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Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826.

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tion als Licht oder Farbe zu sehen, so müssen auch alle
inneren organischen Reize, von verschiedenen Organen aus-
gehend, auf die Sehsinnsubstanz durch Sympathie ver-
pflanzt, Lichterscheinungen in dieser hervorbringen. Je-
der Zustand jedes Organes ist dem Sinnesorgan, auf
dieses verpflanzt, ein Aeußerliches, was es nur in seiner
eigenen Energie empfinden kann. Die Sehsinnsubstanz
geräth durch Sympathie mit erethischen oder atonischen an-
dern Organen in sympathischen Cerethismus oder Ato-
nie. Atonie und Erethismus äußern sich in ihr nur dun-
kel und licht.

22.

Hysterische, hypochondrische Personen sehen Nebel, Spinn-
gewebe, Gitterwerk und die durch Purkinje näher bekannt
gewordenen subjectiven Druckbilder, wenn ihre Verdauung oder
eine andere Function gestört ist. Im höchsten Grade haben diese
sympathischen Erregungen der Sehsinnsubstanz zur Lichtem-
pfindung in den krankhaften Zuständen des Gehirns statt.
Der Druck auf das bloßgelegte Gehirn ist dem Organ als
sympathische Affection genug zur Lichtempfindung. Die
mechanische Reizung eines Theiles des Gehirns empfin-
det das Organ leuchtend. Die Photopsie in so manchen
Krankheiten des Gehirns beruht nur auf Reizung der Seh-
sinnsubstanz durch innere organische Reize.

23.

Zur Zeit als ich mich sehr viel mit der Wiederhohlung
und Erweiterung der Versuche über die von Purkinje nä-
her beschriebenen subjectiven Gesichtserscheinungen beschäff-
tigte, sah ich, wenn ich bei geschlossenen Augen lange Zeit das
dunkle Sehfeld beobachtet hatte, oft ein schwaches Licht von
einem Punkte aus rhythmisch sich über das Sehfeld verbreiten
und wieder verschwinden. Diese Lichterscheinung war mit

tion als Licht oder Farbe zu ſehen, ſo muͤſſen auch alle
inneren organiſchen Reize, von verſchiedenen Organen aus-
gehend, auf die Sehſinnſubſtanz durch Sympathie ver-
pflanzt, Lichterſcheinungen in dieſer hervorbringen. Je-
der Zuſtand jedes Organes iſt dem Sinnesorgan, auf
dieſes verpflanzt, ein Aeußerliches, was es nur in ſeiner
eigenen Energie empfinden kann. Die Sehſinnſubſtanz
geraͤth durch Sympathie mit erethiſchen oder atoniſchen an-
dern Organen in ſympathiſchen Cerethismus oder Ato-
nie. Atonie und Erethismus aͤußern ſich in ihr nur dun-
kel und licht.

22.

Hyſteriſche, hypochondriſche Perſonen ſehen Nebel, Spinn-
gewebe, Gitterwerk und die durch Purkinje naͤher bekannt
gewordenen ſubjectiven Druckbilder, wenn ihre Verdauung oder
eine andere Function geſtoͤrt iſt. Im hoͤchſten Grade haben dieſe
ſympathiſchen Erregungen der Sehſinnſubſtanz zur Lichtem-
pfindung in den krankhaften Zuſtaͤnden des Gehirns ſtatt.
Der Druck auf das bloßgelegte Gehirn iſt dem Organ als
ſympathiſche Affection genug zur Lichtempfindung. Die
mechaniſche Reizung eines Theiles des Gehirns empfin-
det das Organ leuchtend. Die Photopſie in ſo manchen
Krankheiten des Gehirns beruht nur auf Reizung der Seh-
ſinnſubſtanz durch innere organiſche Reize.

23.

Zur Zeit als ich mich ſehr viel mit der Wiederhohlung
und Erweiterung der Verſuche uͤber die von Purkinje naͤ-
her beſchriebenen ſubjectiven Geſichtserſcheinungen beſchaͤff-
tigte, ſah ich, wenn ich bei geſchloſſenen Augen lange Zeit das
dunkle Sehfeld beobachtet hatte, oft ein ſchwaches Licht von
einem Punkte aus rhythmiſch ſich uͤber das Sehfeld verbreiten
und wieder verſchwinden. Dieſe Lichterſcheinung war mit

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[15/0031] tion als Licht oder Farbe zu ſehen, ſo muͤſſen auch alle inneren organiſchen Reize, von verſchiedenen Organen aus- gehend, auf die Sehſinnſubſtanz durch Sympathie ver- pflanzt, Lichterſcheinungen in dieſer hervorbringen. Je- der Zuſtand jedes Organes iſt dem Sinnesorgan, auf dieſes verpflanzt, ein Aeußerliches, was es nur in ſeiner eigenen Energie empfinden kann. Die Sehſinnſubſtanz geraͤth durch Sympathie mit erethiſchen oder atoniſchen an- dern Organen in ſympathiſchen Cerethismus oder Ato- nie. Atonie und Erethismus aͤußern ſich in ihr nur dun- kel und licht. 22. Hyſteriſche, hypochondriſche Perſonen ſehen Nebel, Spinn- gewebe, Gitterwerk und die durch Purkinje naͤher bekannt gewordenen ſubjectiven Druckbilder, wenn ihre Verdauung oder eine andere Function geſtoͤrt iſt. Im hoͤchſten Grade haben dieſe ſympathiſchen Erregungen der Sehſinnſubſtanz zur Lichtem- pfindung in den krankhaften Zuſtaͤnden des Gehirns ſtatt. Der Druck auf das bloßgelegte Gehirn iſt dem Organ als ſympathiſche Affection genug zur Lichtempfindung. Die mechaniſche Reizung eines Theiles des Gehirns empfin- det das Organ leuchtend. Die Photopſie in ſo manchen Krankheiten des Gehirns beruht nur auf Reizung der Seh- ſinnſubſtanz durch innere organiſche Reize. 23. Zur Zeit als ich mich ſehr viel mit der Wiederhohlung und Erweiterung der Verſuche uͤber die von Purkinje naͤ- her beſchriebenen ſubjectiven Geſichtserſcheinungen beſchaͤff- tigte, ſah ich, wenn ich bei geſchloſſenen Augen lange Zeit das dunkle Sehfeld beobachtet hatte, oft ein ſchwaches Licht von einem Punkte aus rhythmiſch ſich uͤber das Sehfeld verbreiten und wieder verſchwinden. Dieſe Lichterſcheinung war mit

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Zitationshilfe: Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_gesichtserscheinungen_1826/31>, abgerufen am 16.04.2024.