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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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den der Krieg das Innerste einer Nation, bis in
die geringfügigsten Familien-Verhältnisse hinein,
aufwühlt! Der Regierung und den Unterthanen
fällt es, wie Schuppen, von den Augen: sie
erkennen einander gegenseitig, und alles Glück,
das sie gemeinschaftlich besessen haben, wird erst
in der Gefahr zum Glück; im Sturm, in der
Bewegung fühlen sie zuerst den Werth des
Bleibenden und Dauernden; vieles ehemals Groß-
geachtete verschwindet, vieles ehemals Kleine
wird bedeutend. Kurz, das Wesentliche am Staa-
te, Das, wovon seine Existenz abhängt, kommt
am deutlichsten unter Bewegungen und Kriegen
zum Vorschein. Was die Menschen eigentlich
auf Leben und Tod verbindet, so, daß eine bür-
gerliche Gesellschaft, ein politisches Ganze, ein
Staat, aus ihnen entsteht -- diese Bande und
ihre Kraft müssen am besten erprüft und studiert
werden können, wenn viele feindselige Mächte
zusammentreten, um sie aufzulösen und zu zer-
stören. --

So ist die Zeit, in der wir leben, eine große
Schule der Staatsweisheit. Glücklich, wer ein
großes Herz in diese Schule mitbringt, sich durch
allen Schein von gänzlicher Zerrissenheit alter
Bande nicht blenden läßt, und gerade in dieser
fürchterlichsten Bewegung mit angemessener Kraft

den der Krieg das Innerſte einer Nation, bis in
die geringfuͤgigſten Familien-Verhaͤltniſſe hinein,
aufwuͤhlt! Der Regierung und den Unterthanen
faͤllt es, wie Schuppen, von den Augen: ſie
erkennen einander gegenſeitig, und alles Gluͤck,
das ſie gemeinſchaftlich beſeſſen haben, wird erſt
in der Gefahr zum Gluͤck; im Sturm, in der
Bewegung fuͤhlen ſie zuerſt den Werth des
Bleibenden und Dauernden; vieles ehemals Groß-
geachtete verſchwindet, vieles ehemals Kleine
wird bedeutend. Kurz, das Weſentliche am Staa-
te, Das, wovon ſeine Exiſtenz abhaͤngt, kommt
am deutlichſten unter Bewegungen und Kriegen
zum Vorſchein. Was die Menſchen eigentlich
auf Leben und Tod verbindet, ſo, daß eine buͤr-
gerliche Geſellſchaft, ein politiſches Ganze, ein
Staat, aus ihnen entſteht — dieſe Bande und
ihre Kraft muͤſſen am beſten erpruͤft und ſtudiert
werden koͤnnen, wenn viele feindſelige Maͤchte
zuſammentreten, um ſie aufzuloͤſen und zu zer-
ſtoͤren. —

So iſt die Zeit, in der wir leben, eine große
Schule der Staatsweisheit. Gluͤcklich, wer ein
großes Herz in dieſe Schule mitbringt, ſich durch
allen Schein von gaͤnzlicher Zerriſſenheit alter
Bande nicht blenden laͤßt, und gerade in dieſer
fuͤrchterlichſten Bewegung mit angemeſſener Kraft

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[9/0043] den der Krieg das Innerſte einer Nation, bis in die geringfuͤgigſten Familien-Verhaͤltniſſe hinein, aufwuͤhlt! Der Regierung und den Unterthanen faͤllt es, wie Schuppen, von den Augen: ſie erkennen einander gegenſeitig, und alles Gluͤck, das ſie gemeinſchaftlich beſeſſen haben, wird erſt in der Gefahr zum Gluͤck; im Sturm, in der Bewegung fuͤhlen ſie zuerſt den Werth des Bleibenden und Dauernden; vieles ehemals Groß- geachtete verſchwindet, vieles ehemals Kleine wird bedeutend. Kurz, das Weſentliche am Staa- te, Das, wovon ſeine Exiſtenz abhaͤngt, kommt am deutlichſten unter Bewegungen und Kriegen zum Vorſchein. Was die Menſchen eigentlich auf Leben und Tod verbindet, ſo, daß eine buͤr- gerliche Geſellſchaft, ein politiſches Ganze, ein Staat, aus ihnen entſteht — dieſe Bande und ihre Kraft muͤſſen am beſten erpruͤft und ſtudiert werden koͤnnen, wenn viele feindſelige Maͤchte zuſammentreten, um ſie aufzuloͤſen und zu zer- ſtoͤren. — So iſt die Zeit, in der wir leben, eine große Schule der Staatsweisheit. Gluͤcklich, wer ein großes Herz in dieſe Schule mitbringt, ſich durch allen Schein von gaͤnzlicher Zerriſſenheit alter Bande nicht blenden laͤßt, und gerade in dieſer fuͤrchterlichſten Bewegung mit angemeſſener Kraft

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/43>, abgerufen am 22.11.2024.