handel gestellt. Das Streben dieser beiden Staa- ten war auf die ganze Welt gerichtet, aber nicht nach innen; das bei weitem größte Feld Römi- scher und Venezianischer Thätigkeit lag außer- halb des Spielraums für die republikanischen Gesetze. --
Eine in sich selbst ruhende Republik ferner, wie Athen, muß unaufhörlichen Gährungen unterworfen seyn: die Sprödigkeit des herrschen- den Gesetzes muß immer neue Reactionen in dem fortschreitenden, lebendigen Volke veranlas- sen; anstatt des regelmäßigen, des periodischen Lichtwechsels in den Monarchieen, muß hier ein unregelmäßiger, zufälliger erfolgen. Der Streit des kalten Gesetzes mit der Fülle lebendiger Na- turen mag glänzendere politische Phänomene er- zeugen; aber sie werden bald wieder erlöschen: die wechselnde National-Laune wird Einen De- magogen nach dem andern erheben; es wird sich am Ende zeigen, daß auch in Republiken das Gesetz allenthalben nach lebendiger Verkörperung strebt, und daß es jeden Augenblick einen wirk- lichen Repräsentanten des Gesetzes giebt, nur daß dieser von Stunde zu Stunde wechselt, und, wenn es auch jedes Mal der vortrefflichste, der arisos, wäre, demnach nur einzelne, unzu- sammenhangende rechtliche Momente, aber kein
handel geſtellt. Das Streben dieſer beiden Staa- ten war auf die ganze Welt gerichtet, aber nicht nach innen; das bei weitem groͤßte Feld Roͤmi- ſcher und Venezianiſcher Thaͤtigkeit lag außer- halb des Spielraums fuͤr die republikaniſchen Geſetze. —
Eine in ſich ſelbſt ruhende Republik ferner, wie Athen, muß unaufhoͤrlichen Gaͤhrungen unterworfen ſeyn: die Sproͤdigkeit des herrſchen- den Geſetzes muß immer neue Reactionen in dem fortſchreitenden, lebendigen Volke veranlaſ- ſen; anſtatt des regelmaͤßigen, des periodiſchen Lichtwechſels in den Monarchieen, muß hier ein unregelmaͤßiger, zufaͤlliger erfolgen. Der Streit des kalten Geſetzes mit der Fuͤlle lebendiger Na- turen mag glaͤnzendere politiſche Phaͤnomene er- zeugen; aber ſie werden bald wieder erloͤſchen: die wechſelnde National-Laune wird Einen De- magogen nach dem andern erheben; es wird ſich am Ende zeigen, daß auch in Republiken das Geſetz allenthalben nach lebendiger Verkoͤrperung ſtrebt, und daß es jeden Augenblick einen wirk- lichen Repraͤſentanten des Geſetzes giebt, nur daß dieſer von Stunde zu Stunde wechſelt, und, wenn es auch jedes Mal der vortrefflichſte, der ἀριςος, waͤre, demnach nur einzelne, unzu- ſammenhangende rechtliche Momente, aber kein
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handel geſtellt. Das Streben dieſer beiden Staa-
ten war auf die ganze Welt gerichtet, aber nicht
nach innen; das bei weitem groͤßte Feld Roͤmi-
ſcher und Venezianiſcher Thaͤtigkeit lag außer-
halb des Spielraums fuͤr die republikaniſchen
Geſetze. —
Eine in ſich ſelbſt ruhende Republik ferner,
wie Athen, muß unaufhoͤrlichen Gaͤhrungen
unterworfen ſeyn: die Sproͤdigkeit des herrſchen-
den Geſetzes muß immer neue Reactionen in
dem fortſchreitenden, lebendigen Volke veranlaſ-
ſen; anſtatt des regelmaͤßigen, des periodiſchen
Lichtwechſels in den Monarchieen, muß hier ein
unregelmaͤßiger, zufaͤlliger erfolgen. Der Streit
des kalten Geſetzes mit der Fuͤlle lebendiger Na-
turen mag glaͤnzendere politiſche Phaͤnomene er-
zeugen; aber ſie werden bald wieder erloͤſchen:
die wechſelnde National-Laune wird Einen De-
magogen nach dem andern erheben; es wird ſich
am Ende zeigen, daß auch in Republiken das
Geſetz allenthalben nach lebendiger Verkoͤrperung
ſtrebt, und daß es jeden Augenblick einen wirk-
lichen Repraͤſentanten des Geſetzes giebt, nur
daß dieſer von Stunde zu Stunde wechſelt,
und, wenn es auch jedes Mal der vortrefflichſte,
der ἀριςος, waͤre, demnach nur einzelne, unzu-
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/284>, abgerufen am 22.11.2024.
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