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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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Siegesfeier freuet sich ja die ganze Stadt in Gelagen.
Doch stürmen in einem Augenblick von andern Seiten
andere Winde." Pindar ahnet (Ol. 79.) schon die Ge-
fahren, die dem edlen Geschlechte, welchem Rhodos
so viel verdankte, durch den damals wachsenden Ein-
fluß von Athen 1 entstanden; er warnet durch das
ganze, Gedicht die Bürger vor übereilter Neuerung,
und wünscht der alten wohlbegründeten Verfassung Be-
stand 2. Seine Ahndung wurde erfüllt. Die Söhne
des Diagoras wurden als Häupter der Aristokratie von
den Athenern zum Tode verurtheilt und landesflüchtig;
aber der bewunderte Held Dorieus kehrte von Thurioi
mit Thurischen Schiffen in sein Vaterland zurück, und
kämpfte mit denselben gegen die Feinde seiner Familie
als treuer Anhänger der Spartiaten. Als ihn die
Athener Olymp. 93. gefangen genommen hatten, und
das Todesurtheil an ihm vollziehen wollten, bewog sie
der Anblick des edlen Diagoriden, dessen dem Geschlecht
eigenthümlicher Körpergröße und Schönheit eine kühne
Seele entsprach, wie er nun in unwürdigen Ketten
vor ihnen stand, zur Freilassung 3. Das alte Glück
der Rhodier, welches sich auf die treue Bewahrung
der Dorischen Sitte, (auf die die Gesetze Kleobuls des
Lindiers ohne Zweifel gebaut waren), und auf ungemeine
Handelsthätigkeit gründete, wurde durch die Bewegun-
gen des Peloponnesischen Krieges unterbrochen, in de-
nen der Wechsel des Athenischen und Spartiatischen Ein-
flusses bald die Demokratie bald die Aristokratie hob.
Im Sicilischen Feldzuge war Rhodos Athenisch 4. Aber

1 Vgl. was Ol. 75, 4. der Rhodier Timokreon über Themistokles
Verfahren auf dieser wie andern Inseln sagt, bei Plut. Them. 21.
2 S. Böckhs meisterhafte Erklärung des Gedichts am Schlusse.
3 S. Thuk. 8, 35. 84. Xen. Hell. 1, 1, 2. 1, 5, 19. Diod.
13, 38. 43. Paus. 6, 7, 2. Die Richtigkeit dessen, was Andro-
tion dort erzählt, ist wohl sehr zweifelhaft.
4 Thuk. 7, 57.

Siegesfeier freuet ſich ja die ganze Stadt in Gelagen.
Doch ſtuͤrmen in einem Augenblick von andern Seiten
andere Winde.” Pindar ahnet (Ol. 79.) ſchon die Ge-
fahren, die dem edlen Geſchlechte, welchem Rhodos
ſo viel verdankte, durch den damals wachſenden Ein-
fluß von Athen 1 entſtanden; er warnet durch das
ganze, Gedicht die Buͤrger vor uͤbereilter Neuerung,
und wuͤnſcht der alten wohlbegruͤndeten Verfaſſung Be-
ſtand 2. Seine Ahndung wurde erfuͤllt. Die Soͤhne
des Diagoras wurden als Haͤupter der Ariſtokratie von
den Athenern zum Tode verurtheilt und landesfluͤchtig;
aber der bewunderte Held Dorieus kehrte von Thurioi
mit Thuriſchen Schiffen in ſein Vaterland zuruͤck, und
kaͤmpfte mit denſelben gegen die Feinde ſeiner Familie
als treuer Anhaͤnger der Spartiaten. Als ihn die
Athener Olymp. 93. gefangen genommen hatten, und
das Todesurtheil an ihm vollziehen wollten, bewog ſie
der Anblick des edlen Diagoriden, deſſen dem Geſchlecht
eigenthuͤmlicher Koͤrpergroͤße und Schoͤnheit eine kuͤhne
Seele entſprach, wie er nun in unwuͤrdigen Ketten
vor ihnen ſtand, zur Freilaſſung 3. Das alte Gluͤck
der Rhodier, welches ſich auf die treue Bewahrung
der Doriſchen Sitte, (auf die die Geſetze Kleobuls des
Lindiers ohne Zweifel gebaut waren), und auf ungemeine
Handelsthaͤtigkeit gruͤndete, wurde durch die Bewegun-
gen des Peloponneſiſchen Krieges unterbrochen, in de-
nen der Wechſel des Atheniſchen und Spartiatiſchen Ein-
fluſſes bald die Demokratie bald die Ariſtokratie hob.
Im Siciliſchen Feldzuge war Rhodos Atheniſch 4. Aber

1 Vgl. was Ol. 75, 4. der Rhodier Timokreon uͤber Themiſtokles
Verfahren auf dieſer wie andern Inſeln ſagt, bei Plut. Them. 21.
2 S. Boͤckhs meiſterhafte Erklaͤrung des Gedichts am Schluſſe.
3 S. Thuk. 8, 35. 84. Xen. Hell. 1, 1, 2. 1, 5, 19. Diod.
13, 38. 43. Pauſ. 6, 7, 2. Die Richtigkeit deſſen, was Andro-
tion dort erzaͤhlt, iſt wohl ſehr zweifelhaft.
4 Thuk. 7, 57.
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[148/0154] Siegesfeier freuet ſich ja die ganze Stadt in Gelagen. Doch ſtuͤrmen in einem Augenblick von andern Seiten andere Winde.” Pindar ahnet (Ol. 79.) ſchon die Ge- fahren, die dem edlen Geſchlechte, welchem Rhodos ſo viel verdankte, durch den damals wachſenden Ein- fluß von Athen 1 entſtanden; er warnet durch das ganze, Gedicht die Buͤrger vor uͤbereilter Neuerung, und wuͤnſcht der alten wohlbegruͤndeten Verfaſſung Be- ſtand 2. Seine Ahndung wurde erfuͤllt. Die Soͤhne des Diagoras wurden als Haͤupter der Ariſtokratie von den Athenern zum Tode verurtheilt und landesfluͤchtig; aber der bewunderte Held Dorieus kehrte von Thurioi mit Thuriſchen Schiffen in ſein Vaterland zuruͤck, und kaͤmpfte mit denſelben gegen die Feinde ſeiner Familie als treuer Anhaͤnger der Spartiaten. Als ihn die Athener Olymp. 93. gefangen genommen hatten, und das Todesurtheil an ihm vollziehen wollten, bewog ſie der Anblick des edlen Diagoriden, deſſen dem Geſchlecht eigenthuͤmlicher Koͤrpergroͤße und Schoͤnheit eine kuͤhne Seele entſprach, wie er nun in unwuͤrdigen Ketten vor ihnen ſtand, zur Freilaſſung 3. Das alte Gluͤck der Rhodier, welches ſich auf die treue Bewahrung der Doriſchen Sitte, (auf die die Geſetze Kleobuls des Lindiers ohne Zweifel gebaut waren), und auf ungemeine Handelsthaͤtigkeit gruͤndete, wurde durch die Bewegun- gen des Peloponneſiſchen Krieges unterbrochen, in de- nen der Wechſel des Atheniſchen und Spartiatiſchen Ein- fluſſes bald die Demokratie bald die Ariſtokratie hob. Im Siciliſchen Feldzuge war Rhodos Atheniſch 4. Aber 1 Vgl. was Ol. 75, 4. der Rhodier Timokreon uͤber Themiſtokles Verfahren auf dieſer wie andern Inſeln ſagt, bei Plut. Them. 21. 2 S. Boͤckhs meiſterhafte Erklaͤrung des Gedichts am Schluſſe. 3 S. Thuk. 8, 35. 84. Xen. Hell. 1, 1, 2. 1, 5, 19. Diod. 13, 38. 43. Pauſ. 6, 7, 2. Die Richtigkeit deſſen, was Andro- tion dort erzaͤhlt, iſt wohl ſehr zweifelhaft. 4 Thuk. 7, 57.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/154>, abgerufen am 22.11.2024.