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Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826.

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Ueber die phantastischen Gesichts-
erscheinungen
.


I. Einleitung.
1.

Wenn jemand den Fortgang der physiologischen Lehren
in der Geschichte verfolgt, wird sich ihm die Erkenntniß
oft wiederhohlen, daß die theoretischen Irrthümer in
dieser Wissenschaft meist nur darauf beruhen, daß man die
Erklärungsgründe aus andern Gebieten der Naturwissen-
schaft übertragend auf den Organismus anwandte. Es
giebt fast keine große Entdeckung eines allgemein wirkenden
Wesens in der Natur, die nicht sofort das Princip für das
Leben der organischen Welt für eine Zeitlang gegeben hätte.
Und gleichwohl läßt sich schon auf bloßem Erfahrungswege die
Wirksamkeit der organischen Wesen von jeder andern auf
eine so scharfe Weise trennen, daß wer jemals diesen Un-
terschied klar gefaßt, für immer behütet seyn wird, Erklä-
rungen aus der Physik und Chemie, welche auf das Leben der
Organismen angewandt werden, für Erkenntniß dieses
Lebens selbst zu halten.


Ueber die phantaſtiſchen Geſichts-
erſcheinungen
.


I. Einleitung.
1.

Wenn jemand den Fortgang der phyſiologiſchen Lehren
in der Geſchichte verfolgt, wird ſich ihm die Erkenntniß
oft wiederhohlen, daß die theoretiſchen Irrthuͤmer in
dieſer Wiſſenſchaft meiſt nur darauf beruhen, daß man die
Erklaͤrungsgruͤnde aus andern Gebieten der Naturwiſſen-
ſchaft uͤbertragend auf den Organismus anwandte. Es
giebt faſt keine große Entdeckung eines allgemein wirkenden
Weſens in der Natur, die nicht ſofort das Princip fuͤr das
Leben der organiſchen Welt fuͤr eine Zeitlang gegeben haͤtte.
Und gleichwohl laͤßt ſich ſchon auf bloßem Erfahrungswege die
Wirkſamkeit der organiſchen Weſen von jeder andern auf
eine ſo ſcharfe Weiſe trennen, daß wer jemals dieſen Un-
terſchied klar gefaßt, fuͤr immer behuͤtet ſeyn wird, Erklaͤ-
rungen aus der Phyſik und Chemie, welche auf das Leben der
Organismen angewandt werden, fuͤr Erkenntniß dieſes
Lebens ſelbſt zu halten.


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[3/0019] Ueber die phantaſtiſchen Geſichts- erſcheinungen. I. Einleitung. 1. Wenn jemand den Fortgang der phyſiologiſchen Lehren in der Geſchichte verfolgt, wird ſich ihm die Erkenntniß oft wiederhohlen, daß die theoretiſchen Irrthuͤmer in dieſer Wiſſenſchaft meiſt nur darauf beruhen, daß man die Erklaͤrungsgruͤnde aus andern Gebieten der Naturwiſſen- ſchaft uͤbertragend auf den Organismus anwandte. Es giebt faſt keine große Entdeckung eines allgemein wirkenden Weſens in der Natur, die nicht ſofort das Princip fuͤr das Leben der organiſchen Welt fuͤr eine Zeitlang gegeben haͤtte. Und gleichwohl laͤßt ſich ſchon auf bloßem Erfahrungswege die Wirkſamkeit der organiſchen Weſen von jeder andern auf eine ſo ſcharfe Weiſe trennen, daß wer jemals dieſen Un- terſchied klar gefaßt, fuͤr immer behuͤtet ſeyn wird, Erklaͤ- rungen aus der Phyſik und Chemie, welche auf das Leben der Organismen angewandt werden, fuͤr Erkenntniß dieſes Lebens ſelbſt zu halten.

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Zitationshilfe: Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_gesichtserscheinungen_1826/19>, abgerufen am 28.03.2024.