Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

geleitet. -- Ueberdies zeigten die blühenden Han-
delsplätze der Cananiter, oder Phönicier, wel-
cher große Gewinn sich aus jener vortheilhaften
Lage in mercantilischer Hinsicht ziehen ließ. In-
deß war dieser Zweck für eine Seele wie Moses
viel zu klein. Für Ideen, d. h. für die Ewig-
keit, wollte er sein Volk erziehen, nicht für
Begriffe, für ein Heer kleiner vergänglicher
Götzen, für Reichthum, Wohlleben und Besitz,
die in dem Sturme der Zeiten sich nicht bewäh-
ren können, weil der Geist der Freiheit, oder der
Geist Gottes, nicht in ihnen ist. Für Krieg und
Frieden zugleich war sein Volk bestimmt. --

So waren die Gesetze Mosis nicht etwa Ge-
setze des Entbehrens oder einer stoischen Enthalt-
samkeit; er erlaubte vielmehr allen Besitz und
allen Genuß, er gab die strengsten Befehle zur
Aufrechthaltung alles Eigenthums: aber den wah-
ren Geist dieses Besitzes wollte er behauptet wis-
sen; alle einzelnen Güter des Lebens sollten ge-
nossen, aber nicht an und für sich verehrt, als
Zweck des Lebens betrachtet, nicht zu Götzen ge-
macht werden. "Ich, der Herr dein Gott, der-
selbe Jehova, der dich durch die Wüste in die
Freiheit geführt hat, bin ein einziger Gott, und
dulde keine andre Götzen neben mir." -- Wir,
die wir entfernt durch Zeit und Raum von dem

geleitet. — Ueberdies zeigten die bluͤhenden Han-
delsplaͤtze der Cananiter, oder Phoͤnicier, wel-
cher große Gewinn ſich aus jener vortheilhaften
Lage in mercantiliſcher Hinſicht ziehen ließ. In-
deß war dieſer Zweck fuͤr eine Seele wie Moſes
viel zu klein. Fuͤr Ideen, d. h. fuͤr die Ewig-
keit, wollte er ſein Volk erziehen, nicht fuͤr
Begriffe, fuͤr ein Heer kleiner vergaͤnglicher
Goͤtzen, fuͤr Reichthum, Wohlleben und Beſitz,
die in dem Sturme der Zeiten ſich nicht bewaͤh-
ren koͤnnen, weil der Geiſt der Freiheit, oder der
Geiſt Gottes, nicht in ihnen iſt. Fuͤr Krieg und
Frieden zugleich war ſein Volk beſtimmt. —

So waren die Geſetze Moſis nicht etwa Ge-
ſetze des Entbehrens oder einer ſtoiſchen Enthalt-
ſamkeit; er erlaubte vielmehr allen Beſitz und
allen Genuß, er gab die ſtrengſten Befehle zur
Aufrechthaltung alles Eigenthums: aber den wah-
ren Geiſt dieſes Beſitzes wollte er behauptet wiſ-
ſen; alle einzelnen Guͤter des Lebens ſollten ge-
noſſen, aber nicht an und fuͤr ſich verehrt, als
Zweck des Lebens betrachtet, nicht zu Goͤtzen ge-
macht werden. „Ich, der Herr dein Gott, der-
ſelbe Jehova, der dich durch die Wuͤſte in die
Freiheit gefuͤhrt hat, bin ein einziger Gott, und
dulde keine andre Goͤtzen neben mir.” — Wir,
die wir entfernt durch Zeit und Raum von dem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0022" n="14"/>
geleitet. &#x2014; Ueberdies zeigten die blu&#x0364;henden Han-<lb/>
delspla&#x0364;tze der Cananiter, oder Pho&#x0364;nicier, wel-<lb/>
cher große Gewinn &#x017F;ich aus jener vortheilhaften<lb/>
Lage in mercantili&#x017F;cher Hin&#x017F;icht ziehen ließ. In-<lb/>
deß war die&#x017F;er Zweck fu&#x0364;r eine Seele wie Mo&#x017F;es<lb/>
viel zu klein. Fu&#x0364;r Ideen, d. h. fu&#x0364;r die Ewig-<lb/>
keit, wollte er &#x017F;ein Volk erziehen, nicht fu&#x0364;r<lb/>
Begriffe, fu&#x0364;r ein Heer kleiner verga&#x0364;nglicher<lb/>
Go&#x0364;tzen, fu&#x0364;r Reichthum, Wohlleben und Be&#x017F;itz,<lb/>
die in dem Sturme der Zeiten &#x017F;ich nicht bewa&#x0364;h-<lb/>
ren ko&#x0364;nnen, weil der Gei&#x017F;t der Freiheit, oder der<lb/>
Gei&#x017F;t Gottes, nicht in ihnen i&#x017F;t. Fu&#x0364;r Krieg und<lb/>
Frieden zugleich war &#x017F;ein Volk be&#x017F;timmt. &#x2014;</p><lb/>
            <p>So waren die Ge&#x017F;etze Mo&#x017F;is nicht etwa Ge-<lb/>
&#x017F;etze des Entbehrens oder einer &#x017F;toi&#x017F;chen Enthalt-<lb/>
&#x017F;amkeit; er erlaubte vielmehr allen Be&#x017F;itz und<lb/>
allen Genuß, er gab die &#x017F;treng&#x017F;ten Befehle zur<lb/>
Aufrechthaltung alles Eigenthums: aber den wah-<lb/>
ren Gei&#x017F;t die&#x017F;es Be&#x017F;itzes wollte er behauptet wi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en; alle einzelnen Gu&#x0364;ter des Lebens &#x017F;ollten ge-<lb/>
no&#x017F;&#x017F;en, aber nicht an und fu&#x0364;r &#x017F;ich verehrt, als<lb/>
Zweck des Lebens betrachtet, nicht zu Go&#x0364;tzen ge-<lb/>
macht werden. &#x201E;Ich, der Herr dein Gott, der-<lb/>
&#x017F;elbe Jehova, der dich durch die Wu&#x0364;&#x017F;te in die<lb/>
Freiheit gefu&#x0364;hrt hat, bin ein einziger Gott, und<lb/>
dulde keine andre Go&#x0364;tzen neben mir.&#x201D; &#x2014; Wir,<lb/>
die wir entfernt durch Zeit und Raum von dem<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0022] geleitet. — Ueberdies zeigten die bluͤhenden Han- delsplaͤtze der Cananiter, oder Phoͤnicier, wel- cher große Gewinn ſich aus jener vortheilhaften Lage in mercantiliſcher Hinſicht ziehen ließ. In- deß war dieſer Zweck fuͤr eine Seele wie Moſes viel zu klein. Fuͤr Ideen, d. h. fuͤr die Ewig- keit, wollte er ſein Volk erziehen, nicht fuͤr Begriffe, fuͤr ein Heer kleiner vergaͤnglicher Goͤtzen, fuͤr Reichthum, Wohlleben und Beſitz, die in dem Sturme der Zeiten ſich nicht bewaͤh- ren koͤnnen, weil der Geiſt der Freiheit, oder der Geiſt Gottes, nicht in ihnen iſt. Fuͤr Krieg und Frieden zugleich war ſein Volk beſtimmt. — So waren die Geſetze Moſis nicht etwa Ge- ſetze des Entbehrens oder einer ſtoiſchen Enthalt- ſamkeit; er erlaubte vielmehr allen Beſitz und allen Genuß, er gab die ſtrengſten Befehle zur Aufrechthaltung alles Eigenthums: aber den wah- ren Geiſt dieſes Beſitzes wollte er behauptet wiſ- ſen; alle einzelnen Guͤter des Lebens ſollten ge- noſſen, aber nicht an und fuͤr ſich verehrt, als Zweck des Lebens betrachtet, nicht zu Goͤtzen ge- macht werden. „Ich, der Herr dein Gott, der- ſelbe Jehova, der dich durch die Wuͤſte in die Freiheit gefuͤhrt hat, bin ein einziger Gott, und dulde keine andre Goͤtzen neben mir.” — Wir, die wir entfernt durch Zeit und Raum von dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/22
Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/22>, abgerufen am 24.11.2024.