dürfnisses aus, setzt das Begehren und Bedür- fen der Einen Natur und zugleich das Gegenbe- gehren und Gegenbedürfen der andern; beide un- zertrennlich von einander. Die Freiheit regt sich gegen die Freiheit; und so wird das erzeugt, was wir Handlung nennen und vor den Rich- terstuhl des Rechtes ziehen: -- gegen das Be- dürfniß regt sich das Gegenbedürfniß; und so wird das erzeugt, was wir Arbeit nennen und vor das ökonomische Forum ziehen. Ein Be- dürfniß ohne Rücksicht auf das Gegenbedürfniß der Andern befriedigen, nennen wir Raub; die Freiheit absolut und ohne Rücksicht auf Ge- genfreiheit behaupten, nennen wir Verrath. --
Je lebhafter Freiheit und Gegenfreiheit einander berühren, um so mächtiger wird das Gesetz: das war der Grundgedanke meiner ganzen Rechtslehre; aus dem Kriege der Freiheit mit der Gegenfreiheit, und auf keine andre Weise, ist der Friede oder das lebendige Gesetz zu erzeu- gen. Daher hat die Natur in jeder Familie, wie ich gezeigt habe, das Schema zu der Grundun- gleichheit des ganzen Geschlechtes, oder die entge- gengesetztesten Formen der Freiheit, niedergelegt: Alter und Jugend, Mann und Weib; darum hat, nach den wahren Gesetzen der Natur, das- selbe Schema in der Familie aller Familien,
duͤrfniſſes aus, ſetzt das Begehren und Beduͤr- fen der Einen Natur und zugleich das Gegenbe- gehren und Gegenbeduͤrfen der andern; beide un- zertrennlich von einander. Die Freiheit regt ſich gegen die Freiheit; und ſo wird das erzeugt, was wir Handlung nennen und vor den Rich- terſtuhl des Rechtes ziehen: — gegen das Be- duͤrfniß regt ſich das Gegenbeduͤrfniß; und ſo wird das erzeugt, was wir Arbeit nennen und vor das oͤkonomiſche Forum ziehen. Ein Be- duͤrfniß ohne Ruͤckſicht auf das Gegenbeduͤrfniß der Andern befriedigen, nennen wir Raub; die Freiheit abſolut und ohne Ruͤckſicht auf Ge- genfreiheit behaupten, nennen wir Verrath. —
Je lebhafter Freiheit und Gegenfreiheit einander beruͤhren, um ſo maͤchtiger wird das Geſetz: das war der Grundgedanke meiner ganzen Rechtslehre; aus dem Kriege der Freiheit mit der Gegenfreiheit, und auf keine andre Weiſe, iſt der Friede oder das lebendige Geſetz zu erzeu- gen. Daher hat die Natur in jeder Familie, wie ich gezeigt habe, das Schema zu der Grundun- gleichheit des ganzen Geſchlechtes, oder die entge- gengeſetzteſten Formen der Freiheit, niedergelegt: Alter und Jugend, Mann und Weib; darum hat, nach den wahren Geſetzen der Natur, daſ- ſelbe Schema in der Familie aller Familien,
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duͤrfniſſes aus, ſetzt das Begehren und Beduͤr-
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gehren und Gegenbeduͤrfen der andern; beide un-
zertrennlich von einander. Die Freiheit regt ſich
gegen die Freiheit; und ſo wird das erzeugt,
was wir Handlung nennen und vor den Rich-
terſtuhl des Rechtes ziehen: — gegen das Be-
duͤrfniß regt ſich das Gegenbeduͤrfniß; und ſo
wird das erzeugt, was wir Arbeit nennen
und vor das oͤkonomiſche Forum ziehen. Ein Be-
duͤrfniß ohne Ruͤckſicht auf das Gegenbeduͤrfniß
der Andern befriedigen, nennen wir Raub;
die Freiheit abſolut und ohne Ruͤckſicht auf Ge-
genfreiheit behaupten, nennen wir Verrath. —
Je lebhafter Freiheit und Gegenfreiheit
einander beruͤhren, um ſo maͤchtiger wird das
Geſetz: das war der Grundgedanke meiner ganzen
Rechtslehre; aus dem Kriege der Freiheit mit
der Gegenfreiheit, und auf keine andre Weiſe,
iſt der Friede oder das lebendige Geſetz zu erzeu-
gen. Daher hat die Natur in jeder Familie, wie
ich gezeigt habe, das Schema zu der Grundun-
gleichheit des ganzen Geſchlechtes, oder die entge-
gengeſetzteſten Formen der Freiheit, niedergelegt:
Alter und Jugend, Mann und Weib; darum
hat, nach den wahren Geſetzen der Natur, daſ-
ſelbe Schema in der Familie aller Familien,
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/226>, abgerufen am 23.11.2024.
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