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Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830.

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Systematischer Theil.

5. S. Bartoli Lucernae ii, 9. (wo die Capitol. Götter als
Beherrscher des Universums gefaßt sind). Passeri Luc. i, 29.
Gemmen bei Tassie Cat. i. p. 83. Das Relief Bouill. iii, 62.
zeigt ein Opfer vor dem Capitolinischen Tempel, nach seiner spätern
Korinthischen Architektur.

Vgl. sonst: Pallas, Dionysos, Ganymed.


2. Hera.

1353. Hera war in mehrern Heiligthümern Griechen-
lands, welche indeß alle von Argos abzustammen schei-
nen, das dem Zeus entsprechende weibliche Wesen, die
2Frau des Himmelsgottes. Die Ehe mit ihm, welche
die Quelle des Naturseegens ist, macht ihr Wesen aus;
in Bezug auf diese wird Hera in den Sagen auf ver-
schiednen Stufen als Jungfrau, Braut, Eheweib, auch
vom Gemahl getrennt und ihm widerstrebend gefaßt; die
3Göttin selbst wird dadurch zur Ehegöttin. Als ächte
Ehefrau (kouridie alokhos) im Gegensatze der Concubi-
nen, zugleich als mächtige Götterfürstin, erhielt sie bei
den alten Dichtern einen stolzen und herben Charakter;
den indeß die bildende Kunst, welche die schrofferen Züge
der alterthümlichen Poesie nicht aufnehmen durfte, nur
in so weit festhält, als es sich mit der edelsten Vorstel-
4lung der Zeusgemahlin vertrug. Seit alten Zeiten
war der Schleier, den die dem Manne verlobte Jung-
frau (numpheuomene) zum Zeichen ihrer Trennung von
dem übrigen Leben umnimmt, das Hauptattribut der
Hera; in alten Holzbildern verhüllte er die ganze Ge-
stalt; auch Phidias charakterisirt die Hera (am Fries des
Parthenon) durch das Zurückschlagen des Schleiers (die
5bräutlichen anakalupteria). Dazu kömmt die
in alten Idolen mehr kreisförmige, dann an den Seiten
tiefer abgeschnittne Scheibe, jene nennt man Polos,
diese Stephane; die Colossalstatue des Polykleitos
(§. 120, 2.) hatte dafür eine Art von Krone, Ste-

Syſtematiſcher Theil.

5. S. Bartoli Lucernae ii, 9. (wo die Capitol. Götter als
Beherrſcher des Univerſums gefaßt ſind). Paſſeri Luc. i, 29.
Gemmen bei Taſſie Cat. i. p. 83. Das Relief Bouill. iii, 62.
zeigt ein Opfer vor dem Capitoliniſchen Tempel, nach ſeiner ſpätern
Korinthiſchen Architektur.

Vgl. ſonſt: Pallas, Dionyſos, Ganymed.


2. Hera.

1353. Hera war in mehrern Heiligthuͤmern Griechen-
lands, welche indeß alle von Argos abzuſtammen ſchei-
nen, das dem Zeus entſprechende weibliche Weſen, die
2Frau des Himmelsgottes. Die Ehe mit ihm, welche
die Quelle des Naturſeegens iſt, macht ihr Weſen aus;
in Bezug auf dieſe wird Hera in den Sagen auf ver-
ſchiednen Stufen als Jungfrau, Braut, Eheweib, auch
vom Gemahl getrennt und ihm widerſtrebend gefaßt; die
3Goͤttin ſelbſt wird dadurch zur Ehegoͤttin. Als aͤchte
Ehefrau (κουριδίη ἄλοχος) im Gegenſatze der Concubi-
nen, zugleich als maͤchtige Goͤtterfuͤrſtin, erhielt ſie bei
den alten Dichtern einen ſtolzen und herben Charakter;
den indeß die bildende Kunſt, welche die ſchrofferen Zuͤge
der alterthuͤmlichen Poeſie nicht aufnehmen durfte, nur
in ſo weit feſthaͤlt, als es ſich mit der edelſten Vorſtel-
4lung der Zeusgemahlin vertrug. Seit alten Zeiten
war der Schleier, den die dem Manne verlobte Jung-
frau (νυμφευομένη) zum Zeichen ihrer Trennung von
dem uͤbrigen Leben umnimmt, das Hauptattribut der
Hera; in alten Holzbildern verhuͤllte er die ganze Ge-
ſtalt; auch Phidias charakteriſirt die Hera (am Fries des
Parthenon) durch das Zuruͤckſchlagen des Schleiers (die
5braͤutlichen ἀνακαλυπτήρια). Dazu koͤmmt die
in alten Idolen mehr kreisfoͤrmige, dann an den Seiten
tiefer abgeſchnittne Scheibe, jene nennt man Polos,
dieſe Stephane; die Coloſſalſtatue des Polykleitos
(§. 120, 2.) hatte dafuͤr eine Art von Krone, Ste-

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[448/0470] Syſtematiſcher Theil. 5. S. Bartoli Lucernae ii, 9. (wo die Capitol. Götter als Beherrſcher des Univerſums gefaßt ſind). Paſſeri Luc. i, 29. Gemmen bei Taſſie Cat. i. p. 83. Das Relief Bouill. iii, 62. zeigt ein Opfer vor dem Capitoliniſchen Tempel, nach ſeiner ſpätern Korinthiſchen Architektur. Vgl. ſonſt: Pallas, Dionyſos, Ganymed. 2. Hera. 353. Hera war in mehrern Heiligthuͤmern Griechen- lands, welche indeß alle von Argos abzuſtammen ſchei- nen, das dem Zeus entſprechende weibliche Weſen, die Frau des Himmelsgottes. Die Ehe mit ihm, welche die Quelle des Naturſeegens iſt, macht ihr Weſen aus; in Bezug auf dieſe wird Hera in den Sagen auf ver- ſchiednen Stufen als Jungfrau, Braut, Eheweib, auch vom Gemahl getrennt und ihm widerſtrebend gefaßt; die Goͤttin ſelbſt wird dadurch zur Ehegoͤttin. Als aͤchte Ehefrau (κουριδίη ἄλοχος) im Gegenſatze der Concubi- nen, zugleich als maͤchtige Goͤtterfuͤrſtin, erhielt ſie bei den alten Dichtern einen ſtolzen und herben Charakter; den indeß die bildende Kunſt, welche die ſchrofferen Zuͤge der alterthuͤmlichen Poeſie nicht aufnehmen durfte, nur in ſo weit feſthaͤlt, als es ſich mit der edelſten Vorſtel- lung der Zeusgemahlin vertrug. Seit alten Zeiten war der Schleier, den die dem Manne verlobte Jung- frau (νυμφευομένη) zum Zeichen ihrer Trennung von dem uͤbrigen Leben umnimmt, das Hauptattribut der Hera; in alten Holzbildern verhuͤllte er die ganze Ge- ſtalt; auch Phidias charakteriſirt die Hera (am Fries des Parthenon) durch das Zuruͤckſchlagen des Schleiers (die braͤutlichen ἀνακαλυπτήρια). Dazu koͤmmt die in alten Idolen mehr kreisfoͤrmige, dann an den Seiten tiefer abgeſchnittne Scheibe, jene nennt man Polos, dieſe Stephane; die Coloſſalſtatue des Polykleitos (§. 120, 2.) hatte dafuͤr eine Art von Krone, Ste- 1 2 3 4 5

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/470>, abgerufen am 22.11.2024.