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Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830.

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Systematischer Theil.
und Statuen verziert in Rom seit Agrippa sehr zahlreich
5waren. Wenn auch freilich die hohen Arkaden der
Aquädukte durch wohlfeilere Vorkehrungen erspart werden
konnten: so scheinen grade aus architektonischem Sinn
die Alten diese mächtigen Bogenreihen, welche von den
Bergen her über Thal und Ebne der wohlbevölkerten
Stadt zueilen und sie schon aus der Ferne ankündigen,
jenen unscheinbaren Vorrichtungen vorgezogen zu haben.
6Eben so waren zwar die Häfen der Alten bedeutend
kleiner als die unsern, aber boten dafür mit ihren Mo-
lo's, Pharus, äußeren Buchten und inneren Bassins,
Schiffhäusern, Werften und Docken, nebst einfassenden
Kai's und Säulenhallen, Tempeln und Bildsäulen, einen
ungleich überschaulicheren und bedeutungsvolleren Gesammt-
eindruck; und auch hier vermischt und durchdringt sich
mit der Erfüllung des äußern Zwecks architektonischer
7Sinn. Selbst das Schiff, das runde und schwerfälligere
des Kaufmanns, wie das leichte und drohende der Kriegs-
flotten, welches selbst vielmehr ein gewandter Krieger
als ein schwimmendes Bollwerk war, stellte sich bedeut-
sam und mit eigenthümlicher Physionomie dar; und in Alexan-
drinischer Zeit wurden auch Schiff und Wagen (§. 152.)
8colossale Prachtbauten. Nur wo die Mechanik ein
Gebäude so in Beschlag nimmt, daß die complicirte
Zweckmäßigkeit desselben dem natürlichen Blicke nicht mehr
erkennbar ist, weicht die Architektur als Kunst, welche
den unorganischen Formen Charakter und Ausdruck ver-
leiht, durchaus einer verwandten, blos berechnenden,
aber von keinem Gefühl erwärmten und belebten, Wis-
senschaft.

2. Viae. 1. silice stratae (am trefflichsten bei der via
Appia
). 2. glarea. Der Fußpfad daneben lapide, mit weiche-
ren Steinen. Meilenzeiger. Bergier Hist. des grands che-
mins de l'emp. Romain (Thes. Ant. Rom. x.)
. Hirt ii.
S. 198. iii. S. 407. In Griechenland sorgte man besonders
für Straßen der Festzüge, beim Didymäon, bei Mylasa. Ueber
die skurota odos in Kyrene Böckh ad Pind. P. v. p. 191. Ue-

Syſtematiſcher Theil.
und Statuen verziert in Rom ſeit Agrippa ſehr zahlreich
5waren. Wenn auch freilich die hohen Arkaden der
Aquaͤdukte durch wohlfeilere Vorkehrungen erſpart werden
konnten: ſo ſcheinen grade aus architektoniſchem Sinn
die Alten dieſe maͤchtigen Bogenreihen, welche von den
Bergen her uͤber Thal und Ebne der wohlbevoͤlkerten
Stadt zueilen und ſie ſchon aus der Ferne ankuͤndigen,
jenen unſcheinbaren Vorrichtungen vorgezogen zu haben.
6Eben ſo waren zwar die Haͤfen der Alten bedeutend
kleiner als die unſern, aber boten dafuͤr mit ihren Mo-
lo’s, Pharus, aͤußeren Buchten und inneren Baſſins,
Schiffhaͤuſern, Werften und Docken, nebſt einfaſſenden
Kai’s und Saͤulenhallen, Tempeln und Bildſaͤulen, einen
ungleich uͤberſchaulicheren und bedeutungsvolleren Geſammt-
eindruck; und auch hier vermiſcht und durchdringt ſich
mit der Erfuͤllung des aͤußern Zwecks architektoniſcher
7Sinn. Selbſt das Schiff, das runde und ſchwerfaͤlligere
des Kaufmanns, wie das leichte und drohende der Kriegs-
flotten, welches ſelbſt vielmehr ein gewandter Krieger
als ein ſchwimmendes Bollwerk war, ſtellte ſich bedeut-
ſam und mit eigenthuͤmlicher Phyſionomie dar; und in Alexan-
driniſcher Zeit wurden auch Schiff und Wagen (§. 152.)
8coloſſale Prachtbauten. Nur wo die Mechanik ein
Gebaͤude ſo in Beſchlag nimmt, daß die complicirte
Zweckmaͤßigkeit deſſelben dem natuͤrlichen Blicke nicht mehr
erkennbar iſt, weicht die Architektur als Kunſt, welche
den unorganiſchen Formen Charakter und Ausdruck ver-
leiht, durchaus einer verwandten, blos berechnenden,
aber von keinem Gefuͤhl erwaͤrmten und belebten, Wiſ-
ſenſchaft.

2. Viae. 1. silice stratae (am trefflichſten bei der via
Appia
). 2. glarea. Der Fußpfad daneben lapide, mit weiche-
ren Steinen. Meilenzeiger. Bergier Hist. des grands che-
mins de l’emp. Romain (Thes. Ant. Rom. x.)
. Hirt ii.
S. 198. iii. S. 407. In Griechenland ſorgte man beſonders
für Straßen der Feſtzüge, beim Didymäon, bei Mylaſa. Ueber
die σκυρωτὰ ὁδὸς in Kyrene Böckh ad Pind. P. v. p. 191. Ue-

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[352/0374] Syſtematiſcher Theil. und Statuen verziert in Rom ſeit Agrippa ſehr zahlreich waren. Wenn auch freilich die hohen Arkaden der Aquaͤdukte durch wohlfeilere Vorkehrungen erſpart werden konnten: ſo ſcheinen grade aus architektoniſchem Sinn die Alten dieſe maͤchtigen Bogenreihen, welche von den Bergen her uͤber Thal und Ebne der wohlbevoͤlkerten Stadt zueilen und ſie ſchon aus der Ferne ankuͤndigen, jenen unſcheinbaren Vorrichtungen vorgezogen zu haben. Eben ſo waren zwar die Haͤfen der Alten bedeutend kleiner als die unſern, aber boten dafuͤr mit ihren Mo- lo’s, Pharus, aͤußeren Buchten und inneren Baſſins, Schiffhaͤuſern, Werften und Docken, nebſt einfaſſenden Kai’s und Saͤulenhallen, Tempeln und Bildſaͤulen, einen ungleich uͤberſchaulicheren und bedeutungsvolleren Geſammt- eindruck; und auch hier vermiſcht und durchdringt ſich mit der Erfuͤllung des aͤußern Zwecks architektoniſcher Sinn. Selbſt das Schiff, das runde und ſchwerfaͤlligere des Kaufmanns, wie das leichte und drohende der Kriegs- flotten, welches ſelbſt vielmehr ein gewandter Krieger als ein ſchwimmendes Bollwerk war, ſtellte ſich bedeut- ſam und mit eigenthuͤmlicher Phyſionomie dar; und in Alexan- driniſcher Zeit wurden auch Schiff und Wagen (§. 152.) coloſſale Prachtbauten. Nur wo die Mechanik ein Gebaͤude ſo in Beſchlag nimmt, daß die complicirte Zweckmaͤßigkeit deſſelben dem natuͤrlichen Blicke nicht mehr erkennbar iſt, weicht die Architektur als Kunſt, welche den unorganiſchen Formen Charakter und Ausdruck ver- leiht, durchaus einer verwandten, blos berechnenden, aber von keinem Gefuͤhl erwaͤrmten und belebten, Wiſ- ſenſchaft. 5 6 7 8 2. Viae. 1. silice stratae (am trefflichſten bei der via Appia). 2. glarea. Der Fußpfad daneben lapide, mit weiche- ren Steinen. Meilenzeiger. Bergier Hist. des grands che- mins de l’emp. Romain (Thes. Ant. Rom. x.). Hirt ii. S. 198. iii. S. 407. In Griechenland ſorgte man beſonders für Straßen der Feſtzüge, beim Didymäon, bei Mylaſa. Ueber die σκυρωτὰ ὁδὸς in Kyrene Böckh ad Pind. P. v. p. 191. Ue-

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/374>, abgerufen am 13.05.2024.