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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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ganze mit der Scheere des Begriffes in
öffentliches und Privatleben, in Civil und Mili-
tair zerschnittene und zersplitterte bürgerliche
Wesen de facto aufgelös't? Die innere Her-
zenskraft der Unterthanen soll nun dem Staate
beispringen, alles soll der Bürger nun einem
Ganzen hinzugeben und aufzuopfern im Stande
seyn!

Aber wo oder was ist denn dieses Ganze?
-- Der Geist der Bürger? Der ist schon im
Dienste der Wissenschaften engagirt; und was ha-
ben die Wissenschaften mit dem Staat und seinen
Kriegen zu thun! Die Wissenschaften sind Ein-
für allemal neutral, sind, heißt es, Gemeingut
der Menschheit, und was dergleichen schlaffe,
sogenannte philanthropische Phrasen mehr sind.
-- Das Herz der Bürger, ihre Neigung, ihr
Gefühl? Das alles steht im Dienst einer seich-
ten, nichtswürdigen Häuslichkeit, treibt ein arm-
seliges Dilettantenwesen mit den schönen Kün-
sten und andren zur eleganten Bildung gehörigen
Dingen. -- Alles, was der Staat braucht -- denn
die stehenden Armeen und die Waffenvorräthe
sind das Wenigste --, ist, mit Bewilligung des
Staates und der Theorie, anderweitige Verbind-
lichkeiten eingegangen, -- und über ihre kostbar-
sten Kleinode kann die Republik, gerade im Augen-

ganze mit der Scheere des Begriffes in
oͤffentliches und Privatleben, in Civil und Mili-
tair zerſchnittene und zerſplitterte buͤrgerliche
Weſen de facto aufgeloͤſ’t? Die innere Her-
zenskraft der Unterthanen ſoll nun dem Staate
beiſpringen, alles ſoll der Buͤrger nun einem
Ganzen hinzugeben und aufzuopfern im Stande
ſeyn!

Aber wo oder was iſt denn dieſes Ganze?
— Der Geiſt der Buͤrger? Der iſt ſchon im
Dienſte der Wiſſenſchaften engagirt; und was ha-
ben die Wiſſenſchaften mit dem Staat und ſeinen
Kriegen zu thun! Die Wiſſenſchaften ſind Ein-
fuͤr allemal neutral, ſind, heißt es, Gemeingut
der Menſchheit, und was dergleichen ſchlaffe,
ſogenannte philanthropiſche Phraſen mehr ſind.
— Das Herz der Buͤrger, ihre Neigung, ihr
Gefuͤhl? Das alles ſteht im Dienſt einer ſeich-
ten, nichtswuͤrdigen Haͤuslichkeit, treibt ein arm-
ſeliges Dilettantenweſen mit den ſchoͤnen Kuͤn-
ſten und andren zur eleganten Bildung gehoͤrigen
Dingen. — Alles, was der Staat braucht — denn
die ſtehenden Armeen und die Waffenvorraͤthe
ſind das Wenigſte —, iſt, mit Bewilligung des
Staates und der Theorie, anderweitige Verbind-
lichkeiten eingegangen, — und uͤber ihre koſtbar-
ſten Kleinode kann die Republik, gerade im Augen-

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[45/0079] ganze mit der Scheere des Begriffes in oͤffentliches und Privatleben, in Civil und Mili- tair zerſchnittene und zerſplitterte buͤrgerliche Weſen de facto aufgeloͤſ’t? Die innere Her- zenskraft der Unterthanen ſoll nun dem Staate beiſpringen, alles ſoll der Buͤrger nun einem Ganzen hinzugeben und aufzuopfern im Stande ſeyn! Aber wo oder was iſt denn dieſes Ganze? — Der Geiſt der Buͤrger? Der iſt ſchon im Dienſte der Wiſſenſchaften engagirt; und was ha- ben die Wiſſenſchaften mit dem Staat und ſeinen Kriegen zu thun! Die Wiſſenſchaften ſind Ein- fuͤr allemal neutral, ſind, heißt es, Gemeingut der Menſchheit, und was dergleichen ſchlaffe, ſogenannte philanthropiſche Phraſen mehr ſind. — Das Herz der Buͤrger, ihre Neigung, ihr Gefuͤhl? Das alles ſteht im Dienſt einer ſeich- ten, nichtswuͤrdigen Haͤuslichkeit, treibt ein arm- ſeliges Dilettantenweſen mit den ſchoͤnen Kuͤn- ſten und andren zur eleganten Bildung gehoͤrigen Dingen. — Alles, was der Staat braucht — denn die ſtehenden Armeen und die Waffenvorraͤthe ſind das Wenigſte —, iſt, mit Bewilligung des Staates und der Theorie, anderweitige Verbind- lichkeiten eingegangen, — und uͤber ihre koſtbar- ſten Kleinode kann die Republik, gerade im Augen-

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/79>, abgerufen am 22.11.2024.