Ohnmacht der Friede unmöglich ist. Der Suve- rän wird also seine beiden Verpflichtungen, als lebendiger Repräsentant des Gesetzes, oder als Richter, die Verpflichtung zu entscheiden, und die andre zu vermitteln, in so fern erfüllen kön- nen, als die liberte generale entwickelt ist. So erscheint der Grundsatz: divide et impera, in seiner edelsten Bedeutung.
Das ist also die große Aufgabe des Staats- rechtes, in jedem Augenblicke abzusehen von der liberte de tous der freien lebendigen Män- ner, welche, nur ein kleiner Theil der allgemeinen Freiheit, schon ohnedies zu viele Vortheile für sich hat, und die liberte generale so sichtbar und anschaulich zu machen, die Freiheit der Ab- wesenden der Freiheit der Gegenwärtigen so kennt- lich und mächtig gegenüber zu stellen, als mög- lich. Dieses Problem ist in der Bildung der neue- ren Staaten von der Natur selbst, wie ich schon gezeigt habe, auf das herrlichste gelös't worden, dadurch, daß Familien-Freiheiten den Freiheiten der Einzelnen, Familien-Rechte den Rechten der Einzelnen entgegengesetzt worden sind.
Es versteht sich aber von selbst, daß die gött- liche Institution des Adels hier als erstes Mo- bil des wahren Staatsrechtes nur in so fern auf- gestellt wird, als der Adel seiner ursprünglichen
Ohnmacht der Friede unmoͤglich iſt. Der Suve- raͤn wird alſo ſeine beiden Verpflichtungen, als lebendiger Repraͤſentant des Geſetzes, oder als Richter, die Verpflichtung zu entſcheiden, und die andre zu vermitteln, in ſo fern erfuͤllen koͤn- nen, als die liberté générale entwickelt iſt. So erſcheint der Grundſatz: divide et impera, in ſeiner edelſten Bedeutung.
Das iſt alſo die große Aufgabe des Staats- rechtes, in jedem Augenblicke abzuſehen von der liberté de tous der freien lebendigen Maͤn- ner, welche, nur ein kleiner Theil der allgemeinen Freiheit, ſchon ohnedies zu viele Vortheile fuͤr ſich hat, und die liberté générale ſo ſichtbar und anſchaulich zu machen, die Freiheit der Ab- weſenden der Freiheit der Gegenwaͤrtigen ſo kennt- lich und maͤchtig gegenuͤber zu ſtellen, als moͤg- lich. Dieſes Problem iſt in der Bildung der neue- ren Staaten von der Natur ſelbſt, wie ich ſchon gezeigt habe, auf das herrlichſte geloͤſ’t worden, dadurch, daß Familien-Freiheiten den Freiheiten der Einzelnen, Familien-Rechte den Rechten der Einzelnen entgegengeſetzt worden ſind.
Es verſteht ſich aber von ſelbſt, daß die goͤtt- liche Inſtitution des Adels hier als erſtes Mo- bil des wahren Staatsrechtes nur in ſo fern auf- geſtellt wird, als der Adel ſeiner urſpruͤnglichen
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Ohnmacht der Friede unmoͤglich iſt. Der Suve-
raͤn wird alſo ſeine beiden Verpflichtungen, als
lebendiger Repraͤſentant des Geſetzes, oder als
Richter, die Verpflichtung zu entſcheiden, und
die andre zu vermitteln, in ſo fern erfuͤllen koͤn-
nen, als die liberté générale entwickelt iſt. So
erſcheint der Grundſatz: divide et impera, in
ſeiner edelſten Bedeutung.
Das iſt alſo die große Aufgabe des Staats-
rechtes, in jedem Augenblicke abzuſehen von der
liberté de tous der freien lebendigen Maͤn-
ner, welche, nur ein kleiner Theil der allgemeinen
Freiheit, ſchon ohnedies zu viele Vortheile fuͤr
ſich hat, und die liberté générale ſo ſichtbar
und anſchaulich zu machen, die Freiheit der Ab-
weſenden der Freiheit der Gegenwaͤrtigen ſo kennt-
lich und maͤchtig gegenuͤber zu ſtellen, als moͤg-
lich. Dieſes Problem iſt in der Bildung der neue-
ren Staaten von der Natur ſelbſt, wie ich ſchon
gezeigt habe, auf das herrlichſte geloͤſ’t worden,
dadurch, daß Familien-Freiheiten den Freiheiten
der Einzelnen, Familien-Rechte den Rechten der
Einzelnen entgegengeſetzt worden ſind.
Es verſteht ſich aber von ſelbſt, daß die goͤtt-
liche Inſtitution des Adels hier als erſtes Mo-
bil des wahren Staatsrechtes nur in ſo fern auf-
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/292>, abgerufen am 22.11.2024.
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