Müller-Freienfels, Richard: Poetik. Leipzig u. a., 1914.pmu_012.001 8. Blicken wir von hier aus zurück, so ergibt sich etwa folgendes: Die pmu_012.007 Literatur. pmu_012.035Zur allgemeinen Grundlegung: H. Spencer: Principles of Psychology pmu_012.036 pmu_012.001 8. Blicken wir von hier aus zurück, so ergibt sich etwa folgendes: Die pmu_012.007 Literatur. pmu_012.035Zur allgemeinen Grundlegung: H. Spencer: Principles of Psychology pmu_012.036 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0022" n="12"/><lb n="pmu_012.001"/> das ästhetisch verdrießt. Man wird daher sagen können: eine Tendenz <lb n="pmu_012.002"/> an sich ist kein Schade für ein Werk, wenn sie nur so hoch und groß ist, <lb n="pmu_012.003"/> daß sie zum allgemein-menschlichen Erlebnis werden kann, und wenn sie <lb n="pmu_012.004"/> nicht die rein ästhetischen Werte der Dichtung beeinträchtigt, indem sie <lb n="pmu_012.005"/> das Werk zu einem unwahren Zerrbild macht.</p> <lb n="pmu_012.006"/> </div> <div n="3"> <p> 8. Blicken wir von hier aus zurück, so ergibt sich etwa folgendes: Die <lb n="pmu_012.007"/> Dichtung hat ihren Wert darin, daß sie uns vor allem ästhetische Erlebnisse <lb n="pmu_012.008"/> vermittelt, d. h. solche, die ihren Wert in ihrem Erlebtwerden, nicht <lb n="pmu_012.009"/> einem zu erreichenden Zwecke haben. So stellt sie sich als eine Ergänzung <lb n="pmu_012.010"/> und Bereicherung unsres gewöhnlichen Daseins dar. Was nun die Art <lb n="pmu_012.011"/> dieser Bereicherung anlangte, so fanden wir, daß sie auf ganz verschiedene <lb n="pmu_012.012"/> Weise gesucht wurde. Der Naturalismus suchte sie in einer bloßen Vermehrung <lb n="pmu_012.013"/> des gewöhnlichen Lebens, die Romantik in einer Flucht aus dem <lb n="pmu_012.014"/> gewöhnlichen Leben, die jedoch immer auf gleicher Basis blieb. Daneben <lb n="pmu_012.015"/> steht die idealisierende Dichtung, die auf eine Steigerung des Lebens ausgeht, <lb n="pmu_012.016"/> indem sie den Rohstoff von innen her umgestaltet. Diese Jdealisierung <lb n="pmu_012.017"/> ist nach ihrer objektiven Seite hin ein Herausarbeiten des Wesentlichen <lb n="pmu_012.018"/> und Typischen der gegebenen Jnhalte, nach ihrer subjektiven Seite <lb n="pmu_012.019"/> ein Durchdringen dieser Jnhalte mit der Macht einer starken Persönlichkeit, <lb n="pmu_012.020"/> so daß einerseits die Wahrheit der Darstellung gewahrt blieb, diese <lb n="pmu_012.021"/> aber anderseits getragen war durch eine starke, suggestiv wirkende Subjektivität. <lb n="pmu_012.022"/> Wir erkannten, daß diese idealisierende Kunst zu allen Zeiten <lb n="pmu_012.023"/> die höchsten Wirkungen hervorgebracht, und daß wir daher in der idealisierenden <lb n="pmu_012.024"/> Formgebung das eigentliche Wesen der Poesie sehen müssen. <lb n="pmu_012.025"/> Wir bestreiten daneben weder dem Naturalismus noch der Romantik das <lb n="pmu_012.026"/> Daseinsrecht, zumal sie, bei aller entgegengerichteten Absicht, doch ebenfalls <lb n="pmu_012.027"/> unbewußte und unklare Jdealisierungen zu liefern pflegen. — Überall <lb n="pmu_012.028"/> aber berührt sich die Dichtung mit andern höchsten Jnteressen der <lb n="pmu_012.029"/> Menschheit und, wenn sie auch die Möglichkeit gibt, rein ästhetisch genossen <lb n="pmu_012.030"/> zu werden, so ist das doch nie im Sinne völliger Jsolation von <lb n="pmu_012.031"/> allem Nichtästhetischen aufzufassen. Nur wenn die nichtästhetischen Jnhalte <lb n="pmu_012.032"/> die rein ästhetische Wirkung beeinträchtigen, muß man das im Jnteresse <lb n="pmu_012.033"/> der Kunst verurteilen.</p> <lb n="pmu_012.034"/> <p> <hi rendition="#c">Literatur.</hi> </p> <lb n="pmu_012.035"/> <p><hi rendition="#g">Zur allgemeinen Grundlegung:</hi> H. <hi rendition="#g">Spencer</hi>: <hi rendition="#aq">Principles of Psychology</hi> <lb n="pmu_012.036"/> Bd. <hi rendition="#aq">II</hi>. K. <hi rendition="#g">Groos:</hi> Die Spiele der Tiere 1897. <hi rendition="#g">Ders.:</hi> Spiele <lb n="pmu_012.037"/> der Menschen 1899. <hi rendition="#g">Utitz:</hi> Funktionsfreuden im ästhetischen Verhalten <lb n="pmu_012.038"/> 1911. <hi rendition="#g">Ders.:</hi> Zschr. für Ästhetik <hi rendition="#aq">VII</hi>, 4. </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [12/0022]
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das ästhetisch verdrießt. Man wird daher sagen können: eine Tendenz pmu_012.002
an sich ist kein Schade für ein Werk, wenn sie nur so hoch und groß ist, pmu_012.003
daß sie zum allgemein-menschlichen Erlebnis werden kann, und wenn sie pmu_012.004
nicht die rein ästhetischen Werte der Dichtung beeinträchtigt, indem sie pmu_012.005
das Werk zu einem unwahren Zerrbild macht.
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8. Blicken wir von hier aus zurück, so ergibt sich etwa folgendes: Die pmu_012.007
Dichtung hat ihren Wert darin, daß sie uns vor allem ästhetische Erlebnisse pmu_012.008
vermittelt, d. h. solche, die ihren Wert in ihrem Erlebtwerden, nicht pmu_012.009
einem zu erreichenden Zwecke haben. So stellt sie sich als eine Ergänzung pmu_012.010
und Bereicherung unsres gewöhnlichen Daseins dar. Was nun die Art pmu_012.011
dieser Bereicherung anlangte, so fanden wir, daß sie auf ganz verschiedene pmu_012.012
Weise gesucht wurde. Der Naturalismus suchte sie in einer bloßen Vermehrung pmu_012.013
des gewöhnlichen Lebens, die Romantik in einer Flucht aus dem pmu_012.014
gewöhnlichen Leben, die jedoch immer auf gleicher Basis blieb. Daneben pmu_012.015
steht die idealisierende Dichtung, die auf eine Steigerung des Lebens ausgeht, pmu_012.016
indem sie den Rohstoff von innen her umgestaltet. Diese Jdealisierung pmu_012.017
ist nach ihrer objektiven Seite hin ein Herausarbeiten des Wesentlichen pmu_012.018
und Typischen der gegebenen Jnhalte, nach ihrer subjektiven Seite pmu_012.019
ein Durchdringen dieser Jnhalte mit der Macht einer starken Persönlichkeit, pmu_012.020
so daß einerseits die Wahrheit der Darstellung gewahrt blieb, diese pmu_012.021
aber anderseits getragen war durch eine starke, suggestiv wirkende Subjektivität. pmu_012.022
Wir erkannten, daß diese idealisierende Kunst zu allen Zeiten pmu_012.023
die höchsten Wirkungen hervorgebracht, und daß wir daher in der idealisierenden pmu_012.024
Formgebung das eigentliche Wesen der Poesie sehen müssen. pmu_012.025
Wir bestreiten daneben weder dem Naturalismus noch der Romantik das pmu_012.026
Daseinsrecht, zumal sie, bei aller entgegengerichteten Absicht, doch ebenfalls pmu_012.027
unbewußte und unklare Jdealisierungen zu liefern pflegen. — Überall pmu_012.028
aber berührt sich die Dichtung mit andern höchsten Jnteressen der pmu_012.029
Menschheit und, wenn sie auch die Möglichkeit gibt, rein ästhetisch genossen pmu_012.030
zu werden, so ist das doch nie im Sinne völliger Jsolation von pmu_012.031
allem Nichtästhetischen aufzufassen. Nur wenn die nichtästhetischen Jnhalte pmu_012.032
die rein ästhetische Wirkung beeinträchtigen, muß man das im Jnteresse pmu_012.033
der Kunst verurteilen.
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Literatur.
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Zur allgemeinen Grundlegung: H. Spencer: Principles of Psychology pmu_012.036
Bd. II. K. Groos: Die Spiele der Tiere 1897. Ders.: Spiele pmu_012.037
der Menschen 1899. Utitz: Funktionsfreuden im ästhetischen Verhalten pmu_012.038
1911. Ders.: Zschr. für Ästhetik VII, 4.
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