des Gesetzes; so wird erst das Gesetz zum Rechte: und dieses Recht mag dann auch immerhin rechtlich erzwungen werden. --
Die einzige Staatsform, welche die cursirenden Staats- lehren statuiren, ist der Despotismus, wie sehr sie ihn auch dämpfen wollen, dadurch, daß sie die gesetzgebende Macht und ihre Mittel, die Rede- und Preßfreyheit, dem Volke anvertrauen, und somit die ganze Staatsgewalt wieder als ein idealisches Privateigenthum dem Volke unterwerfen. Könnte sich das Volk auch wirklich als oberster Privateigen- thümer der Staatsgewalt, und dadurch seiner selbst constitui- ren, so hätten wir nur die alte Fabel: ein Riese trägt die Erde, der Elephant den Riesen, den Elephanten eine Schild- kröte u. s. f. und beym Despotismus bliebe es: wer ihn ausübte, wäre gleichgültig.
Die Freyheit ist also nur, wo Wechselverpflichtungen sind; wo mehrere Arten des Eigenthums sich unter einander zugleich dämpfen und verbürgen; wo das Privatrecht an allen Stellen durch einen echten Feudalismus gemäßigt ist. Denn gesetzt auch, eine milde und menschliche, aber auf Römischen Princi- pien beruhende Staatsgewalt, wüßte innerhalb des eisernen Bandes, allen Zwang so zu vermenschlichen, daß das Leben wirklich nach Freyheit schmeckte, so bleibt diese Freyheit vor dem Gesetz, wenn sie auf dem unbedingten Privateigenthum errichtet wird, doch nur ein vorübergehender Euphemismus; bey dem ersten Stoß eines auswärtigen Siegers wird die Ge- brechlichkeit der Sache weltkundig werden, und man wird das Kind bey seinem wahren Nahmen nennen.
des Geſetzes; ſo wird erſt das Geſetz zum Rechte: und dieſes Recht mag dann auch immerhin rechtlich erzwungen werden. —
Die einzige Staatsform, welche die curſirenden Staats- lehren ſtatuiren, iſt der Despotismus, wie ſehr ſie ihn auch daͤmpfen wollen, dadurch, daß ſie die geſetzgebende Macht und ihre Mittel, die Rede- und Preßfreyheit, dem Volke anvertrauen, und ſomit die ganze Staatsgewalt wieder als ein idealiſches Privateigenthum dem Volke unterwerfen. Koͤnnte ſich das Volk auch wirklich als oberſter Privateigen- thuͤmer der Staatsgewalt, und dadurch ſeiner ſelbſt conſtitui- ren, ſo haͤtten wir nur die alte Fabel: ein Rieſe traͤgt die Erde, der Elephant den Rieſen, den Elephanten eine Schild- kroͤte u. ſ. f. und beym Despotismus bliebe es: wer ihn ausuͤbte, waͤre gleichguͤltig.
Die Freyheit iſt alſo nur, wo Wechſelverpflichtungen ſind; wo mehrere Arten des Eigenthums ſich unter einander zugleich daͤmpfen und verbuͤrgen; wo das Privatrecht an allen Stellen durch einen echten Feudalismus gemaͤßigt iſt. Denn geſetzt auch, eine milde und menſchliche, aber auf Roͤmiſchen Princi- pien beruhende Staatsgewalt, wuͤßte innerhalb des eiſernen Bandes, allen Zwang ſo zu vermenſchlichen, daß das Leben wirklich nach Freyheit ſchmeckte, ſo bleibt dieſe Freyheit vor dem Geſetz, wenn ſie auf dem unbedingten Privateigenthum errichtet wird, doch nur ein voruͤbergehender Euphemismus; bey dem erſten Stoß eines auswaͤrtigen Siegers wird die Ge- brechlichkeit der Sache weltkundig werden, und man wird das Kind bey ſeinem wahren Nahmen nennen.
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des Geſetzes; ſo wird erſt das Geſetz zum Rechte: und
dieſes Recht mag dann auch immerhin rechtlich erzwungen
werden. —
Die einzige Staatsform, welche die curſirenden Staats-
lehren ſtatuiren, iſt der Despotismus, wie ſehr ſie ihn auch
daͤmpfen wollen, dadurch, daß ſie die geſetzgebende Macht
und ihre Mittel, die Rede- und Preßfreyheit, dem Volke
anvertrauen, und ſomit die ganze Staatsgewalt wieder als
ein idealiſches Privateigenthum dem Volke unterwerfen.
Koͤnnte ſich das Volk auch wirklich als oberſter Privateigen-
thuͤmer der Staatsgewalt, und dadurch ſeiner ſelbſt conſtitui-
ren, ſo haͤtten wir nur die alte Fabel: ein Rieſe traͤgt die
Erde, der Elephant den Rieſen, den Elephanten eine Schild-
kroͤte u. ſ. f. und beym Despotismus bliebe es: wer ihn
ausuͤbte, waͤre gleichguͤltig.
Die Freyheit iſt alſo nur, wo Wechſelverpflichtungen ſind;
wo mehrere Arten des Eigenthums ſich unter einander zugleich
daͤmpfen und verbuͤrgen; wo das Privatrecht an allen Stellen
durch einen echten Feudalismus gemaͤßigt iſt. Denn geſetzt
auch, eine milde und menſchliche, aber auf Roͤmiſchen Princi-
pien beruhende Staatsgewalt, wuͤßte innerhalb des eiſernen
Bandes, allen Zwang ſo zu vermenſchlichen, daß das Leben
wirklich nach Freyheit ſchmeckte, ſo bleibt dieſe Freyheit vor
dem Geſetz, wenn ſie auf dem unbedingten Privateigenthum
errichtet wird, doch nur ein voruͤbergehender Euphemismus;
bey dem erſten Stoß eines auswaͤrtigen Siegers wird die Ge-
brechlichkeit der Sache weltkundig werden, und man wird
das Kind bey ſeinem wahren Nahmen nennen.
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Müller, Adam Heinrich: Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besonderer Rücksicht auf Großbritannien. Leipzig u. a., 1816. , S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816/43>, abgerufen am 08.07.2024.
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