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Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826.

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Seiten erhoben durch die Bewegung der Augen nach oben,
nach den Seiten.

65.

War das Blendungsbild einfach, d. h. entstand es durch
Affection identischer Theile der beiden Netzhäute, so wird es
auch bei allen Bewegungen der Augen einfach bleiben müssen,
weil das Verhältniß der Indentität in den Netzhäuten oder
subjectiven Sehfeldern durch alle relative Bewegung der
Augen nie verändert werden kann. Bei aller Bewegung
der beiden Augen kann sich nur ein einfaches Sehfeld mit
seinem einfachen Blendungsbild, aufwärts, abwärts, seit-
wärts bewegen. Aber das Blendungsbild kann nur in dem
Theile des Sehsinnsubstanz seinen Sitz haben, welcher bewegt
werden kann, welcher seine relative Lage zu dem Aeußern
verändern kann.

66.

Es ist zum Theil anders mit den phantastischen Bildern.
Ihr Vorkommen mit der Zerstörung des Auges beweißt schon,
daß sie in den tiefern unbeweglichen Theilen der Sehsinn-
substanz ihren Sitz haben. Auch habe ich bei geschlossenen
Augen nie bewirken können, daß sie sich mit den Augen
wie die Blendungsbilder bewegten. Sind phantastische Bil-
der im Sehfelde bei geöffneten Augen, so werden sie frei-
lich mit den objectiven Bildern in ein und dasselbe Sehfeld fal-
len, und hier müssen allerdings die phantastischen Bilder in
der Sehachse oder Mitte des subjectiven Sehfeldes mit den
Bildern der äußeren Gegenstände zusammenfallen, welche
wechselnd durch Bewegung der Augen in die Mitte des
Sehfeldes kommen.

67.

In der That diejenigen, welche phantastische Bil-
der im wachenden Zustande mit geöffneten Augen gese-

Seiten erhoben durch die Bewegung der Augen nach oben,
nach den Seiten.

65.

War das Blendungsbild einfach, d. h. entſtand es durch
Affection identiſcher Theile der beiden Netzhaͤute, ſo wird es
auch bei allen Bewegungen der Augen einfach bleiben muͤſſen,
weil das Verhaͤltniß der Indentitaͤt in den Netzhaͤuten oder
ſubjectiven Sehfeldern durch alle relative Bewegung der
Augen nie veraͤndert werden kann. Bei aller Bewegung
der beiden Augen kann ſich nur ein einfaches Sehfeld mit
ſeinem einfachen Blendungsbild, aufwaͤrts, abwaͤrts, ſeit-
waͤrts bewegen. Aber das Blendungsbild kann nur in dem
Theile des Sehſinnſubſtanz ſeinen Sitz haben, welcher bewegt
werden kann, welcher ſeine relative Lage zu dem Aeußern
veraͤndern kann.

66.

Es iſt zum Theil anders mit den phantaſtiſchen Bildern.
Ihr Vorkommen mit der Zerſtoͤrung des Auges beweißt ſchon,
daß ſie in den tiefern unbeweglichen Theilen der Sehſinn-
ſubſtanz ihren Sitz haben. Auch habe ich bei geſchloſſenen
Augen nie bewirken koͤnnen, daß ſie ſich mit den Augen
wie die Blendungsbilder bewegten. Sind phantaſtiſche Bil-
der im Sehfelde bei geoͤffneten Augen, ſo werden ſie frei-
lich mit den objectiven Bildern in ein und daſſelbe Sehfeld fal-
len, und hier muͤſſen allerdings die phantaſtiſchen Bilder in
der Sehachſe oder Mitte des ſubjectiven Sehfeldes mit den
Bildern der aͤußeren Gegenſtaͤnde zuſammenfallen, welche
wechſelnd durch Bewegung der Augen in die Mitte des
Sehfeldes kommen.

67.

In der That diejenigen, welche phantaſtiſche Bil-
der im wachenden Zuſtande mit geoͤffneten Augen geſe-

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[35/0051] Seiten erhoben durch die Bewegung der Augen nach oben, nach den Seiten. 65. War das Blendungsbild einfach, d. h. entſtand es durch Affection identiſcher Theile der beiden Netzhaͤute, ſo wird es auch bei allen Bewegungen der Augen einfach bleiben muͤſſen, weil das Verhaͤltniß der Indentitaͤt in den Netzhaͤuten oder ſubjectiven Sehfeldern durch alle relative Bewegung der Augen nie veraͤndert werden kann. Bei aller Bewegung der beiden Augen kann ſich nur ein einfaches Sehfeld mit ſeinem einfachen Blendungsbild, aufwaͤrts, abwaͤrts, ſeit- waͤrts bewegen. Aber das Blendungsbild kann nur in dem Theile des Sehſinnſubſtanz ſeinen Sitz haben, welcher bewegt werden kann, welcher ſeine relative Lage zu dem Aeußern veraͤndern kann. 66. Es iſt zum Theil anders mit den phantaſtiſchen Bildern. Ihr Vorkommen mit der Zerſtoͤrung des Auges beweißt ſchon, daß ſie in den tiefern unbeweglichen Theilen der Sehſinn- ſubſtanz ihren Sitz haben. Auch habe ich bei geſchloſſenen Augen nie bewirken koͤnnen, daß ſie ſich mit den Augen wie die Blendungsbilder bewegten. Sind phantaſtiſche Bil- der im Sehfelde bei geoͤffneten Augen, ſo werden ſie frei- lich mit den objectiven Bildern in ein und daſſelbe Sehfeld fal- len, und hier muͤſſen allerdings die phantaſtiſchen Bilder in der Sehachſe oder Mitte des ſubjectiven Sehfeldes mit den Bildern der aͤußeren Gegenſtaͤnde zuſammenfallen, welche wechſelnd durch Bewegung der Augen in die Mitte des Sehfeldes kommen. 67. In der That diejenigen, welche phantaſtiſche Bil- der im wachenden Zuſtande mit geoͤffneten Augen geſe-

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Zitationshilfe: Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_gesichtserscheinungen_1826/51>, abgerufen am 02.05.2024.