nahmen, einer der Größten und Gründlichsten. Denn auf welche andre und neue Ressourcen des Geistes haben sich denn wohl Die gestützt, welche in seine Fußstapfen in Europa getreten sind? -- Und über dies alles hatte Friedrich noch die Anlage einer persönlichen, menschlichen Liebenswürdigkeit, und vermochte, wenn auch nur für die Eine folgende Generation, doch we- nigstens für diese, Ahnherr, ich möchte sagen Nationalgott, zu seyn. Indeß -- wie schon er- innert, und aus der Popularität seiner Regen- ten-Laufbahn und aus den vielen Nachahmern derselben (wobei wir nur der sonderbarsten Er- scheinung, Josephs des Zweiten, gedenken wol- len) zu erkennen ist -- gehört Friedrich der Zweite vielmehr Europa, als dem Preussischen Staate insbesondre, an. Er ist die Erscheinung in der Weltgeschichte, die nach den verschwunde- nen Instituten des Mittelalters, nach dem auf- gelös'ten religiösen Verbande der Europäischen Völker, nothwendig folgen mußte.
Wenn das Leben der Gesetze entwichen, wenn keine Persönlichkeit mehr in den Staatsformen, wie in den alten Standesunterschieden, zu fin- den ist: -- dann, da das Gemeinwesen nun ein- mal nicht bloße todte Sache, oder Convolut tod- ter Sachen und Begriffe, seyn kann, sondern
nahmen, einer der Groͤßten und Gruͤndlichſten. Denn auf welche andre und neue Reſſourcen des Geiſtes haben ſich denn wohl Die geſtuͤtzt, welche in ſeine Fußſtapfen in Europa getreten ſind? — Und uͤber dies alles hatte Friedrich noch die Anlage einer perſoͤnlichen, menſchlichen Liebenswuͤrdigkeit, und vermochte, wenn auch nur fuͤr die Eine folgende Generation, doch we- nigſtens fuͤr dieſe, Ahnherr, ich moͤchte ſagen Nationalgott, zu ſeyn. Indeß — wie ſchon er- innert, und aus der Popularitaͤt ſeiner Regen- ten-Laufbahn und aus den vielen Nachahmern derſelben (wobei wir nur der ſonderbarſten Er- ſcheinung, Joſephs des Zweiten, gedenken wol- len) zu erkennen iſt — gehoͤrt Friedrich der Zweite vielmehr Europa, als dem Preuſſiſchen Staate insbeſondre, an. Er iſt die Erſcheinung in der Weltgeſchichte, die nach den verſchwunde- nen Inſtituten des Mittelalters, nach dem auf- geloͤſ’ten religioͤſen Verbande der Europaͤiſchen Voͤlker, nothwendig folgen mußte.
Wenn das Leben der Geſetze entwichen, wenn keine Perſoͤnlichkeit mehr in den Staatsformen, wie in den alten Standesunterſchieden, zu fin- den iſt: — dann, da das Gemeinweſen nun ein- mal nicht bloße todte Sache, oder Convolut tod- ter Sachen und Begriffe, ſeyn kann, ſondern
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nahmen, einer der Groͤßten und Gruͤndlichſten.
Denn auf welche andre und neue Reſſourcen
des Geiſtes haben ſich denn wohl Die geſtuͤtzt,
welche in ſeine Fußſtapfen in Europa getreten
ſind? — Und uͤber dies alles hatte Friedrich
noch die Anlage einer perſoͤnlichen, menſchlichen
Liebenswuͤrdigkeit, und vermochte, wenn auch
nur fuͤr die Eine folgende Generation, doch we-
nigſtens fuͤr dieſe, Ahnherr, ich moͤchte ſagen
Nationalgott, zu ſeyn. Indeß — wie ſchon er-
innert, und aus der Popularitaͤt ſeiner Regen-
ten-Laufbahn und aus den vielen Nachahmern
derſelben (wobei wir nur der ſonderbarſten Er-
ſcheinung, Joſephs des Zweiten, gedenken wol-
len) zu erkennen iſt — gehoͤrt Friedrich der
Zweite vielmehr Europa, als dem Preuſſiſchen
Staate insbeſondre, an. Er iſt die Erſcheinung
in der Weltgeſchichte, die nach den verſchwunde-
nen Inſtituten des Mittelalters, nach dem auf-
geloͤſ’ten religioͤſen Verbande der Europaͤiſchen
Voͤlker, nothwendig folgen mußte.
Wenn das Leben der Geſetze entwichen, wenn
keine Perſoͤnlichkeit mehr in den Staatsformen,
wie in den alten Standesunterſchieden, zu fin-
den iſt: — dann, da das Gemeinweſen nun ein-
mal nicht bloße todte Sache, oder Convolut tod-
ter Sachen und Begriffe, ſeyn kann, ſondern
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/180>, abgerufen am 22.11.2024.
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