Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

welche den ungebührlichen Vorrath von Gewür-
zen verbrannten, oder ein reicher Kornwucherer,
der, in Zeiten großer Theurung, einige Wochen
vor der neuen Ernte einen Theil seines Vor-
raths zerstört, weil er die Preise festhalten,
auch nicht durch allzu bedeutende Zufuhr aus sei-
nen Speichern Verdacht erwecken will -- wird
von Jedem, der sein Verfahren kennt, für einen
Verräther an der bürgerlichen Gesellschaft gehal-
ten, ungeachtet ihm alle Privatgesetze das unbe-
dingte Privateigenthum, also das Recht über
Leben und Tod seiner Sachen, zusprechen. Hier
zeigt es sich deutlich, daß die Gesellschaft bei den
wichtigsten Sachen die doppelte Eigenschaft
eingesteht, welche ich allen Sachen ohne Aus-
nahme zugeschrieben habe; sie betrachtet offenbar
jenes Gewürz und dieses Getreide unter einem
doppelten Gesichtspunkte: zuerst als einen Ge-
genstand des Privat-Eigenthums und als solchen
dem individuellen Eigenthümer unterworfen; und
dann zweitens, als einen Gegenstand des Na-
tional-Eigenthums, als solchen in einem freien
Verhältnisse zu der bürgerlichen Gesellschaft über-
haupt. Eben so war es, wie ich hinreichend
bewiesen habe, in der Lehnsgesetzgebung und in
der Mosaischen der Fall mit dem wichtigsten
Eigenthume, mit dem Grundeigenthume über-

welche den ungebuͤhrlichen Vorrath von Gewuͤr-
zen verbrannten, oder ein reicher Kornwucherer,
der, in Zeiten großer Theurung, einige Wochen
vor der neuen Ernte einen Theil ſeines Vor-
raths zerſtoͤrt, weil er die Preiſe feſthalten,
auch nicht durch allzu bedeutende Zufuhr aus ſei-
nen Speichern Verdacht erwecken will — wird
von Jedem, der ſein Verfahren kennt, fuͤr einen
Verraͤther an der buͤrgerlichen Geſellſchaft gehal-
ten, ungeachtet ihm alle Privatgeſetze das unbe-
dingte Privateigenthum, alſo das Recht uͤber
Leben und Tod ſeiner Sachen, zuſprechen. Hier
zeigt es ſich deutlich, daß die Geſellſchaft bei den
wichtigſten Sachen die doppelte Eigenſchaft
eingeſteht, welche ich allen Sachen ohne Aus-
nahme zugeſchrieben habe; ſie betrachtet offenbar
jenes Gewuͤrz und dieſes Getreide unter einem
doppelten Geſichtspunkte: zuerſt als einen Ge-
genſtand des Privat-Eigenthums und als ſolchen
dem individuellen Eigenthuͤmer unterworfen; und
dann zweitens, als einen Gegenſtand des Na-
tional-Eigenthums, als ſolchen in einem freien
Verhaͤltniſſe zu der buͤrgerlichen Geſellſchaft uͤber-
haupt. Eben ſo war es, wie ich hinreichend
bewieſen habe, in der Lehnsgeſetzgebung und in
der Moſaiſchen der Fall mit dem wichtigſten
Eigenthume, mit dem Grundeigenthume uͤber-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0191" n="183"/>
welche den ungebu&#x0364;hrlichen Vorrath von Gewu&#x0364;r-<lb/>
zen verbrannten, oder ein reicher Kornwucherer,<lb/>
der, in Zeiten großer Theurung, einige Wochen<lb/>
vor der neuen Ernte einen Theil &#x017F;eines Vor-<lb/>
raths zer&#x017F;to&#x0364;rt, weil er die Prei&#x017F;e fe&#x017F;thalten,<lb/>
auch nicht durch allzu bedeutende Zufuhr aus &#x017F;ei-<lb/>
nen Speichern Verdacht erwecken will &#x2014; wird<lb/>
von Jedem, der &#x017F;ein Verfahren kennt, fu&#x0364;r einen<lb/>
Verra&#x0364;ther an der bu&#x0364;rgerlichen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft gehal-<lb/>
ten, ungeachtet ihm alle Privatge&#x017F;etze das unbe-<lb/>
dingte Privateigenthum, al&#x017F;o das Recht u&#x0364;ber<lb/>
Leben und Tod &#x017F;einer Sachen, zu&#x017F;prechen. Hier<lb/>
zeigt es &#x017F;ich deutlich, daß die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft bei den<lb/><hi rendition="#g">wichtig&#x017F;ten</hi> Sachen die doppelte Eigen&#x017F;chaft<lb/>
einge&#x017F;teht, welche ich <hi rendition="#g">allen</hi> Sachen ohne Aus-<lb/>
nahme zuge&#x017F;chrieben habe; &#x017F;ie betrachtet offenbar<lb/>
jenes Gewu&#x0364;rz und die&#x017F;es Getreide unter einem<lb/>
doppelten Ge&#x017F;ichtspunkte: zuer&#x017F;t als einen Ge-<lb/>
gen&#x017F;tand des Privat-Eigenthums und als &#x017F;olchen<lb/>
dem individuellen Eigenthu&#x0364;mer unterworfen; und<lb/>
dann zweitens, als einen Gegen&#x017F;tand des Na-<lb/>
tional-Eigenthums, als &#x017F;olchen in einem freien<lb/>
Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e zu der bu&#x0364;rgerlichen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft u&#x0364;ber-<lb/>
haupt. Eben &#x017F;o war es, wie ich hinreichend<lb/>
bewie&#x017F;en habe, in der Lehnsge&#x017F;etzgebung und in<lb/>
der Mo&#x017F;ai&#x017F;chen der Fall mit dem wichtig&#x017F;ten<lb/>
Eigenthume, mit dem Grundeigenthume u&#x0364;ber-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[183/0191] welche den ungebuͤhrlichen Vorrath von Gewuͤr- zen verbrannten, oder ein reicher Kornwucherer, der, in Zeiten großer Theurung, einige Wochen vor der neuen Ernte einen Theil ſeines Vor- raths zerſtoͤrt, weil er die Preiſe feſthalten, auch nicht durch allzu bedeutende Zufuhr aus ſei- nen Speichern Verdacht erwecken will — wird von Jedem, der ſein Verfahren kennt, fuͤr einen Verraͤther an der buͤrgerlichen Geſellſchaft gehal- ten, ungeachtet ihm alle Privatgeſetze das unbe- dingte Privateigenthum, alſo das Recht uͤber Leben und Tod ſeiner Sachen, zuſprechen. Hier zeigt es ſich deutlich, daß die Geſellſchaft bei den wichtigſten Sachen die doppelte Eigenſchaft eingeſteht, welche ich allen Sachen ohne Aus- nahme zugeſchrieben habe; ſie betrachtet offenbar jenes Gewuͤrz und dieſes Getreide unter einem doppelten Geſichtspunkte: zuerſt als einen Ge- genſtand des Privat-Eigenthums und als ſolchen dem individuellen Eigenthuͤmer unterworfen; und dann zweitens, als einen Gegenſtand des Na- tional-Eigenthums, als ſolchen in einem freien Verhaͤltniſſe zu der buͤrgerlichen Geſellſchaft uͤber- haupt. Eben ſo war es, wie ich hinreichend bewieſen habe, in der Lehnsgeſetzgebung und in der Moſaiſchen der Fall mit dem wichtigſten Eigenthume, mit dem Grundeigenthume uͤber-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/191
Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/191>, abgerufen am 28.04.2024.