Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite

stiaeotis, damals Doris, unter Tektaphos, Doros
Sohn, sammt Achaeern und Pelasgern, so in Thessalien
geblieben waren, nach Kreta gekommen 1. Weiter Dio-
dor: des Tektaphos (Tektamos) Sohn sei Asterios, Kö-
nig von Kreta, gewesen, der Adoptivvater Minos des
Gesetzgebers. Diese Nachrichten werden ihrem wesent-
lichen Inhalte nach durch zwei Proben gewiß. Erstens
dadurch, daß der Apollonsdienst nun in Kreta eben so
wie in Tempe und zwar ganz mit denselben Gebräuchen
geübt wird, und auch die Uebertragung damit verbund-
ner Sagen veranlaßt. Zweitens dadurch, daß die Do-
rische Grundverfassung sich in Kreta so sehr früh zu einer
Ordnung und Festigkeit ausbildete, welche hernach Mu-
ster für die verwandten Staaten wurde. Dies giebt
uns das vollste Recht, den Knossier Minos als Dorier
anzusehn. Besser noch sagen wir, daß der Name Mi-
nos eine Zeit bezeichnet, in welcher die Dorischen Anlan-
der einen großen Theil der Insel in einen Staat verei-
nigten, und indem sie so erstarkt ihre Macht über die
Kykladen und viele Küstenstriche ausbreiteten, nach He-
rodots, Thukydides und Aristoteles Ausdrucke, eine Art
Thalassokratie erwarben. Wir würden die einfache Lö-
sung mehrerer Begebenheiten und Verhältnisse verschmähn,
wenn wir jene Dorische Wanderung läugnen wollten. --
Damit sollen aber mit nichten spätere Wanderungen aus
dem schon Dorischen Peloponnes geläugnet werden 2;

1 Bei Strabo 10, 475. d. und Stephan. Dorion. Aus
Andron schöpft wohl Diodor 5, 80. Vgl. 4, 60.
2 Die Nie-
derlassungen, welche hier in Betracht kommen, sind 1. die Einwan-
derung nach Minos Tode (im dritten Geschlecht vor Troja) von al-
lerlei Stämmen, besonders Hellenen, bei Herod. 7, 170., diese ist
bloße Sage von Polichna und Präsos und nicht sehr glaubwürdig.
2. Colonie des Althaemenes nach dem Heraklidenzug von Argos und
Megara aus, und in Verbindung mit Rhodos. 3. Dorier aus

ſtiaeotis, damals Doris, unter Tektaphos, Doros
Sohn, ſammt Achaeern und Pelasgern, ſo in Theſſalien
geblieben waren, nach Kreta gekommen 1. Weiter Dio-
dor: des Tektaphos (Tektamos) Sohn ſei Aſterios, Koͤ-
nig von Kreta, geweſen, der Adoptivvater Minos des
Geſetzgebers. Dieſe Nachrichten werden ihrem weſent-
lichen Inhalte nach durch zwei Proben gewiß. Erſtens
dadurch, daß der Apollonsdienſt nun in Kreta eben ſo
wie in Tempe und zwar ganz mit denſelben Gebraͤuchen
geuͤbt wird, und auch die Uebertragung damit verbund-
ner Sagen veranlaßt. Zweitens dadurch, daß die Do-
riſche Grundverfaſſung ſich in Kreta ſo ſehr fruͤh zu einer
Ordnung und Feſtigkeit ausbildete, welche hernach Mu-
ſter fuͤr die verwandten Staaten wurde. Dies giebt
uns das vollſte Recht, den Knoſſier Minos als Dorier
anzuſehn. Beſſer noch ſagen wir, daß der Name Mi-
nos eine Zeit bezeichnet, in welcher die Doriſchen Anlan-
der einen großen Theil der Inſel in einen Staat verei-
nigten, und indem ſie ſo erſtarkt ihre Macht uͤber die
Kykladen und viele Kuͤſtenſtriche ausbreiteten, nach He-
rodots, Thukydides und Ariſtoteles Ausdrucke, eine Art
Thalaſſokratie erwarben. Wir wuͤrden die einfache Loͤ-
ſung mehrerer Begebenheiten und Verhaͤltniſſe verſchmaͤhn,
wenn wir jene Doriſche Wanderung laͤugnen wollten. —
Damit ſollen aber mit nichten ſpaͤtere Wanderungen aus
dem ſchon Doriſchen Peloponnes gelaͤugnet werden 2;

1 Bei Strabo 10, 475. d. und Stephan. Δώϱιον. Aus
Andron ſchoͤpft wohl Diodor 5, 80. Vgl. 4, 60.
2 Die Nie-
derlaſſungen, welche hier in Betracht kommen, ſind 1. die Einwan-
derung nach Minos Tode (im dritten Geſchlecht vor Troja) von al-
lerlei Staͤmmen, beſonders Hellenen, bei Herod. 7, 170., dieſe iſt
bloße Sage von Polichna und Praͤſos und nicht ſehr glaubwuͤrdig.
2. Colonie des Althaemenes nach dem Heraklidenzug von Argos und
Megara aus, und in Verbindung mit Rhodos. 3. Dorier aus
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0061" n="31"/>
&#x017F;tiaeotis, damals Doris, unter Tektaphos, Doros<lb/>
Sohn, &#x017F;ammt Achaeern und Pelasgern, &#x017F;o in The&#x017F;&#x017F;alien<lb/>
geblieben waren, nach Kreta gekommen <note place="foot" n="1">Bei Strabo 10, 475. <hi rendition="#aq">d.</hi> und Stephan. &#x0394;&#x03CE;&#x03F1;&#x03B9;&#x03BF;&#x03BD;. Aus<lb/>
Andron &#x017F;cho&#x0364;pft wohl Diodor 5, 80. Vgl. 4, 60.</note>. Weiter Dio-<lb/>
dor: des Tektaphos (Tektamos) Sohn &#x017F;ei A&#x017F;terios, Ko&#x0364;-<lb/>
nig von Kreta, gewe&#x017F;en, der Adoptivvater Minos des<lb/>
Ge&#x017F;etzgebers. Die&#x017F;e Nachrichten werden ihrem we&#x017F;ent-<lb/>
lichen Inhalte nach durch zwei Proben gewiß. Er&#x017F;tens<lb/>
dadurch, daß der Apollonsdien&#x017F;t nun in Kreta eben &#x017F;o<lb/>
wie in Tempe und zwar ganz mit den&#x017F;elben Gebra&#x0364;uchen<lb/>
geu&#x0364;bt wird, und auch die Uebertragung damit verbund-<lb/>
ner Sagen veranlaßt. Zweitens dadurch, daß die Do-<lb/>
ri&#x017F;che Grundverfa&#x017F;&#x017F;ung &#x017F;ich in Kreta &#x017F;o &#x017F;ehr fru&#x0364;h zu einer<lb/>
Ordnung und Fe&#x017F;tigkeit ausbildete, welche hernach Mu-<lb/>
&#x017F;ter fu&#x0364;r die verwandten Staaten wurde. Dies giebt<lb/>
uns das voll&#x017F;te Recht, den Kno&#x017F;&#x017F;ier Minos als Dorier<lb/>
anzu&#x017F;ehn. Be&#x017F;&#x017F;er noch &#x017F;agen wir, daß der Name Mi-<lb/>
nos eine Zeit bezeichnet, in welcher die Dori&#x017F;chen Anlan-<lb/>
der einen großen Theil der In&#x017F;el in einen Staat verei-<lb/>
nigten, und indem &#x017F;ie &#x017F;o er&#x017F;tarkt ihre Macht u&#x0364;ber die<lb/>
Kykladen und viele Ku&#x0364;&#x017F;ten&#x017F;triche ausbreiteten, nach He-<lb/>
rodots, Thukydides und Ari&#x017F;toteles Ausdrucke, eine Art<lb/>
Thala&#x017F;&#x017F;okratie erwarben. Wir wu&#x0364;rden die einfache Lo&#x0364;-<lb/>
&#x017F;ung mehrerer Begebenheiten und Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e ver&#x017F;chma&#x0364;hn,<lb/>
wenn wir jene Dori&#x017F;che Wanderung la&#x0364;ugnen wollten. &#x2014;<lb/>
Damit &#x017F;ollen aber mit nichten &#x017F;pa&#x0364;tere Wanderungen aus<lb/>
dem &#x017F;chon Dori&#x017F;chen Peloponnes gela&#x0364;ugnet werden <note xml:id="seg2pn_4_1" next="#seg2pn_4_2" place="foot" n="2">Die Nie-<lb/>
derla&#x017F;&#x017F;ungen, welche hier in Betracht kommen, &#x017F;ind 1. die Einwan-<lb/>
derung nach Minos Tode (im dritten Ge&#x017F;chlecht vor Troja) von al-<lb/>
lerlei Sta&#x0364;mmen, be&#x017F;onders Hellenen, bei Herod. 7, 170., die&#x017F;e i&#x017F;t<lb/>
bloße Sage von Polichna und Pra&#x0364;&#x017F;os und nicht &#x017F;ehr glaubwu&#x0364;rdig.<lb/>
2. Colonie des Althaemenes nach dem Heraklidenzug von Argos und<lb/>
Megara aus, und in Verbindung mit Rhodos. 3. Dorier aus</note>;<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[31/0061] ſtiaeotis, damals Doris, unter Tektaphos, Doros Sohn, ſammt Achaeern und Pelasgern, ſo in Theſſalien geblieben waren, nach Kreta gekommen 1. Weiter Dio- dor: des Tektaphos (Tektamos) Sohn ſei Aſterios, Koͤ- nig von Kreta, geweſen, der Adoptivvater Minos des Geſetzgebers. Dieſe Nachrichten werden ihrem weſent- lichen Inhalte nach durch zwei Proben gewiß. Erſtens dadurch, daß der Apollonsdienſt nun in Kreta eben ſo wie in Tempe und zwar ganz mit denſelben Gebraͤuchen geuͤbt wird, und auch die Uebertragung damit verbund- ner Sagen veranlaßt. Zweitens dadurch, daß die Do- riſche Grundverfaſſung ſich in Kreta ſo ſehr fruͤh zu einer Ordnung und Feſtigkeit ausbildete, welche hernach Mu- ſter fuͤr die verwandten Staaten wurde. Dies giebt uns das vollſte Recht, den Knoſſier Minos als Dorier anzuſehn. Beſſer noch ſagen wir, daß der Name Mi- nos eine Zeit bezeichnet, in welcher die Doriſchen Anlan- der einen großen Theil der Inſel in einen Staat verei- nigten, und indem ſie ſo erſtarkt ihre Macht uͤber die Kykladen und viele Kuͤſtenſtriche ausbreiteten, nach He- rodots, Thukydides und Ariſtoteles Ausdrucke, eine Art Thalaſſokratie erwarben. Wir wuͤrden die einfache Loͤ- ſung mehrerer Begebenheiten und Verhaͤltniſſe verſchmaͤhn, wenn wir jene Doriſche Wanderung laͤugnen wollten. — Damit ſollen aber mit nichten ſpaͤtere Wanderungen aus dem ſchon Doriſchen Peloponnes gelaͤugnet werden 2; 1 Bei Strabo 10, 475. d. und Stephan. Δώϱιον. Aus Andron ſchoͤpft wohl Diodor 5, 80. Vgl. 4, 60. 2 Die Nie- derlaſſungen, welche hier in Betracht kommen, ſind 1. die Einwan- derung nach Minos Tode (im dritten Geſchlecht vor Troja) von al- lerlei Staͤmmen, beſonders Hellenen, bei Herod. 7, 170., dieſe iſt bloße Sage von Polichna und Praͤſos und nicht ſehr glaubwuͤrdig. 2. Colonie des Althaemenes nach dem Heraklidenzug von Argos und Megara aus, und in Verbindung mit Rhodos. 3. Dorier aus

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/61
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/61>, abgerufen am 09.11.2024.