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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

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Charakter und den bürgerlichen Charakter, oder
individuellen und geselligen Werth, in einem ho-
hen Grade vereinigen, so wie Getreide und Geld,
daß solche Vorräthe ein Zeichen des Reichthums
sind, haben wir oben entwickelt; aber diese Vor-
räthe scheinen nur zu sagen: "hier in unsrer
Gegend ungefähr ist der Reichthum zu finden;
wir deuten den Reichthum an, und könnten ihn
auch immer mehr hervorbringen helfen: doch wir
selbst sind der Reichthum noch nicht; denn sollte
es jemanden einfallen, uns bloß und ausschließ-
lich festzuhalten, in der Meinung, wir seyen
der Reichthum, so möchte ein solcher Geitziger,
gerade auf so lange, als er die Tyrannei über
uns ausübte, wirklich arm zu nennen seyn." --
Dieses nun wäre eine kluge Rede; denn, wenn
der Werth der Dinge gerade auf ihrem doppel-
ten Charakter, auf ihrem bürgerlichen und ihrem
Privat-Charakter, beruhet, so nimmt ihnen ja
der Geitzige ihren Werth, indem er sich ihrer
absolut bemeistern, also nur die Eine Seite ihres
Charakters, nehmlich ihren Privat-Charakter, re-
spectiren und gebrauchen will. --

Also die doppelte Eigenschaft der Sachen soll
nicht bloß respectirt, erkannt und geschätzt, son-
dern ihr gemäß sollen die Sachen auch gebraucht
werden: der Mensch soll, durch den zuerst in

Charakter und den buͤrgerlichen Charakter, oder
individuellen und geſelligen Werth, in einem ho-
hen Grade vereinigen, ſo wie Getreide und Geld,
daß ſolche Vorraͤthe ein Zeichen des Reichthums
ſind, haben wir oben entwickelt; aber dieſe Vor-
raͤthe ſcheinen nur zu ſagen: „hier in unſrer
Gegend ungefaͤhr iſt der Reichthum zu finden;
wir deuten den Reichthum an, und koͤnnten ihn
auch immer mehr hervorbringen helfen: doch wir
ſelbſt ſind der Reichthum noch nicht; denn ſollte
es jemanden einfallen, uns bloß und ausſchließ-
lich feſtzuhalten, in der Meinung, wir ſeyen
der Reichthum, ſo moͤchte ein ſolcher Geitziger,
gerade auf ſo lange, als er die Tyrannei uͤber
uns ausuͤbte, wirklich arm zu nennen ſeyn.” —
Dieſes nun waͤre eine kluge Rede; denn, wenn
der Werth der Dinge gerade auf ihrem doppel-
ten Charakter, auf ihrem buͤrgerlichen und ihrem
Privat-Charakter, beruhet, ſo nimmt ihnen ja
der Geitzige ihren Werth, indem er ſich ihrer
abſolut bemeiſtern, alſo nur die Eine Seite ihres
Charakters, nehmlich ihren Privat-Charakter, re-
ſpectiren und gebrauchen will. —

Alſo die doppelte Eigenſchaft der Sachen ſoll
nicht bloß reſpectirt, erkannt und geſchaͤtzt, ſon-
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[187/0195] Charakter und den buͤrgerlichen Charakter, oder individuellen und geſelligen Werth, in einem ho- hen Grade vereinigen, ſo wie Getreide und Geld, daß ſolche Vorraͤthe ein Zeichen des Reichthums ſind, haben wir oben entwickelt; aber dieſe Vor- raͤthe ſcheinen nur zu ſagen: „hier in unſrer Gegend ungefaͤhr iſt der Reichthum zu finden; wir deuten den Reichthum an, und koͤnnten ihn auch immer mehr hervorbringen helfen: doch wir ſelbſt ſind der Reichthum noch nicht; denn ſollte es jemanden einfallen, uns bloß und ausſchließ- lich feſtzuhalten, in der Meinung, wir ſeyen der Reichthum, ſo moͤchte ein ſolcher Geitziger, gerade auf ſo lange, als er die Tyrannei uͤber uns ausuͤbte, wirklich arm zu nennen ſeyn.” — Dieſes nun waͤre eine kluge Rede; denn, wenn der Werth der Dinge gerade auf ihrem doppel- ten Charakter, auf ihrem buͤrgerlichen und ihrem Privat-Charakter, beruhet, ſo nimmt ihnen ja der Geitzige ihren Werth, indem er ſich ihrer abſolut bemeiſtern, alſo nur die Eine Seite ihres Charakters, nehmlich ihren Privat-Charakter, re- ſpectiren und gebrauchen will. — Alſo die doppelte Eigenſchaft der Sachen ſoll nicht bloß reſpectirt, erkannt und geſchaͤtzt, ſon- dern ihr gemaͤß ſollen die Sachen auch gebraucht werden: der Menſch ſoll, durch den zuerſt in

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/195>, abgerufen am 27.11.2024.