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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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hältnisse, als Verfassung, als Constitution dienen.
Wenn von solchen organischen Gesetzen und Con-
stitutionen
und ihrer Verbesserung die Rede
ist, kommt es nur darauf an, daß man sich nie
von dem medicinischen Sinne dieses Wortes ent-
ferne! Im natürlichen Gange der Dinge ent-
wickelt sich dieses Verhältniß so gut und harmo-
nisch, als es die Zeiten und die Lage der Um-
stände vergönnen; verbessern kann die Kunst,
aber umformen, oder etwas nach Verstandes-
gesetzen Erfundenes an die Stelle des im Gange
der Natur Erzeugten setzen, so wenig, als es
der Kunst des Arztes gelingen wird, bei einem
gegebenen Kranken nach allgemeinen Ansichten
von dem Wesen des gesunden, menschlichen Kör-
pers, nun eine neue Constitution, frische Säfte,
einen vollkommenen Ton der Nerven hervor-
zubringen.

Das Genie des Arztes oder des Staatsman-
nes wird sich hier nicht in seiner Erfindungs-
kraft, aber wohl in dem Divinations-Geiste of-
fenbaren, womit er in die gegebene Natur und
in die früheren, unabänderlichen Schicksale des
Körpers eingeht, den er zu curiren hat, nicht
in der Art, wie er ein allgemeines Ideal von
guter Verfassung dem kranken Körper oder dem
kranken Staate aufdringt, sondern wie er, ohne

haͤltniſſe, als Verfaſſung, als Conſtitution dienen.
Wenn von ſolchen organiſchen Geſetzen und Con-
ſtitutionen
und ihrer Verbeſſerung die Rede
iſt, kommt es nur darauf an, daß man ſich nie
von dem mediciniſchen Sinne dieſes Wortes ent-
ferne! Im natuͤrlichen Gange der Dinge ent-
wickelt ſich dieſes Verhaͤltniß ſo gut und harmo-
niſch, als es die Zeiten und die Lage der Um-
ſtaͤnde vergoͤnnen; verbeſſern kann die Kunſt,
aber umformen, oder etwas nach Verſtandes-
geſetzen Erfundenes an die Stelle des im Gange
der Natur Erzeugten ſetzen, ſo wenig, als es
der Kunſt des Arztes gelingen wird, bei einem
gegebenen Kranken nach allgemeinen Anſichten
von dem Weſen des geſunden, menſchlichen Koͤr-
pers, nun eine neue Conſtitution, friſche Saͤfte,
einen vollkommenen Ton der Nerven hervor-
zubringen.

Das Genie des Arztes oder des Staatsman-
nes wird ſich hier nicht in ſeiner Erfindungs-
kraft, aber wohl in dem Divinations-Geiſte of-
fenbaren, womit er in die gegebene Natur und
in die fruͤheren, unabaͤnderlichen Schickſale des
Koͤrpers eingeht, den er zu curiren hat, nicht
in der Art, wie er ein allgemeines Ideal von
guter Verfaſſung dem kranken Koͤrper oder dem
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[255/0289] haͤltniſſe, als Verfaſſung, als Conſtitution dienen. Wenn von ſolchen organiſchen Geſetzen und Con- ſtitutionen und ihrer Verbeſſerung die Rede iſt, kommt es nur darauf an, daß man ſich nie von dem mediciniſchen Sinne dieſes Wortes ent- ferne! Im natuͤrlichen Gange der Dinge ent- wickelt ſich dieſes Verhaͤltniß ſo gut und harmo- niſch, als es die Zeiten und die Lage der Um- ſtaͤnde vergoͤnnen; verbeſſern kann die Kunſt, aber umformen, oder etwas nach Verſtandes- geſetzen Erfundenes an die Stelle des im Gange der Natur Erzeugten ſetzen, ſo wenig, als es der Kunſt des Arztes gelingen wird, bei einem gegebenen Kranken nach allgemeinen Anſichten von dem Weſen des geſunden, menſchlichen Koͤr- pers, nun eine neue Conſtitution, friſche Saͤfte, einen vollkommenen Ton der Nerven hervor- zubringen. Das Genie des Arztes oder des Staatsman- nes wird ſich hier nicht in ſeiner Erfindungs- kraft, aber wohl in dem Divinations-Geiſte of- fenbaren, womit er in die gegebene Natur und in die fruͤheren, unabaͤnderlichen Schickſale des Koͤrpers eingeht, den er zu curiren hat, nicht in der Art, wie er ein allgemeines Ideal von guter Verfaſſung dem kranken Koͤrper oder dem kranken Staate aufdringt, ſondern wie er, ohne

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/289>, abgerufen am 10.05.2024.