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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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von Anordnungen ergab. Er setzte darum ein peinli-
ches Gericht 1 gegen Vergeuder des väterlichen Ver-
mögens nieder, weil diese leicht zu Neuerern umschla-
gen; er untersagte maaßlosen Luxus und zu große
Sklavenmenge. Müssiggang däuchte ihm besonders ge-
fährlich. So wenig blieb er den demokratischen Grund-
sätzen seines Vater treu, daß er das Volk aus der
Stadt trieb 2, und um es fester an Land- und Hand-
Arbeit zu gewöhnen, ihm nur Bauerntracht gestattete 3.
Er selbst verschwendete nicht, daher er keine andere
Steuern bedurfte, als Hafenzölle und Marktabgaben.
Auch vermied er -- wo seine Absichten es nicht heisch-
ten -- Gewaltthätigkeit und offenbares Unrecht; ja
mitunter machte er einen so strengen Sittenrichter, daß
er die zahlreichen Kupplerinnen der üppigen Korin-
thos -- die gastfreundlichen Mädchen der Aphrodite
selbst schützte Religion -- ersäufen ließ 4. Wie seinem
Vater, war auch ihm Aufstellung glänzender Kunst-
denkmäler 5 ein Mittel, das Vermögen der Reichen
zu beschatzen, und die Masse zu beschäftigen, wiewohl
sich auch sein eigner gebildeter Sinn daran erfreute.
Aber im Allgemeinen enthält, vom Standpunkte der
Geschmacks- und Geistesbildung, der Landeskultur und
des Verkehrs betrachtet, die Zeit der Tyrannen einen
ungemeinen Fortschritt für Hellas. Der starre Sinn,
alter Sitte und alten Brauchs strenger Bewahrer,
wurde hier zuerst gebeugt, und eine freiere, weitere
Weltansicht herrschend. Die Tyrannen stehen häufig in
enger Verbindung mit den Kleinasiaten, die Sparta

1 boulen ep eskhaton Herakl.
2 Ebend.
3 Buch 3, 3.
4 Herakl. Oder ist statt proagogoi etwa prosagogoi (die po-
tagogides Siciliens) zu schreiben?
5 Ueber die Kolosse und
Anatheme der Kypseliden s. Arist. 5, 9, 2. Theophr. bei Phot. Ler.
S. 143. Ephor. bei Diog. L. 1, 74. Paus. 5, 2, 4.

von Anordnungen ergab. Er ſetzte darum ein peinli-
ches Gericht 1 gegen Vergeuder des vaͤterlichen Ver-
moͤgens nieder, weil dieſe leicht zu Neuerern umſchla-
gen; er unterſagte maaßloſen Luxus und zu große
Sklavenmenge. Muͤſſiggang daͤuchte ihm beſonders ge-
faͤhrlich. So wenig blieb er den demokratiſchen Grund-
ſaͤtzen ſeines Vater treu, daß er das Volk aus der
Stadt trieb 2, und um es feſter an Land- und Hand-
Arbeit zu gewoͤhnen, ihm nur Bauerntracht geſtattete 3.
Er ſelbſt verſchwendete nicht, daher er keine andere
Steuern bedurfte, als Hafenzoͤlle und Marktabgaben.
Auch vermied er — wo ſeine Abſichten es nicht heiſch-
ten — Gewaltthaͤtigkeit und offenbares Unrecht; ja
mitunter machte er einen ſo ſtrengen Sittenrichter, daß
er die zahlreichen Kupplerinnen der uͤppigen Korin-
thos — die gaſtfreundlichen Maͤdchen der Aphrodite
ſelbſt ſchuͤtzte Religion — erſaͤufen ließ 4. Wie ſeinem
Vater, war auch ihm Aufſtellung glaͤnzender Kunſt-
denkmaͤler 5 ein Mittel, das Vermoͤgen der Reichen
zu beſchatzen, und die Maſſe zu beſchaͤftigen, wiewohl
ſich auch ſein eigner gebildeter Sinn daran erfreute.
Aber im Allgemeinen enthaͤlt, vom Standpunkte der
Geſchmacks- und Geiſtesbildung, der Landeskultur und
des Verkehrs betrachtet, die Zeit der Tyrannen einen
ungemeinen Fortſchritt fuͤr Hellas. Der ſtarre Sinn,
alter Sitte und alten Brauchs ſtrenger Bewahrer,
wurde hier zuerſt gebeugt, und eine freiere, weitere
Weltanſicht herrſchend. Die Tyrannen ſtehen haͤufig in
enger Verbindung mit den Kleinaſiaten, die Sparta

1 βουλἡν ἐπ̕ ἐσχάτων Herakl.
2 Ebend.
3 Buch 3, 3.
4 Herakl. Oder iſt ſtatt πϱοαγωγοὶ etwa πϱοςαγωγοὶ (die πο-
ταγωγὶδες Siciliens) zu ſchreiben?
5 Ueber die Koloſſe und
Anatheme der Kypſeliden ſ. Ariſt. 5, 9, 2. Theophr. bei Phot. Ler.
S. 143. Ephor. bei Diog. L. 1, 74. Pauſ. 5, 2, 4.
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[166/0196] von Anordnungen ergab. Er ſetzte darum ein peinli- ches Gericht 1 gegen Vergeuder des vaͤterlichen Ver- moͤgens nieder, weil dieſe leicht zu Neuerern umſchla- gen; er unterſagte maaßloſen Luxus und zu große Sklavenmenge. Muͤſſiggang daͤuchte ihm beſonders ge- faͤhrlich. So wenig blieb er den demokratiſchen Grund- ſaͤtzen ſeines Vater treu, daß er das Volk aus der Stadt trieb 2, und um es feſter an Land- und Hand- Arbeit zu gewoͤhnen, ihm nur Bauerntracht geſtattete 3. Er ſelbſt verſchwendete nicht, daher er keine andere Steuern bedurfte, als Hafenzoͤlle und Marktabgaben. Auch vermied er — wo ſeine Abſichten es nicht heiſch- ten — Gewaltthaͤtigkeit und offenbares Unrecht; ja mitunter machte er einen ſo ſtrengen Sittenrichter, daß er die zahlreichen Kupplerinnen der uͤppigen Korin- thos — die gaſtfreundlichen Maͤdchen der Aphrodite ſelbſt ſchuͤtzte Religion — erſaͤufen ließ 4. Wie ſeinem Vater, war auch ihm Aufſtellung glaͤnzender Kunſt- denkmaͤler 5 ein Mittel, das Vermoͤgen der Reichen zu beſchatzen, und die Maſſe zu beſchaͤftigen, wiewohl ſich auch ſein eigner gebildeter Sinn daran erfreute. Aber im Allgemeinen enthaͤlt, vom Standpunkte der Geſchmacks- und Geiſtesbildung, der Landeskultur und des Verkehrs betrachtet, die Zeit der Tyrannen einen ungemeinen Fortſchritt fuͤr Hellas. Der ſtarre Sinn, alter Sitte und alten Brauchs ſtrenger Bewahrer, wurde hier zuerſt gebeugt, und eine freiere, weitere Weltanſicht herrſchend. Die Tyrannen ſtehen haͤufig in enger Verbindung mit den Kleinaſiaten, die Sparta 1 βουλἡν ἐπ̕ ἐσχάτων Herakl. 2 Ebend. 3 Buch 3, 3. 4 Herakl. Oder iſt ſtatt πϱοαγωγοὶ etwa πϱοςαγωγοὶ (die πο- ταγωγὶδες Siciliens) zu ſchreiben? 5 Ueber die Koloſſe und Anatheme der Kypſeliden ſ. Ariſt. 5, 9, 2. Theophr. bei Phot. Ler. S. 143. Ephor. bei Diog. L. 1, 74. Pauſ. 5, 2, 4.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/196>, abgerufen am 29.11.2024.