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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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wirklich die Letzten, oder könnten doch dafür haf-
ten, daß ihre Nachkommen sich alles würden
gefallen lassen, was sie beschlössen, da sie alles
schon im Voraus wüßten, was jene Zukünfti-
gen bedürfen und begehren würden? Stellen sich
solche Schriftsteller nicht außerhalb des Staa-
tes? wollen sie nicht mit eben der Weisheit, die
sie vom Rathhause heruntergebracht, nun das
Rathhaus aus seinen Grundfesten herausheben?

Endlich 3) woher kommt die durchaus fal-
sche Vorstellung in die Politik, "der Staat sey
eine nützliche Erfindung, eine bloße Anstalt des
gemeinen Besten, ein menschliches Auskunftsmit-
tel, um mancherlei Unbequemlichkeiten zu ver-
hüten, eine gegenseitige Sicherheits-Versiche-
rung, ohne die der Mensch, im Nothfalle, wenn
auch unbequemer und unbehaglicher, doch ganz
wohl leben könne? Der Staatskünstler stehe nun
außerhalb seines Staates, wie der Tischler außer-
halb des Möbels, das er verfertigt, und der
Käufer, die bedürftige Nation, komme und
wähle sich unter allen diesen politischen Mobi-
lien die zweckmäßigsten, bequemsten und modern-
sten; denn er, der Staatsmann, baue in Vor-
rath, für jeden Geschmack?" Woher sonst kommt
die allgemeine Vorliebe für den Begriff des
Staates, als daher, daß man sich den Betrach-

wirklich die Letzten, oder koͤnnten doch dafuͤr haf-
ten, daß ihre Nachkommen ſich alles wuͤrden
gefallen laſſen, was ſie beſchloͤſſen, da ſie alles
ſchon im Voraus wuͤßten, was jene Zukuͤnfti-
gen beduͤrfen und begehren wuͤrden? Stellen ſich
ſolche Schriftſteller nicht außerhalb des Staa-
tes? wollen ſie nicht mit eben der Weisheit, die
ſie vom Rathhauſe heruntergebracht, nun das
Rathhaus aus ſeinen Grundfeſten herausheben?

Endlich 3) woher kommt die durchaus fal-
ſche Vorſtellung in die Politik, „der Staat ſey
eine nuͤtzliche Erfindung, eine bloße Anſtalt des
gemeinen Beſten, ein menſchliches Auskunftsmit-
tel, um mancherlei Unbequemlichkeiten zu ver-
huͤten, eine gegenſeitige Sicherheits-Verſiche-
rung, ohne die der Menſch, im Nothfalle, wenn
auch unbequemer und unbehaglicher, doch ganz
wohl leben koͤnne? Der Staatskuͤnſtler ſtehe nun
außerhalb ſeines Staates, wie der Tiſchler außer-
halb des Moͤbels, das er verfertigt, und der
Kaͤufer, die beduͤrftige Nation, komme und
waͤhle ſich unter allen dieſen politiſchen Mobi-
lien die zweckmaͤßigſten, bequemſten und modern-
ſten; denn er, der Staatsmann, baue in Vor-
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die allgemeine Vorliebe fuͤr den Begriff des
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[37/0071] wirklich die Letzten, oder koͤnnten doch dafuͤr haf- ten, daß ihre Nachkommen ſich alles wuͤrden gefallen laſſen, was ſie beſchloͤſſen, da ſie alles ſchon im Voraus wuͤßten, was jene Zukuͤnfti- gen beduͤrfen und begehren wuͤrden? Stellen ſich ſolche Schriftſteller nicht außerhalb des Staa- tes? wollen ſie nicht mit eben der Weisheit, die ſie vom Rathhauſe heruntergebracht, nun das Rathhaus aus ſeinen Grundfeſten herausheben? Endlich 3) woher kommt die durchaus fal- ſche Vorſtellung in die Politik, „der Staat ſey eine nuͤtzliche Erfindung, eine bloße Anſtalt des gemeinen Beſten, ein menſchliches Auskunftsmit- tel, um mancherlei Unbequemlichkeiten zu ver- huͤten, eine gegenſeitige Sicherheits-Verſiche- rung, ohne die der Menſch, im Nothfalle, wenn auch unbequemer und unbehaglicher, doch ganz wohl leben koͤnne? Der Staatskuͤnſtler ſtehe nun außerhalb ſeines Staates, wie der Tiſchler außer- halb des Moͤbels, das er verfertigt, und der Kaͤufer, die beduͤrftige Nation, komme und waͤhle ſich unter allen dieſen politiſchen Mobi- lien die zweckmaͤßigſten, bequemſten und modern- ſten; denn er, der Staatsmann, baue in Vor- rath, fuͤr jeden Geſchmack?” Woher ſonſt kommt die allgemeine Vorliebe fuͤr den Begriff des Staates, als daher, daß man ſich den Betrach-

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/71>, abgerufen am 22.11.2024.