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Müller, Johann Bernhard: Leben und Gewohnheiten Der Ostiacken. Berlin, 1726.

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ein weisser Schwan im Feuer/ worinnen das
Abendtheuer verbrandt wurde, sich hätte se-
hen lassen/ selbiger wäre mit der Flamme im
Rauch in die Lufft geflogen/ und dis wäre
der Geist/ den sie und ihre Vorfahren in dem
ungeschickten Klotze verehret hätten. Weiln
aber von dem Gefolge des Metropoliten kei-
ner das geringste davon remarquiret/ und wie
die Sache weiter nachgefraget wurde, auch
die Uhrheber dieser Fabel kaum wolten zu er-
kennen geben, so wurde der leere Wahn de-
nen einfältigen Leuten desto eher benommen,
je kürtzer Füsse die Lügen zu haben pfleget.

§. 13. Doch war dis Feuer so bald nicht
gestillet, als die weiter abgelegene sich fester
vornahmen, ihre liebe Götzen vor so schlech-
ten Preiß nicht von sich zu lassen, sondern mit
gesamter Hand abzuwehren/ daß dem heili-
gen Alterthum keine Gewalt geschähe/ und
hierzu wurden sie veranlasset durch einige
Pfaffen aus ihrem Mittel/ welche bey ihrem
Wahrsagen vom Scheitan die Vertröstung
erhielten, daß sie sich nur freymüthig zur Ge-
genwehr stellen möchten/ auch spargirten sie/
es hätte der Scheitan selbst vor acht Tagen,
vor des Metropoliten Ankunfft aus dem Klo-
tze geredet/ und sie ermahnet/ daß sie sich
nicht ergeben, sondern fest an ihm sich halten
solten/ er selbst wolle sich wohl defendiren/

und

ein weiſſer Schwan im Feuer/ worinnen das
Abendtheuer verbrandt wurde, ſich haͤtte ſe-
hen laſſen/ ſelbiger waͤre mit der Flamme im
Rauch in die Lufft geflogen/ und dis waͤre
der Geiſt/ den ſie und ihre Vorfahren in dem
ungeſchickten Klotze verehret haͤtten. Weiln
aber von dem Gefolge des Metropoliten kei-
ner das geringſte davon remarquiret/ und wie
die Sache weiter nachgefraget wurde, auch
die Uhrheber dieſer Fabel kaum wolten zu er-
kennen geben, ſo wurde der leere Wahn de-
nen einfaͤltigen Leuten deſto eher benommen,
je kuͤrtzer Fuͤſſe die Luͤgen zu haben pfleget.

§. 13. Doch war dis Feuer ſo bald nicht
geſtillet, als die weiter abgelegene ſich feſter
vornahmen, ihre liebe Goͤtzen vor ſo ſchlech-
ten Preiß nicht von ſich zu laſſen, ſondern mit
geſamter Hand abzuwehren/ daß dem heili-
gen Alterthum keine Gewalt geſchaͤhe/ und
hierzu wurden ſie veranlaſſet durch einige
Pfaffen aus ihrem Mittel/ welche bey ihrem
Wahrſagen vom Scheitan die Vertroͤſtung
erhielten, daß ſie ſich nur freymuͤthig zur Ge-
genwehr ſtellen moͤchten/ auch ſpargirten ſie/
es haͤtte der Scheitan ſelbſt vor acht Tagen,
vor des Metropoliten Ankunfft aus dem Klo-
tze geredet/ und ſie ermahnet/ daß ſie ſich
nicht ergeben, ſondern feſt an ihm ſich halten
ſolten/ er ſelbſt wolle ſich wohl defendiren/

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[72/0088] ein weiſſer Schwan im Feuer/ worinnen das Abendtheuer verbrandt wurde, ſich haͤtte ſe- hen laſſen/ ſelbiger waͤre mit der Flamme im Rauch in die Lufft geflogen/ und dis waͤre der Geiſt/ den ſie und ihre Vorfahren in dem ungeſchickten Klotze verehret haͤtten. Weiln aber von dem Gefolge des Metropoliten kei- ner das geringſte davon remarquiret/ und wie die Sache weiter nachgefraget wurde, auch die Uhrheber dieſer Fabel kaum wolten zu er- kennen geben, ſo wurde der leere Wahn de- nen einfaͤltigen Leuten deſto eher benommen, je kuͤrtzer Fuͤſſe die Luͤgen zu haben pfleget. §. 13. Doch war dis Feuer ſo bald nicht geſtillet, als die weiter abgelegene ſich feſter vornahmen, ihre liebe Goͤtzen vor ſo ſchlech- ten Preiß nicht von ſich zu laſſen, ſondern mit geſamter Hand abzuwehren/ daß dem heili- gen Alterthum keine Gewalt geſchaͤhe/ und hierzu wurden ſie veranlaſſet durch einige Pfaffen aus ihrem Mittel/ welche bey ihrem Wahrſagen vom Scheitan die Vertroͤſtung erhielten, daß ſie ſich nur freymuͤthig zur Ge- genwehr ſtellen moͤchten/ auch ſpargirten ſie/ es haͤtte der Scheitan ſelbſt vor acht Tagen, vor des Metropoliten Ankunfft aus dem Klo- tze geredet/ und ſie ermahnet/ daß ſie ſich nicht ergeben, ſondern feſt an ihm ſich halten ſolten/ er ſelbſt wolle ſich wohl defendiren/ und

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Zitationshilfe: Müller, Johann Bernhard: Leben und Gewohnheiten Der Ostiacken. Berlin, 1726, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_ostiacken_1726/88>, abgerufen am 18.05.2024.