit ſowohl des wahren perſoͤnlichen Ver-
haͤltniſſes, als des Beſitzes gering geachtet, wo
das aller wahren Staatsform unentbehrliche weib-
liche Element des politiſchen Lebens ganz uͤber-
ſehen werden mußte!
Was ſoll uns eine Geſetzgebung, deren be-
gleitende ſuveraͤne Idee, die Idee der Roͤmiſchen
Freiheit, ſchon beinahe ſeit zwei Jahrtauſenden
ausgeſtorben iſt, und die zwar auf unſern Ver-
ſtand, aber in keinem Stuͤcke auf unſre Neigung
Müllers Elemente. II. [5]
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/73>, abgerufen am 23.11.2024.
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