Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.Die Bruchstücke und Anführungen aus seinen Liedern Muthvoll stehet im Kampf für die heimischen Fluren und sinket Niemals kargend mit Blut hin für die Kinder zum Tod 1. Aber da auch das Alterthum nicht sehr viel von Tyr- täos besaß, und des Geschichtlichen darin kaum viel mehr gewesen zu sein scheint, als wir noch daraus haben: woher nun die ganze Fülle der Erzählung, die Pausanias vor uns ausschüttet? Aus alten epischen Gedichten? Allein von diesen ist keine Meldung; und überhaupt lag der geschichtliche Stoff, wenn man ihn nicht ganz mythisch umbilden konnte, wie manche Grün- dungsgeschichten, durchaus außer dem Bereich der äl- teren Poesie. Wir mögen wohl zugeben, daß in den Naupaktien, die für die Mythengeschichte des Landes erwähnt werden 2, auch beiläufig geschichtliche Andeu- tungen gegeben sein konnten; vielleicht auch in Kinäthon, Eumelos: aber die Alten, die sehr aus ganzem Holz zu schneiden liebten, mühten sich wohl kaum derglei- chen heraus zu finden. Dagegen gab es eine Reihe tra- ditioneller Sagen, deren Charakter ein hohes Alter verbürgt. So die Messenische, daß Aristomenes drei Hekatomphonien oder Opfer für hundert erschlagene Feinde dargebracht 3; ob dabei Menschenopfer verrich- 1 Frank Callinus S. 153. leugnet die Aechtheit dieses Frag- ments bei Lykurg, aber höchst grundlos. 2 Paus. 4, 2, 1. 3 Plutarch Romul. 25. Sympos. Qu. 4, 1, 1. VII Sap. Conv.
16. Polyän 2, 31, 2. Plinius H. N. 11, 70. Die Bruchſtuͤcke und Anfuͤhrungen aus ſeinen Liedern Muthvoll ſtehet im Kampf fuͤr die heimiſchen Fluren und ſinket Niemals kargend mit Blut hin fuͤr die Kinder zum Tod 1. Aber da auch das Alterthum nicht ſehr viel von Tyr- taͤos beſaß, und des Geſchichtlichen darin kaum viel mehr geweſen zu ſein ſcheint, als wir noch daraus haben: woher nun die ganze Fuͤlle der Erzaͤhlung, die Pauſanias vor uns ausſchuͤttet? Aus alten epiſchen Gedichten? Allein von dieſen iſt keine Meldung; und uͤberhaupt lag der geſchichtliche Stoff, wenn man ihn nicht ganz mythiſch umbilden konnte, wie manche Gruͤn- dungsgeſchichten, durchaus außer dem Bereich der aͤl- teren Poëſie. Wir moͤgen wohl zugeben, daß in den Naupaktien, die fuͤr die Mythengeſchichte des Landes erwaͤhnt werden 2, auch beilaͤufig geſchichtliche Andeu- tungen gegeben ſein konnten; vielleicht auch in Kinaͤthon, Eumelos: aber die Alten, die ſehr aus ganzem Holz zu ſchneiden liebten, muͤhten ſich wohl kaum derglei- chen heraus zu finden. Dagegen gab es eine Reihe tra- ditioneller Sagen, deren Charakter ein hohes Alter verbuͤrgt. So die Meſſeniſche, daß Ariſtomenes drei Hekatomphonien oder Opfer fuͤr hundert erſchlagene Feinde dargebracht 3; ob dabei Menſchenopfer verrich- 1 Frank Callinus S. 153. leugnet die Aechtheit dieſes Frag- ments bei Lykurg, aber hoͤchſt grundlos. 2 Pauſ. 4, 2, 1. 3 Plutarch Romul. 25. Sympos. Qu. 4, 1, 1. VII Sap. Conv.
16. Polyaͤn 2, 31, 2. Plinius H. N. 11, 70. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0171" n="141"/> Die Bruchſtuͤcke und Anfuͤhrungen aus ſeinen Liedern<lb/> koͤnnen uns allein zu einer richtigen Kunde helfen. Und<lb/> ſchon in dieſen allein erſcheint mancher Umſtand in ei-<lb/> nem andern Lichte, als in dem Roman des Pauſanias.<lb/> In dieſem ſind nur die Spartiaten die Angreifenden,<lb/> nur die Meſſenier die Angegriffenen, aber auch jene<lb/> fuͤhrten den Krieg fuͤr den Beſitz der eigenen Heimat:<lb/><lg type="poem"><l>Muthvoll ſtehet im Kampf fuͤr die heimiſchen Fluren und ſinket</l><lb/><l>Niemals kargend mit Blut hin fuͤr die Kinder zum Tod <note place="foot" n="1">Frank <hi rendition="#aq">Callinus</hi> S. 153. leugnet die Aechtheit dieſes Frag-<lb/> ments bei Lykurg, aber hoͤchſt grundlos.</note>.</l></lg><lb/> Aber da auch das Alterthum nicht ſehr viel von Tyr-<lb/> taͤos beſaß, und des Geſchichtlichen darin kaum viel<lb/> mehr geweſen zu ſein ſcheint, als wir noch daraus<lb/> haben: woher nun die ganze Fuͤlle der Erzaͤhlung, <choice><sic>dle</sic><corr>die</corr></choice><lb/> Pauſanias vor uns ausſchuͤttet? Aus alten epiſchen<lb/> Gedichten? Allein von dieſen iſt keine Meldung; und<lb/> uͤberhaupt lag der geſchichtliche Stoff, wenn man ihn<lb/> nicht ganz mythiſch umbilden konnte, wie manche Gruͤn-<lb/> dungsgeſchichten, durchaus außer dem Bereich der aͤl-<lb/> teren Poëſie. Wir moͤgen wohl zugeben, daß in den<lb/> Naupaktien, die fuͤr die Mythengeſchichte des Landes<lb/> erwaͤhnt werden <note place="foot" n="2">Pauſ. 4, 2, 1.</note>, auch beilaͤufig geſchichtliche Andeu-<lb/> tungen gegeben ſein konnten; vielleicht auch in Kinaͤthon,<lb/> Eumelos: aber die Alten, die ſehr aus ganzem Holz<lb/> zu ſchneiden liebten, muͤhten ſich wohl kaum derglei-<lb/> chen heraus zu finden. Dagegen gab es eine Reihe tra-<lb/> ditioneller Sagen, deren Charakter ein hohes Alter<lb/> verbuͤrgt. So die Meſſeniſche, daß Ariſtomenes <hi rendition="#g">drei</hi><lb/> Hekatomphonien oder Opfer fuͤr hundert erſchlagene<lb/> Feinde dargebracht <note place="foot" n="3">Plutarch Romul. 25. <hi rendition="#aq">Sympos. Qu. 4, 1, 1. VII Sap. Conv.</hi><lb/> 16. Polyaͤn 2, 31, 2. Plinius <hi rendition="#aq">H. N.</hi> 11, 70.</note>; ob dabei Menſchenopfer verrich-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [141/0171]
Die Bruchſtuͤcke und Anfuͤhrungen aus ſeinen Liedern
koͤnnen uns allein zu einer richtigen Kunde helfen. Und
ſchon in dieſen allein erſcheint mancher Umſtand in ei-
nem andern Lichte, als in dem Roman des Pauſanias.
In dieſem ſind nur die Spartiaten die Angreifenden,
nur die Meſſenier die Angegriffenen, aber auch jene
fuͤhrten den Krieg fuͤr den Beſitz der eigenen Heimat:
Muthvoll ſtehet im Kampf fuͤr die heimiſchen Fluren und ſinket
Niemals kargend mit Blut hin fuͤr die Kinder zum Tod 1.
Aber da auch das Alterthum nicht ſehr viel von Tyr-
taͤos beſaß, und des Geſchichtlichen darin kaum viel
mehr geweſen zu ſein ſcheint, als wir noch daraus
haben: woher nun die ganze Fuͤlle der Erzaͤhlung, die
Pauſanias vor uns ausſchuͤttet? Aus alten epiſchen
Gedichten? Allein von dieſen iſt keine Meldung; und
uͤberhaupt lag der geſchichtliche Stoff, wenn man ihn
nicht ganz mythiſch umbilden konnte, wie manche Gruͤn-
dungsgeſchichten, durchaus außer dem Bereich der aͤl-
teren Poëſie. Wir moͤgen wohl zugeben, daß in den
Naupaktien, die fuͤr die Mythengeſchichte des Landes
erwaͤhnt werden 2, auch beilaͤufig geſchichtliche Andeu-
tungen gegeben ſein konnten; vielleicht auch in Kinaͤthon,
Eumelos: aber die Alten, die ſehr aus ganzem Holz
zu ſchneiden liebten, muͤhten ſich wohl kaum derglei-
chen heraus zu finden. Dagegen gab es eine Reihe tra-
ditioneller Sagen, deren Charakter ein hohes Alter
verbuͤrgt. So die Meſſeniſche, daß Ariſtomenes drei
Hekatomphonien oder Opfer fuͤr hundert erſchlagene
Feinde dargebracht 3; ob dabei Menſchenopfer verrich-
1 Frank Callinus S. 153. leugnet die Aechtheit dieſes Frag-
ments bei Lykurg, aber hoͤchſt grundlos.
2 Pauſ. 4, 2, 1.
3 Plutarch Romul. 25. Sympos. Qu. 4, 1, 1. VII Sap. Conv.
16. Polyaͤn 2, 31, 2. Plinius H. N. 11, 70.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |