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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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sische Erz, welches damals eben die Phokäer vom
gastlichen Könige Arganthonios in reichem Maaße nach
Griechenland gebracht hatten, bezeugen den lebhaften
Verkehr des Myron mit den Asiaten; wir werden den-
selben bei mehreren andern Tyrannen als nicht unwich-
tig für ihre Pläne wiederfinden. Kleisthenes scheint
nicht ohne Gewalt die Herrschaft gewonnen zu haben 1;
er hielt sie fest, indem er einerseits durch Kriegsruhm
und Waffenglanz die Scheu, andrerseits durch Demo-
kratisirung der Verfassung den Beifall des Volks er-
warb. Was das letztere betrift: werden die wunder-
lichen Veränderungen, die er mit den Sikyonischen
Stämmen vornahm, im dritten Buch erläutert werden.
Hieher gehört, daß Kleisthenes, der Orthagoride, selbst
dem unterworfenen, undorischen Stamme angehörte,
und indem er diesen zu erheben, zugleich die Dorischen
herabzuwürdigen, ja zu beschimpfen suchte, so daß er
alle Verhältnisse früherer Zeit gradezu umkehrte und
auf den Kopf stellte. Darum lag auch Kleisthenes mit
Argos, der Dorischen Hauptstadt in dieser Gegend, in
Streit und Krieg 2, aus demselben Grunde verbann-
te er den Heroendienst des Argivischen Adrastos, und
begünstigte dafür den Cultus des Dionysos, welcher
dem Dorismus fremd und minder zuträglich war; end-
lich untersagte er den Homerischen Rhapsoden den Zu-
tritt, weil Homer Argos feiert -- und die Aristokratie.
Diese in sich wohl zusammenhängenden Züge eines kek-
ken, durchgreifenden Sinnes treten aus der naiven Er-

1 Aristot. Pol. 5, 10, 3.
2 Herod. 5, 67.Argeioisi po-
lemesas. Vielleicht ist aus diesem Kriege der von den Argeiern
nach Olympia geweihte, von Morrit im Alpheios gefundene Helm
(mitgetheilt Classic. Journ. T. 1. p. 328. und Walpole Trav. S.
588. n. 53. vgl. Böckh zu Pind. Explic. p. 226.) TARG (ei)
OI ANEThEN TOI DIWI TON PhODINThOThEN.

ſiſche Erz, welches damals eben die Phokaͤer vom
gaſtlichen Koͤnige Arganthonios in reichem Maaße nach
Griechenland gebracht hatten, bezeugen den lebhaften
Verkehr des Myron mit den Aſiaten; wir werden den-
ſelben bei mehreren andern Tyrannen als nicht unwich-
tig fuͤr ihre Plaͤne wiederfinden. Kleiſthenes ſcheint
nicht ohne Gewalt die Herrſchaft gewonnen zu haben 1;
er hielt ſie feſt, indem er einerſeits durch Kriegsruhm
und Waffenglanz die Scheu, andrerſeits durch Demo-
kratiſirung der Verfaſſung den Beifall des Volks er-
warb. Was das letztere betrift: werden die wunder-
lichen Veraͤnderungen, die er mit den Sikyoniſchen
Staͤmmen vornahm, im dritten Buch erlaͤutert werden.
Hieher gehoͤrt, daß Kleiſthenes, der Orthagoride, ſelbſt
dem unterworfenen, undoriſchen Stamme angehoͤrte,
und indem er dieſen zu erheben, zugleich die Doriſchen
herabzuwuͤrdigen, ja zu beſchimpfen ſuchte, ſo daß er
alle Verhaͤltniſſe fruͤherer Zeit gradezu umkehrte und
auf den Kopf ſtellte. Darum lag auch Kleiſthenes mit
Argos, der Doriſchen Hauptſtadt in dieſer Gegend, in
Streit und Krieg 2, aus demſelben Grunde verbann-
te er den Heroendienſt des Argiviſchen Adraſtos, und
beguͤnſtigte dafuͤr den Cultus des Dionyſos, welcher
dem Dorismus fremd und minder zutraͤglich war; end-
lich unterſagte er den Homeriſchen Rhapſoden den Zu-
tritt, weil Homer Argos feiert — und die Ariſtokratie.
Dieſe in ſich wohl zuſammenhaͤngenden Zuͤge eines kek-
ken, durchgreifenden Sinnes treten aus der naiven Er-

1 Ariſtot. Pol. 5, 10, 3.
2 Herod. 5, 67.̓Αϱγείοισι πο-
λεμήσας. Vielleicht iſt aus dieſem Kriege der von den Argeiern
nach Olympia geweihte, von Morrit im Alpheios gefundene Helm
(mitgetheilt Classic. Journ. T. 1. p. 328. und Walpole Trav. S.
588. n. 53. vgl. Boͤckh zu Pind. Explic. p. 226.) ΤΑΡΓ (ει)
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[162/0192] ſiſche Erz, welches damals eben die Phokaͤer vom gaſtlichen Koͤnige Arganthonios in reichem Maaße nach Griechenland gebracht hatten, bezeugen den lebhaften Verkehr des Myron mit den Aſiaten; wir werden den- ſelben bei mehreren andern Tyrannen als nicht unwich- tig fuͤr ihre Plaͤne wiederfinden. Kleiſthenes ſcheint nicht ohne Gewalt die Herrſchaft gewonnen zu haben 1; er hielt ſie feſt, indem er einerſeits durch Kriegsruhm und Waffenglanz die Scheu, andrerſeits durch Demo- kratiſirung der Verfaſſung den Beifall des Volks er- warb. Was das letztere betrift: werden die wunder- lichen Veraͤnderungen, die er mit den Sikyoniſchen Staͤmmen vornahm, im dritten Buch erlaͤutert werden. Hieher gehoͤrt, daß Kleiſthenes, der Orthagoride, ſelbſt dem unterworfenen, undoriſchen Stamme angehoͤrte, und indem er dieſen zu erheben, zugleich die Doriſchen herabzuwuͤrdigen, ja zu beſchimpfen ſuchte, ſo daß er alle Verhaͤltniſſe fruͤherer Zeit gradezu umkehrte und auf den Kopf ſtellte. Darum lag auch Kleiſthenes mit Argos, der Doriſchen Hauptſtadt in dieſer Gegend, in Streit und Krieg 2, aus demſelben Grunde verbann- te er den Heroendienſt des Argiviſchen Adraſtos, und beguͤnſtigte dafuͤr den Cultus des Dionyſos, welcher dem Dorismus fremd und minder zutraͤglich war; end- lich unterſagte er den Homeriſchen Rhapſoden den Zu- tritt, weil Homer Argos feiert — und die Ariſtokratie. Dieſe in ſich wohl zuſammenhaͤngenden Zuͤge eines kek- ken, durchgreifenden Sinnes treten aus der naiven Er- 1 Ariſtot. Pol. 5, 10, 3. 2 Herod. 5, 67.̓Αϱγείοισι πο- λεμήσας. Vielleicht iſt aus dieſem Kriege der von den Argeiern nach Olympia geweihte, von Morrit im Alpheios gefundene Helm (mitgetheilt Classic. Journ. T. 1. p. 328. und Walpole Trav. S. 588. n. 53. vgl. Boͤckh zu Pind. Explic. p. 226.) ΤΑΡΓ (ει) ΟΙ ΑΝΕΘΕΝ ΤΟΙ ΔΙϜΙ ΤΟΝ ΦΟDΙΝΘΟΘΕΝ.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/192>, abgerufen am 23.11.2024.