Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Adam Heinrich: Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besonderer Rücksicht auf Großbritannien. Leipzig u. a., 1816.

Bild:
<< vorherige Seite

einem gemeinschaftlichen Mittelpunct convergiren *). Derge-
stalt werden nun alle diese verschiedenen Linien zu den Ra-
dien einer Kugel, welche die Haushaltung eines Staates
unter allen gedenkbaren Figuren am richtigsten abbildet.
Wenn es dagegen erlaubt ist, den Theorien unserer Zeit,
die in ihren durcheinander schwelgenden Widersprüchen ei-
gentlich kein einziges bleibendes und festzuhaltendes Kenn-
zeichen aufkommen lassen, ein mathematisches Schema un-
terzulegen, so möchte ich in ihren vorwalteten Grundsätzen
über die Richtungen der ökonomischen Thätigkeiten die Pa-
rallellinien des Euklides wieder erkennen: die Kräfte könnten
nach ihnen in alle Ewigkeit neben einander fortlaufen und
wettlaufen, ohne sich je zu berühren oder in dem präsumirten
Ziele zusammen zu treffen.

Jedermann steht hierbey ein, daß die Größe und die
Menge der Thätigkeiten gar nicht in Betracht kam. Sind die

*) Eine gerade Linie individualisirt sich, wird zur be-
stimmten Linie, nur durch eine andere auf sie in Beziehung
gesetzte, das heißt: mit ihr in der Verlängerung convergi-
rende Linie.
Meistentheils vergessen wir, daß der Rand der Tafel oder
des Papiers, worauf wir unsere Linie verzeichnen, diese
Linie schon individualisirt, oder die Antilinie darbiethet,
durch die sie erst zu einer Linie wird, und so übersehen wir
den wichtigsten Umstand in der Geometrie, daß es nähmlich
zwey Linien geben müsse, damit eine. Daher die Unmöglichkeit
die Parallellinien auf dem gewöhnlichen Wege zu demonstri-
ren. Es sind identische Linien, wie sich ausweist, wenn sie,
wie beym Euklides geschehen, durch eine dritte convergirende
Linie individualisirt werden.

einem gemeinſchaftlichen Mittelpunct convergiren *). Derge-
ſtalt werden nun alle dieſe verſchiedenen Linien zu den Ra-
dien einer Kugel, welche die Haushaltung eines Staates
unter allen gedenkbaren Figuren am richtigſten abbildet.
Wenn es dagegen erlaubt iſt, den Theorien unſerer Zeit,
die in ihren durcheinander ſchwelgenden Widerſpruͤchen ei-
gentlich kein einziges bleibendes und feſtzuhaltendes Kenn-
zeichen aufkommen laſſen, ein mathematiſches Schema un-
terzulegen, ſo moͤchte ich in ihren vorwalteten Grundſaͤtzen
uͤber die Richtungen der oͤkonomiſchen Thaͤtigkeiten die Pa-
rallellinien des Euklides wieder erkennen: die Kraͤfte koͤnnten
nach ihnen in alle Ewigkeit neben einander fortlaufen und
wettlaufen, ohne ſich je zu beruͤhren oder in dem praͤſumirten
Ziele zuſammen zu treffen.

Jedermann ſteht hierbey ein, daß die Groͤße und die
Menge der Thaͤtigkeiten gar nicht in Betracht kam. Sind die

*) Eine gerade Linie individualiſirt ſich, wird zur be-
ſtimmten Linie, nur durch eine andere auf ſie in Beziehung
geſetzte, das heißt: mit ihr in der Verlaͤngerung convergi-
rende Linie.
Meiſtentheils vergeſſen wir, daß der Rand der Tafel oder
des Papiers, worauf wir unſere Linie verzeichnen, dieſe
Linie ſchon individualiſirt, oder die Antilinie darbiethet,
durch die ſie erſt zu einer Linie wird, und ſo uͤberſehen wir
den wichtigſten Umſtand in der Geometrie, daß es naͤhmlich
zwey Linien geben muͤſſe, damit eine. Daher die Unmoͤglichkeit
die Parallellinien auf dem gewoͤhnlichen Wege zu demonſtri-
ren. Es ſind identiſche Linien, wie ſich ausweiſt, wenn ſie,
wie beym Euklides geſchehen, durch eine dritte convergirende
Linie individualiſirt werden.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0084" n="70"/>
einem gemein&#x017F;chaftlichen Mittelpunct convergiren <note place="foot" n="*)">Eine gerade Linie individuali&#x017F;irt &#x017F;ich, wird zur be-<lb/>
&#x017F;timmten Linie, nur durch eine andere auf &#x017F;ie in Beziehung<lb/>
ge&#x017F;etzte, das heißt: mit ihr in der Verla&#x0364;ngerung convergi-<lb/>
rende Linie.<lb/>
Mei&#x017F;tentheils verge&#x017F;&#x017F;en wir, daß der Rand der Tafel oder<lb/>
des Papiers, worauf wir un&#x017F;ere Linie verzeichnen, die&#x017F;e<lb/>
Linie &#x017F;chon individuali&#x017F;irt, oder die Antilinie darbiethet,<lb/>
durch die &#x017F;ie er&#x017F;t zu einer Linie wird, und &#x017F;o u&#x0364;ber&#x017F;ehen wir<lb/>
den wichtig&#x017F;ten Um&#x017F;tand in der Geometrie, daß es na&#x0364;hmlich<lb/>
zwey Linien geben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, damit eine. Daher die Unmo&#x0364;glichkeit<lb/>
die Parallellinien auf dem gewo&#x0364;hnlichen Wege zu demon&#x017F;tri-<lb/>
ren. Es &#x017F;ind identi&#x017F;che Linien, wie &#x017F;ich auswei&#x017F;t, wenn &#x017F;ie,<lb/>
wie beym <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118638955">Euklides</persName> ge&#x017F;chehen, durch eine dritte convergirende<lb/>
Linie individuali&#x017F;irt werden.</note>. Derge-<lb/>
&#x017F;talt werden nun alle die&#x017F;e ver&#x017F;chiedenen Linien zu den Ra-<lb/>
dien einer Kugel, welche die Haushaltung eines Staates<lb/>
unter allen gedenkbaren Figuren am richtig&#x017F;ten abbildet.<lb/>
Wenn es dagegen erlaubt i&#x017F;t, den Theorien un&#x017F;erer Zeit,<lb/>
die in ihren durcheinander &#x017F;chwelgenden Wider&#x017F;pru&#x0364;chen ei-<lb/>
gentlich kein einziges bleibendes und fe&#x017F;tzuhaltendes Kenn-<lb/>
zeichen aufkommen la&#x017F;&#x017F;en, ein mathemati&#x017F;ches Schema un-<lb/>
terzulegen, &#x017F;o mo&#x0364;chte ich in ihren vorwalteten Grund&#x017F;a&#x0364;tzen<lb/>
u&#x0364;ber die Richtungen der o&#x0364;konomi&#x017F;chen Tha&#x0364;tigkeiten die Pa-<lb/>
rallellinien des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118638955">Euklides</persName> wieder erkennen: die Kra&#x0364;fte ko&#x0364;nnten<lb/>
nach ihnen in alle Ewigkeit neben einander fortlaufen und<lb/>
wettlaufen, ohne &#x017F;ich je zu beru&#x0364;hren oder in dem pra&#x0364;&#x017F;umirten<lb/>
Ziele zu&#x017F;ammen zu treffen.</p><lb/>
          <p>Jedermann &#x017F;teht hierbey ein, daß die Gro&#x0364;ße und die<lb/>
Menge der Tha&#x0364;tigkeiten gar nicht in Betracht kam. Sind die<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[70/0084] einem gemeinſchaftlichen Mittelpunct convergiren *). Derge- ſtalt werden nun alle dieſe verſchiedenen Linien zu den Ra- dien einer Kugel, welche die Haushaltung eines Staates unter allen gedenkbaren Figuren am richtigſten abbildet. Wenn es dagegen erlaubt iſt, den Theorien unſerer Zeit, die in ihren durcheinander ſchwelgenden Widerſpruͤchen ei- gentlich kein einziges bleibendes und feſtzuhaltendes Kenn- zeichen aufkommen laſſen, ein mathematiſches Schema un- terzulegen, ſo moͤchte ich in ihren vorwalteten Grundſaͤtzen uͤber die Richtungen der oͤkonomiſchen Thaͤtigkeiten die Pa- rallellinien des Euklides wieder erkennen: die Kraͤfte koͤnnten nach ihnen in alle Ewigkeit neben einander fortlaufen und wettlaufen, ohne ſich je zu beruͤhren oder in dem praͤſumirten Ziele zuſammen zu treffen. Jedermann ſteht hierbey ein, daß die Groͤße und die Menge der Thaͤtigkeiten gar nicht in Betracht kam. Sind die *) Eine gerade Linie individualiſirt ſich, wird zur be- ſtimmten Linie, nur durch eine andere auf ſie in Beziehung geſetzte, das heißt: mit ihr in der Verlaͤngerung convergi- rende Linie. Meiſtentheils vergeſſen wir, daß der Rand der Tafel oder des Papiers, worauf wir unſere Linie verzeichnen, dieſe Linie ſchon individualiſirt, oder die Antilinie darbiethet, durch die ſie erſt zu einer Linie wird, und ſo uͤberſehen wir den wichtigſten Umſtand in der Geometrie, daß es naͤhmlich zwey Linien geben muͤſſe, damit eine. Daher die Unmoͤglichkeit die Parallellinien auf dem gewoͤhnlichen Wege zu demonſtri- ren. Es ſind identiſche Linien, wie ſich ausweiſt, wenn ſie, wie beym Euklides geſchehen, durch eine dritte convergirende Linie individualiſirt werden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816/84
Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besonderer Rücksicht auf Großbritannien. Leipzig u. a., 1816. , S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816/84>, abgerufen am 26.11.2024.