Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

Generation; den meint sie, wenn sie in allen
ihren unendlichen Leiden, mit dumpfer, unbe-
stimmter, und doch ahndungsvoller Sehnsucht,
den Frieden herbeiruft. -- Diesen Verband,
das Eine was noth ist, soll ich zeigen, deutlich,
in weltlichen Argumenten, damit der Verstand
durch den Verstand überzeugt und überwunden
werde; ich soll zeigen, daß alle künstlichen For-
men und Institute des Staates, sobald jener
Verband, jener lebendige Zusammenhang, jene
Bewegung sie durchdringe, vortrefflich bestehen
können, so wie sie sind; daß sie indeß, ohne diese
Bewegung, welche sie einst durch eine allgegen-
wärtige Religion erhielten, nichts sind, als starre
Uhrwerke, bestimmt den Gang der Zeit und die
Vergänglichkeit aller irdischen Dinge einförmig
anzuzeigen; nicht Tummelplätze eines freien und
üppigen Lebens, nicht Wohnsitze der Gerechtig-
keit oder des Reichthums. Wie kann ich also
eine abgesonderte Form der Justiz dulden, die
an dem National-Leben nicht Theil nimmt, die,
unbekümmert um die Schicksale des Staates, um
dessentwillen sie da ist, durch allen Wechsel
und Wandel, auf sich selbst gerichtet, fortschrei-
tet, die sich spitzt, und schärft, und schleift und
bildet auf ihre eigne Hand!

Nein! kein Privatverhältniß des Lebens, also

Generation; den meint ſie, wenn ſie in allen
ihren unendlichen Leiden, mit dumpfer, unbe-
ſtimmter, und doch ahndungsvoller Sehnſucht,
den Frieden herbeiruft. — Dieſen Verband,
das Eine was noth iſt, ſoll ich zeigen, deutlich,
in weltlichen Argumenten, damit der Verſtand
durch den Verſtand uͤberzeugt und uͤberwunden
werde; ich ſoll zeigen, daß alle kuͤnſtlichen For-
men und Inſtitute des Staates, ſobald jener
Verband, jener lebendige Zuſammenhang, jene
Bewegung ſie durchdringe, vortrefflich beſtehen
koͤnnen, ſo wie ſie ſind; daß ſie indeß, ohne dieſe
Bewegung, welche ſie einſt durch eine allgegen-
waͤrtige Religion erhielten, nichts ſind, als ſtarre
Uhrwerke, beſtimmt den Gang der Zeit und die
Vergaͤnglichkeit aller irdiſchen Dinge einfoͤrmig
anzuzeigen; nicht Tummelplaͤtze eines freien und
uͤppigen Lebens, nicht Wohnſitze der Gerechtig-
keit oder des Reichthums. Wie kann ich alſo
eine abgeſonderte Form der Juſtiz dulden, die
an dem National-Leben nicht Theil nimmt, die,
unbekuͤmmert um die Schickſale des Staates, um
deſſentwillen ſie da iſt, durch allen Wechſel
und Wandel, auf ſich ſelbſt gerichtet, fortſchrei-
tet, die ſich ſpitzt, und ſchaͤrft, und ſchleift und
bildet auf ihre eigne Hand!

Nein! kein Privatverhaͤltniß des Lebens, alſo

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0233" n="199"/>
Generation; <hi rendition="#g">den</hi> meint &#x017F;ie, wenn &#x017F;ie in allen<lb/>
ihren unendlichen Leiden, mit dumpfer, unbe-<lb/>
&#x017F;timmter, und doch ahndungsvoller Sehn&#x017F;ucht,<lb/>
den <hi rendition="#g">Frieden</hi> herbeiruft. &#x2014; Die&#x017F;en Verband,<lb/>
das Eine was noth i&#x017F;t, &#x017F;oll ich zeigen, deutlich,<lb/>
in weltlichen Argumenten, damit der Ver&#x017F;tand<lb/>
durch den Ver&#x017F;tand u&#x0364;berzeugt und u&#x0364;berwunden<lb/>
werde; ich &#x017F;oll zeigen, daß alle ku&#x0364;n&#x017F;tlichen For-<lb/>
men und In&#x017F;titute des Staates, &#x017F;obald jener<lb/>
Verband, jener lebendige Zu&#x017F;ammenhang, jene<lb/>
Bewegung &#x017F;ie durchdringe, vortrefflich be&#x017F;tehen<lb/>
ko&#x0364;nnen, &#x017F;o wie &#x017F;ie &#x017F;ind; daß &#x017F;ie indeß, ohne die&#x017F;e<lb/>
Bewegung, welche &#x017F;ie ein&#x017F;t durch eine allgegen-<lb/>
wa&#x0364;rtige Religion erhielten, nichts &#x017F;ind, als &#x017F;tarre<lb/>
Uhrwerke, be&#x017F;timmt den Gang der Zeit und die<lb/>
Verga&#x0364;nglichkeit aller irdi&#x017F;chen Dinge einfo&#x0364;rmig<lb/>
anzuzeigen; nicht Tummelpla&#x0364;tze eines freien und<lb/>
u&#x0364;ppigen Lebens, nicht Wohn&#x017F;itze der Gerechtig-<lb/>
keit oder des Reichthums. Wie kann ich al&#x017F;o<lb/>
eine abge&#x017F;onderte Form der Ju&#x017F;tiz dulden, die<lb/>
an dem National-Leben nicht Theil nimmt, die,<lb/>
unbeku&#x0364;mmert um die Schick&#x017F;ale des Staates, um<lb/>
de&#x017F;&#x017F;entwillen &#x017F;ie da i&#x017F;t, durch allen Wech&#x017F;el<lb/>
und Wandel, auf &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t gerichtet, fort&#x017F;chrei-<lb/>
tet, die &#x017F;ich &#x017F;pitzt, und &#x017F;cha&#x0364;rft, und &#x017F;chleift und<lb/>
bildet auf ihre eigne Hand!</p><lb/>
            <p>Nein! kein Privatverha&#x0364;ltniß des Lebens, al&#x017F;o<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[199/0233] Generation; den meint ſie, wenn ſie in allen ihren unendlichen Leiden, mit dumpfer, unbe- ſtimmter, und doch ahndungsvoller Sehnſucht, den Frieden herbeiruft. — Dieſen Verband, das Eine was noth iſt, ſoll ich zeigen, deutlich, in weltlichen Argumenten, damit der Verſtand durch den Verſtand uͤberzeugt und uͤberwunden werde; ich ſoll zeigen, daß alle kuͤnſtlichen For- men und Inſtitute des Staates, ſobald jener Verband, jener lebendige Zuſammenhang, jene Bewegung ſie durchdringe, vortrefflich beſtehen koͤnnen, ſo wie ſie ſind; daß ſie indeß, ohne dieſe Bewegung, welche ſie einſt durch eine allgegen- waͤrtige Religion erhielten, nichts ſind, als ſtarre Uhrwerke, beſtimmt den Gang der Zeit und die Vergaͤnglichkeit aller irdiſchen Dinge einfoͤrmig anzuzeigen; nicht Tummelplaͤtze eines freien und uͤppigen Lebens, nicht Wohnſitze der Gerechtig- keit oder des Reichthums. Wie kann ich alſo eine abgeſonderte Form der Juſtiz dulden, die an dem National-Leben nicht Theil nimmt, die, unbekuͤmmert um die Schickſale des Staates, um deſſentwillen ſie da iſt, durch allen Wechſel und Wandel, auf ſich ſelbſt gerichtet, fortſchrei- tet, die ſich ſpitzt, und ſchaͤrft, und ſchleift und bildet auf ihre eigne Hand! Nein! kein Privatverhaͤltniß des Lebens, alſo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/233
Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/233>, abgerufen am 25.11.2024.