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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Dem zu Folge, muß das National-Capital
sowohl, als das National-Gesetz, d. h. die ganze
Verlassenschaft der Verstorbenen, als eine rechts-
fähige Person jeder einzelnen wirklichen Person
gegenüber, auch wenn keine zweite wirkliche Per-
son dabei concurrirte, angesehen werden; und
da jede nutzbare Sache als ein Theil des Natio-
nal-Capitals angesehen werden muß, so kann
eine absolute Scheidewand zwischen Sachen und
Personen vor dem Richter nicht weiter Statt
finden. Nach der bisherigen Ansicht der Dinge
wurden die Verhältnisse der Personen unter ein-
ander als einzige Objecte der Rechtswissen-
schaft
angesehen, hingegen die reinen und di-
recten Verhältnisse der Personen zu Sachen, da
man sich nicht verhehlen konnte, wie sehr auch
der Staat dabei interessirt sey, der Nutzens-
wissenschaft
oder der Oekonomie zugewie-
sen. --

Sollen nun Finanzlehre und Rechtslehre,
wie ich gezeigt habe, beide einander durchdringen;
soll die Rechtslehre, ob sie wirklich mit einer
Idee oder nur mit Begriffen verkehre, dadurch
zeigen, daß sie alle Finanz-Verhältnisse des Le-
bens als rechtliche und demnach die Totalität
des Rechtsstaates aufzufassen im Stande sey:
so darf die alte Grenze zwischen Personen und

Dem zu Folge, muß das National-Capital
ſowohl, als das National-Geſetz, d. h. die ganze
Verlaſſenſchaft der Verſtorbenen, als eine rechts-
faͤhige Perſon jeder einzelnen wirklichen Perſon
gegenuͤber, auch wenn keine zweite wirkliche Per-
ſon dabei concurrirte, angeſehen werden; und
da jede nutzbare Sache als ein Theil des Natio-
nal-Capitals angeſehen werden muß, ſo kann
eine abſolute Scheidewand zwiſchen Sachen und
Perſonen vor dem Richter nicht weiter Statt
finden. Nach der bisherigen Anſicht der Dinge
wurden die Verhaͤltniſſe der Perſonen unter ein-
ander als einzige Objecte der Rechtswiſſen-
ſchaft
angeſehen, hingegen die reinen und di-
recten Verhaͤltniſſe der Perſonen zu Sachen, da
man ſich nicht verhehlen konnte, wie ſehr auch
der Staat dabei intereſſirt ſey, der Nutzens-
wiſſenſchaft
oder der Oekonomie zugewie-
ſen. —

Sollen nun Finanzlehre und Rechtslehre,
wie ich gezeigt habe, beide einander durchdringen;
ſoll die Rechtslehre, ob ſie wirklich mit einer
Idee oder nur mit Begriffen verkehre, dadurch
zeigen, daß ſie alle Finanz-Verhaͤltniſſe des Le-
bens als rechtliche und demnach die Totalitaͤt
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[232/0266] Dem zu Folge, muß das National-Capital ſowohl, als das National-Geſetz, d. h. die ganze Verlaſſenſchaft der Verſtorbenen, als eine rechts- faͤhige Perſon jeder einzelnen wirklichen Perſon gegenuͤber, auch wenn keine zweite wirkliche Per- ſon dabei concurrirte, angeſehen werden; und da jede nutzbare Sache als ein Theil des Natio- nal-Capitals angeſehen werden muß, ſo kann eine abſolute Scheidewand zwiſchen Sachen und Perſonen vor dem Richter nicht weiter Statt finden. Nach der bisherigen Anſicht der Dinge wurden die Verhaͤltniſſe der Perſonen unter ein- ander als einzige Objecte der Rechtswiſſen- ſchaft angeſehen, hingegen die reinen und di- recten Verhaͤltniſſe der Perſonen zu Sachen, da man ſich nicht verhehlen konnte, wie ſehr auch der Staat dabei intereſſirt ſey, der Nutzens- wiſſenſchaft oder der Oekonomie zugewie- ſen. — Sollen nun Finanzlehre und Rechtslehre, wie ich gezeigt habe, beide einander durchdringen; ſoll die Rechtslehre, ob ſie wirklich mit einer Idee oder nur mit Begriffen verkehre, dadurch zeigen, daß ſie alle Finanz-Verhaͤltniſſe des Le- bens als rechtliche und demnach die Totalitaͤt des Rechtsſtaates aufzufaſſen im Stande ſey: ſo darf die alte Grenze zwiſchen Perſonen und

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/266>, abgerufen am 22.11.2024.