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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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des Gottes, und selbst Kastalia und Kephissos 1 heben
die Wogen ihn zu begrüßen.

Wenn Alkäos diesen Päan, wie Pindar den sei-
nigen, dem Delphischen Gotte zur Darstellung weihte:
so durfte er schwerlich mehr als die örtlichen Sagen
schmücken und ausbilden; war dies aber auch nicht der
Fall, so hat er doch die Hauptsache, Apollons Ankunft
von den Hyperboreern, nicht aus freier Dichtung, son-
dern aus anerkanntem Mythus entnommen. Alles dar-
in ist bedeutsam und aus der Tiefe des Cultus ge-
schöpft, auch die Zeit. Denn nach Delphischer Sage
besuchte der Gott jedesmal nach Umlauf der großen
Periode sein geliebtes Hyperboreervolk, um mit ihnen
von der Frühlingsnachtgleiche bis zum Frühaufgange
der Pleiaden zu tanzen und zu spielen; dann, wenn
in Griechenland das erste Korn geschnitten wird, kehrt er
mit der vollen reifen Aehre nach Delphi zurück 2. --
Nicht einmal das Schwanengespann hat er hinzuge-
than. Denn was hier der Lesbier zur Aeolischen Lyra,
das stellen am entgegengesetzten Ende Griechischer Welt
unteritalische Vasengemälde so dar, daß man zwar
nicht den Alkäos, aber die zum Grunde liegende
Sage darin erkennt, wie sie in Kuma 3, Metapont,
Kroton erzählt werden mochte. Der Knabe Apollon,
den Scepter nebst einer Schale in der einen, und volle
Gerstenähren in der andern Hand, welche die Opfergaben
der Hyperboreer und "den goldnen Sommer" andeu-
ten, sitzt in ruhiger Stellung und mit milder Geberde
auf einem Wagen, dessen Achsen mit Schwanflügeln

1 Hier kam vor, was Paus. 10, 8, 5. aus Alkäos prooimion
es Apollona citirt, daß Kastalia ein Geschenk des Kephissos sei.
2 Diod. 2, 47., wo nur die Periode falsch angegeben wird.
3 Ein Kumäer Melanopos besang die Ankunft der Opis und He-
kaerge von den Hyperboreern in Achaia und Delos, P. 5, 7, 4.

des Gottes, und ſelbſt Kaſtalia und Kephiſſos 1 heben
die Wogen ihn zu begruͤßen.

Wenn Alkaͤos dieſen Paͤan, wie Pindar den ſei-
nigen, dem Delphiſchen Gotte zur Darſtellung weihte:
ſo durfte er ſchwerlich mehr als die oͤrtlichen Sagen
ſchmuͤcken und ausbilden; war dies aber auch nicht der
Fall, ſo hat er doch die Hauptſache, Apollons Ankunft
von den Hyperboreern, nicht aus freier Dichtung, ſon-
dern aus anerkanntem Mythus entnommen. Alles dar-
in iſt bedeutſam und aus der Tiefe des Cultus ge-
ſchoͤpft, auch die Zeit. Denn nach Delphiſcher Sage
beſuchte der Gott jedesmal nach Umlauf der großen
Periode ſein geliebtes Hyperboreervolk, um mit ihnen
von der Fruͤhlingsnachtgleiche bis zum Fruͤhaufgange
der Pleiaden zu tanzen und zu ſpielen; dann, wenn
in Griechenland das erſte Korn geſchnitten wird, kehrt er
mit der vollen reifen Aehre nach Delphi zuruͤck 2. —
Nicht einmal das Schwanengeſpann hat er hinzuge-
than. Denn was hier der Lesbier zur Aeoliſchen Lyra,
das ſtellen am entgegengeſetzten Ende Griechiſcher Welt
unteritaliſche Vaſengemaͤlde ſo dar, daß man zwar
nicht den Alkaͤos, aber die zum Grunde liegende
Sage darin erkennt, wie ſie in Kuma 3, Metapont,
Kroton erzaͤhlt werden mochte. Der Knabe Apollon,
den Scepter nebſt einer Schale in der einen, und volle
Gerſtenaͤhren in der andern Hand, welche die Opfergaben
der Hyperboreer und “den goldnen Sommer” andeu-
ten, ſitzt in ruhiger Stellung und mit milder Geberde
auf einem Wagen, deſſen Achſen mit Schwanfluͤgeln

1 Hier kam vor, was Pauſ. 10, 8, 5. aus Alkaͤos πϱοοίμιον
ἐς Ἀπόλλωνα citirt, daß Kaſtalia ein Geſchenk des Kephiſſos ſei.
2 Diod. 2, 47., wo nur die Periode falſch angegeben wird.
3 Ein Kumaͤer Melanopos beſang die Ankunft der Opis und He-
kaërge von den Hyperboreern in Achaia und Delos, P. 5, 7, 4.
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[269/0299] des Gottes, und ſelbſt Kaſtalia und Kephiſſos 1 heben die Wogen ihn zu begruͤßen. Wenn Alkaͤos dieſen Paͤan, wie Pindar den ſei- nigen, dem Delphiſchen Gotte zur Darſtellung weihte: ſo durfte er ſchwerlich mehr als die oͤrtlichen Sagen ſchmuͤcken und ausbilden; war dies aber auch nicht der Fall, ſo hat er doch die Hauptſache, Apollons Ankunft von den Hyperboreern, nicht aus freier Dichtung, ſon- dern aus anerkanntem Mythus entnommen. Alles dar- in iſt bedeutſam und aus der Tiefe des Cultus ge- ſchoͤpft, auch die Zeit. Denn nach Delphiſcher Sage beſuchte der Gott jedesmal nach Umlauf der großen Periode ſein geliebtes Hyperboreervolk, um mit ihnen von der Fruͤhlingsnachtgleiche bis zum Fruͤhaufgange der Pleiaden zu tanzen und zu ſpielen; dann, wenn in Griechenland das erſte Korn geſchnitten wird, kehrt er mit der vollen reifen Aehre nach Delphi zuruͤck 2. — Nicht einmal das Schwanengeſpann hat er hinzuge- than. Denn was hier der Lesbier zur Aeoliſchen Lyra, das ſtellen am entgegengeſetzten Ende Griechiſcher Welt unteritaliſche Vaſengemaͤlde ſo dar, daß man zwar nicht den Alkaͤos, aber die zum Grunde liegende Sage darin erkennt, wie ſie in Kuma 3, Metapont, Kroton erzaͤhlt werden mochte. Der Knabe Apollon, den Scepter nebſt einer Schale in der einen, und volle Gerſtenaͤhren in der andern Hand, welche die Opfergaben der Hyperboreer und “den goldnen Sommer” andeu- ten, ſitzt in ruhiger Stellung und mit milder Geberde auf einem Wagen, deſſen Achſen mit Schwanfluͤgeln 1 Hier kam vor, was Pauſ. 10, 8, 5. aus Alkaͤos πϱοοίμιον ἐς Ἀπόλλωνα citirt, daß Kaſtalia ein Geſchenk des Kephiſſos ſei. 2 Diod. 2, 47., wo nur die Periode falſch angegeben wird. 3 Ein Kumaͤer Melanopos beſang die Ankunft der Opis und He- kaërge von den Hyperboreern in Achaia und Delos, P. 5, 7, 4.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/299>, abgerufen am 22.11.2024.