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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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war edle und unbefangene Nacktheit, wo sie einen
Zweck erfüllte, überhaupt dem Dorischen Wesen ange-
messen. Dies erinnert an die schon in der Zeit der
Attischen Bildung auffällige Naktheit der Spartiati-
schen Mädchen, von der Spätere oft spaßhaft sagen:
die Spartiaten zeigen den Fremder ihre Jungfrauen
nackt 1. Was damit aber eigentlich gesagt sei: muß
hier ausführlicher untersucht werden.

2.

Zuvörderst machen diese Worte aufmerksam auf
den Unterschied in der Lebensweise Dorischer Ehe-
frauen
und Jungfrauen. Während die moderne
(romantische) Sitte die Jungfräulichkeit allen Eindrücken
der Sinnlichkeit, die Leidenschaft zu entzünden ge-
eignet wären, mit zarter und ängstlicher Sorgfalt zu
entziehen sucht, und die Frau dagegen dem Verkehr
mit Männern weit freier aussetzt: wurde nach dem
kälteren Hellenischen Sinne, der sich am bestimmtesten
bei den Doriern ausspricht, gerade die Jungfrau der
Berührung des Lebens mehr blos gestellt, als die Frau,
deren Dasein im Hause sein Ziel gefunden zu haben
schien: daher auch nur die erstern Musik und Gymnastik

dern nur was er in dem Megarischen Epigramm las, über das
Böckh Index lect. aestiv. Berol. 1822. zu vergleichen; das Mar-
mor befindet sich jetzt im Cabinet des medailles der Bibliotheque
du Roi.
) Corsini F. A. 3. p. 22. sucht beides zu vereinigen, was
doch nicht vollkommen geht; ich glaube, daß wie auf Orsipp das:
Lakedaimonios, so auch die Zeit des Siegs übertragen ist, u. traue
dem Etymol. u. den Schol. Il. 23, 683. (vgl. oben Bd. 2. S.
89.) mehr, daß dieser erst Ol. 32. gesiegt, wo African wol nur
durch Irrthum den Kratinos nennt, auch einen Megarer. Akan-
thos Beispiel scheint unbefolgt geblieben zu sein, und allgemeine
Sitte wurde es dann durch Orsipp; womit auch Thuk. Worte bes-
ser stimmen: kai ou palla ete epeede pepautai, die nicht zu
corrigiren.
1 S. besonders Athen. 13, 566 e. Eust. Il. 14, 975, 41 Rom.

war edle und unbefangene Nacktheit, wo ſie einen
Zweck erfuͤllte, uͤberhaupt dem Doriſchen Weſen ange-
meſſen. Dies erinnert an die ſchon in der Zeit der
Attiſchen Bildung auffaͤllige Naktheit der Spartiati-
ſchen Maͤdchen, von der Spaͤtere oft ſpaßhaft ſagen:
die Spartiaten zeigen den Fremder ihre Jungfrauen
nackt 1. Was damit aber eigentlich geſagt ſei: muß
hier ausfuͤhrlicher unterſucht werden.

2.

Zuvoͤrderſt machen dieſe Worte aufmerkſam auf
den Unterſchied in der Lebensweiſe Doriſcher Ehe-
frauen
und Jungfrauen. Waͤhrend die moderne
(romantiſche) Sitte die Jungfraͤulichkeit allen Eindruͤcken
der Sinnlichkeit, die Leidenſchaft zu entzuͤnden ge-
eignet waͤren, mit zarter und aͤngſtlicher Sorgfalt zu
entziehen ſucht, und die Frau dagegen dem Verkehr
mit Maͤnnern weit freier ausſetzt: wurde nach dem
kaͤlteren Helleniſchen Sinne, der ſich am beſtimmteſten
bei den Doriern ausſpricht, gerade die Jungfrau der
Beruͤhrung des Lebens mehr blos geſtellt, als die Frau,
deren Daſein im Hauſe ſein Ziel gefunden zu haben
ſchien: daher auch nur die erſtern Muſik und Gymnaſtik

dern nur was er in dem Megariſchen Epigramm las, uͤber das
Boͤckh Index lect. aestiv. Berol. 1822. zu vergleichen; das Mar-
mor befindet ſich jetzt im Cabinet des medailles der Bibliothèque
du Roi.
) Corſini F. A. 3. p. 22. ſucht beides zu vereinigen, was
doch nicht vollkommen geht; ich glaube, daß wie auf Orſipp das:
Λακεδαιμὀνιος, ſo auch die Zeit des Siegs uͤbertragen iſt, u. traue
dem Etymol. u. den Schol. Il. 23, 683. (vgl. oben Bd. 2. S.
89.) mehr, daß dieſer erſt Ol. 32. geſiegt, wo African wol nur
durch Irrthum den Kratinos nennt, auch einen Megarer. Akan-
thos Beiſpiel ſcheint unbefolgt geblieben zu ſein, und allgemeine
Sitte wurde es dann durch Orſipp; womit auch Thuk. Worte beſ-
ſer ſtimmen: καὶ οὐ παλλὰ ἔτη ἐπεεδἡ πέπαυται, die nicht zu
corrigiren.
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[261/0267] war edle und unbefangene Nacktheit, wo ſie einen Zweck erfuͤllte, uͤberhaupt dem Doriſchen Weſen ange- meſſen. Dies erinnert an die ſchon in der Zeit der Attiſchen Bildung auffaͤllige Naktheit der Spartiati- ſchen Maͤdchen, von der Spaͤtere oft ſpaßhaft ſagen: die Spartiaten zeigen den Fremder ihre Jungfrauen nackt 1. Was damit aber eigentlich geſagt ſei: muß hier ausfuͤhrlicher unterſucht werden. 2. Zuvoͤrderſt machen dieſe Worte aufmerkſam auf den Unterſchied in der Lebensweiſe Doriſcher Ehe- frauen und Jungfrauen. Waͤhrend die moderne (romantiſche) Sitte die Jungfraͤulichkeit allen Eindruͤcken der Sinnlichkeit, die Leidenſchaft zu entzuͤnden ge- eignet waͤren, mit zarter und aͤngſtlicher Sorgfalt zu entziehen ſucht, und die Frau dagegen dem Verkehr mit Maͤnnern weit freier ausſetzt: wurde nach dem kaͤlteren Helleniſchen Sinne, der ſich am beſtimmteſten bei den Doriern ausſpricht, gerade die Jungfrau der Beruͤhrung des Lebens mehr blos geſtellt, als die Frau, deren Daſein im Hauſe ſein Ziel gefunden zu haben ſchien: daher auch nur die erſtern Muſik und Gymnaſtik 1 1 S. beſonders Athen. 13, 566 e. Euſt. Il. 14, 975, 41 Rom. 1 dern nur was er in dem Megariſchen Epigramm las, uͤber das Boͤckh Index lect. aestiv. Berol. 1822. zu vergleichen; das Mar- mor befindet ſich jetzt im Cabinet des medailles der Bibliothèque du Roi.) Corſini F. A. 3. p. 22. ſucht beides zu vereinigen, was doch nicht vollkommen geht; ich glaube, daß wie auf Orſipp das: Λακεδαιμὀνιος, ſo auch die Zeit des Siegs uͤbertragen iſt, u. traue dem Etymol. u. den Schol. Il. 23, 683. (vgl. oben Bd. 2. S. 89.) mehr, daß dieſer erſt Ol. 32. geſiegt, wo African wol nur durch Irrthum den Kratinos nennt, auch einen Megarer. Akan- thos Beiſpiel ſcheint unbefolgt geblieben zu ſein, und allgemeine Sitte wurde es dann durch Orſipp; womit auch Thuk. Worte beſ- ſer ſtimmen: καὶ οὐ παλλὰ ἔτη ἐπεεδἡ πέπαυται, die nicht zu corrigiren.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/267>, abgerufen am 24.11.2024.