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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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völliger Entschiedenheit von der Dorischen, aber auch
der Arkadischen Artemis-Verehrung sondern.

Die Ephesische Artemis fanden die Jonier ohne
Zweifel schon in ihrem Heiligthume 1, im sumpfigen
-- dem Meer entstiegenen -- Thale 2 des Kaystros vor,
als sie an der Küste sich ansiedelten. Sie nannten sie
nach Analogieen mit der Munychischen Göttin Artemis
-- so wie sie nachmals eine große Anzahl der weibli-
chen Naturgottheiten im Pontos, in Galatien, Arme-
nien, Kolchis, Medien u. s. w. Artemis benamten --
ohne damit viel über ihr Wesen auszusagen; unter-
schieden sie jedoch, wohin sie den Cultus sonst ver-
pflanzten, immer von andern durch den Beisatz "die
Ephesische" 3. Alles was vom Cultus dieser Gottheit
erzählt wird, ist singulär und dem Hellenischen fremd.
Ihr beständiges Symbol ist die Biene, die sonst Arte-
mis wohl nirgends hat; die andern Attribute, welche
die spätern Bildsäulen schmückten, sind zu sehr zusam-
mengesucht, um Schlüsse zu erlauben. Die Biene aber
ist wohl ursprünglich nur Symbol der Nahrung; der
Begriff der Reinheit kann hinzugetreten sein 4. Der
Oberpriester selbst hieß Essen oder Bienenkönig. Andere
Priesternamen sind ungriechisch, Megabyzoi hießen die
priesterlichen Castraten daselbst zu Strabons Zeit; auch
Muxos war ein Priestername 5. Der Götterkreis, welcher

1 Ueber dessen Lage s. indessen Locella ad Xenoph. Ephes.
p.
87. vgl. Caylus Mem. de l'Ac. T. 20. p. 428-441. Choi-
seul Gouff. Voy. pitt. T. 1. p. 191.
2 Herod. 2, 10. Artemis be-
sucht den Sohn des Kaystros. Kallim. Frgm. 102 Bentl.
3 zu
Korinth Paus. 2, 2, 5. Alea 8, 23, 1. Ephesion zu Massilia
Str. 4. p. 179. 184. eine Priesterin Aristarche (vgl. das Aristarcheion
der Art. zu Elis, Plut. Qu. Gr. 47.) bei der Gründung.
4 Ganz eigenthümlich sind auch die Opfer von Selinon u. Salz
in Dätis zu Ephesos. Etym. M. Daitis.
5 Apostol. 5, 44.

voͤlliger Entſchiedenheit von der Doriſchen, aber auch
der Arkadiſchen Artemis-Verehrung ſondern.

Die Epheſiſche Artemis fanden die Jonier ohne
Zweifel ſchon in ihrem Heiligthume 1, im ſumpfigen
— dem Meer entſtiegenen — Thale 2 des Kayſtros vor,
als ſie an der Kuͤſte ſich anſiedelten. Sie nannten ſie
nach Analogieen mit der Munychiſchen Goͤttin Artemis
— ſo wie ſie nachmals eine große Anzahl der weibli-
chen Naturgottheiten im Pontos, in Galatien, Arme-
nien, Kolchis, Medien u. ſ. w. Artemis benamten —
ohne damit viel uͤber ihr Weſen auszuſagen; unter-
ſchieden ſie jedoch, wohin ſie den Cultus ſonſt ver-
pflanzten, immer von andern durch den Beiſatz “die
Epheſiſche” 3. Alles was vom Cultus dieſer Gottheit
erzaͤhlt wird, iſt ſingulaͤr und dem Helleniſchen fremd.
Ihr beſtaͤndiges Symbol iſt die Biene, die ſonſt Arte-
mis wohl nirgends hat; die andern Attribute, welche
die ſpaͤtern Bildſaͤulen ſchmuͤckten, ſind zu ſehr zuſam-
mengeſucht, um Schluͤſſe zu erlauben. Die Biene aber
iſt wohl urſpruͤnglich nur Symbol der Nahrung; der
Begriff der Reinheit kann hinzugetreten ſein 4. Der
Oberprieſter ſelbſt hieß Εσσὴν oder Bienenkoͤnig. Andere
Prieſternamen ſind ungriechiſch, Megabyzoi hießen die
prieſterlichen Caſtraten daſelbſt zu Strabons Zeit; auch
Μύξος war ein Prieſtername 5. Der Goͤtterkreis, welcher

1 Ueber deſſen Lage ſ. indeſſen Locella ad Xenoph. Ephes.
p.
87. vgl. Caylus Mem. de l’Ac. T. 20. p. 428-441. Choi-
ſeul Gouff. Voy. pitt. T. 1. p. 191.
2 Herod. 2, 10. Artemis be-
ſucht den Sohn des Kayſtros. Kallim. Frgm. 102 Bentl.
3 zu
Korinth Pauſ. 2, 2, 5. Alea 8, 23, 1. Epheſion zu Maſſilia
Str. 4. p. 179. 184. eine Prieſterin Ariſtarche (vgl. das Ariſtarcheion
der Art. zu Elis, Plut. Qu. Gr. 47.) bei der Gruͤndung.
4 Ganz eigenthuͤmlich ſind auch die Opfer von Selinon u. Salz
in Daͤtis zu Epheſos. Etym. M. Δαιτίς.
5 Apoſtol. 5, 44.
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[388/0418] voͤlliger Entſchiedenheit von der Doriſchen, aber auch der Arkadiſchen Artemis-Verehrung ſondern. Die Epheſiſche Artemis fanden die Jonier ohne Zweifel ſchon in ihrem Heiligthume 1, im ſumpfigen — dem Meer entſtiegenen — Thale 2 des Kayſtros vor, als ſie an der Kuͤſte ſich anſiedelten. Sie nannten ſie nach Analogieen mit der Munychiſchen Goͤttin Artemis — ſo wie ſie nachmals eine große Anzahl der weibli- chen Naturgottheiten im Pontos, in Galatien, Arme- nien, Kolchis, Medien u. ſ. w. Artemis benamten — ohne damit viel uͤber ihr Weſen auszuſagen; unter- ſchieden ſie jedoch, wohin ſie den Cultus ſonſt ver- pflanzten, immer von andern durch den Beiſatz “die Epheſiſche” 3. Alles was vom Cultus dieſer Gottheit erzaͤhlt wird, iſt ſingulaͤr und dem Helleniſchen fremd. Ihr beſtaͤndiges Symbol iſt die Biene, die ſonſt Arte- mis wohl nirgends hat; die andern Attribute, welche die ſpaͤtern Bildſaͤulen ſchmuͤckten, ſind zu ſehr zuſam- mengeſucht, um Schluͤſſe zu erlauben. Die Biene aber iſt wohl urſpruͤnglich nur Symbol der Nahrung; der Begriff der Reinheit kann hinzugetreten ſein 4. Der Oberprieſter ſelbſt hieß Εσσὴν oder Bienenkoͤnig. Andere Prieſternamen ſind ungriechiſch, Megabyzoi hießen die prieſterlichen Caſtraten daſelbſt zu Strabons Zeit; auch Μύξος war ein Prieſtername 5. Der Goͤtterkreis, welcher 1 Ueber deſſen Lage ſ. indeſſen Locella ad Xenoph. Ephes. p. 87. vgl. Caylus Mem. de l’Ac. T. 20. p. 428-441. Choi- ſeul Gouff. Voy. pitt. T. 1. p. 191. 2 Herod. 2, 10. Artemis be- ſucht den Sohn des Kayſtros. Kallim. Frgm. 102 Bentl. 3 zu Korinth Pauſ. 2, 2, 5. Alea 8, 23, 1. Epheſion zu Maſſilia Str. 4. p. 179. 184. eine Prieſterin Ariſtarche (vgl. das Ariſtarcheion der Art. zu Elis, Plut. Qu. Gr. 47.) bei der Gruͤndung. 4 Ganz eigenthuͤmlich ſind auch die Opfer von Selinon u. Salz in Daͤtis zu Epheſos. Etym. M. Δαιτίς. 5 Apoſtol. 5, 44.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/418>, abgerufen am 09.11.2024.