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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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ich: sie hat diesem Lande die Anlage zu einer
localen und vollständigen Ausbildung der Rechts-
Idee gegeben; sie hat auf einem und demselben
Boden so viele ganz entgegengesetzte Streitkräfte,
sie hat in einem kleinen Raum so viele ganz ent-
gegengesetzte Zweige der Industrie, und folglich
so viele Formen der Freiheit, versammelt, daß
ein vollständig- allseitiger Streit, also eine har-
monische, kräftige und nationale Ausbildung der
Rechts-Idee, möglich wurde. -- Irgend ein ein-
zelnes Element der Cultur oder der Industrie,
die Viehzucht in den ungeheuren Bergtriften
von Klein-Asien, die Fabriken und der Handel
von Tyrus und Sidon auf der engen, langen
Küste zwischen dem Libanon und dem mittellän-
dischen Meere, der Ackerbau, den die Natur
selbst in Aegypten lehrt -- vermag für die Aus-
bildung der Macht, oder, was dasselbe sagen
will, der Rechts-Idee und der Freiheit, nichts.
-- Keinem Eroberer vermögen diese einseitigen
Staaten zu widerstehen; denn jene organische
allseitige Macht, mit der die Pflanze den Felsen
sprengt, fehlt ihnen: in dem Gedächtnisse der
Welt, oder in der Weltgeschichte, wird ihrer
wenig gedacht. Aber die Lehren, welche Cad-
mus aus Phönicien, Thaut aus Aegypten, und
die Pelasgischen Nomaden nach Griechenland

Müllers Elemente. I. [18]

ich: ſie hat dieſem Lande die Anlage zu einer
localen und vollſtaͤndigen Ausbildung der Rechts-
Idee gegeben; ſie hat auf einem und demſelben
Boden ſo viele ganz entgegengeſetzte Streitkraͤfte,
ſie hat in einem kleinen Raum ſo viele ganz ent-
gegengeſetzte Zweige der Induſtrie, und folglich
ſo viele Formen der Freiheit, verſammelt, daß
ein vollſtaͤndig- allſeitiger Streit, alſo eine har-
moniſche, kraͤftige und nationale Ausbildung der
Rechts-Idee, moͤglich wurde. — Irgend ein ein-
zelnes Element der Cultur oder der Induſtrie,
die Viehzucht in den ungeheuren Bergtriften
von Klein-Aſien, die Fabriken und der Handel
von Tyrus und Sidon auf der engen, langen
Kuͤſte zwiſchen dem Libanon und dem mittellaͤn-
diſchen Meere, der Ackerbau, den die Natur
ſelbſt in Aegypten lehrt — vermag fuͤr die Aus-
bildung der Macht, oder, was daſſelbe ſagen
will, der Rechts-Idee und der Freiheit, nichts.
— Keinem Eroberer vermoͤgen dieſe einſeitigen
Staaten zu widerſtehen; denn jene organiſche
allſeitige Macht, mit der die Pflanze den Felſen
ſprengt, fehlt ihnen: in dem Gedaͤchtniſſe der
Welt, oder in der Weltgeſchichte, wird ihrer
wenig gedacht. Aber die Lehren, welche Cad-
mus aus Phoͤnicien, Thaut aus Aegypten, und
die Pelasgiſchen Nomaden nach Griechenland

Müllers Elemente. I. [18]
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[273/0307] ich: ſie hat dieſem Lande die Anlage zu einer localen und vollſtaͤndigen Ausbildung der Rechts- Idee gegeben; ſie hat auf einem und demſelben Boden ſo viele ganz entgegengeſetzte Streitkraͤfte, ſie hat in einem kleinen Raum ſo viele ganz ent- gegengeſetzte Zweige der Induſtrie, und folglich ſo viele Formen der Freiheit, verſammelt, daß ein vollſtaͤndig- allſeitiger Streit, alſo eine har- moniſche, kraͤftige und nationale Ausbildung der Rechts-Idee, moͤglich wurde. — Irgend ein ein- zelnes Element der Cultur oder der Induſtrie, die Viehzucht in den ungeheuren Bergtriften von Klein-Aſien, die Fabriken und der Handel von Tyrus und Sidon auf der engen, langen Kuͤſte zwiſchen dem Libanon und dem mittellaͤn- diſchen Meere, der Ackerbau, den die Natur ſelbſt in Aegypten lehrt — vermag fuͤr die Aus- bildung der Macht, oder, was daſſelbe ſagen will, der Rechts-Idee und der Freiheit, nichts. — Keinem Eroberer vermoͤgen dieſe einſeitigen Staaten zu widerſtehen; denn jene organiſche allſeitige Macht, mit der die Pflanze den Felſen ſprengt, fehlt ihnen: in dem Gedaͤchtniſſe der Welt, oder in der Weltgeſchichte, wird ihrer wenig gedacht. Aber die Lehren, welche Cad- mus aus Phoͤnicien, Thaut aus Aegypten, und die Pelasgiſchen Nomaden nach Griechenland Müllers Elemente. I. [18]

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/307>, abgerufen am 28.04.2024.