Wie nun die Klage über die unverhältnißmäßige Menge der Geldzeichen immer andeutet, daß auch wieder ein Man- gel an diesen Geldzeichen Statt findet, was sich schon in dem hohen Diskont der Wechsel äußert, welcher jenen Ueberfluß allezeit zu begleiten pflegt -- so ist andererseits die Klage über die unverhältnißmäßige Theurung der Produkte und Lebens- bedürfnisse, ein Zeichen des relativen Ueberflusses derselben: wären Geld und Produkte gleichförmig und verhältnißmäßig vertheilt nach Maaßgabe des Bedürfnisses, so würden beyder- ley Klagen nicht Statt finden: die verhältnißmäßige Ver- theilung aber kann nur dauerhaft Statt finden, in wie fern alle Kräfte, die arbeitenden wie die bedürfenden sphärisch und harmonisch geordnet sind, das heißt: in wie fern alles Einzelne in gerechter Beziehung auf das Ganze oder auf den Mittelpunct steht.
Wenn nun ein und derselbige Staatsbürger mit einem Athemzuge klagt: 1) über den Ueberfluß des Geldes, 2) über den Geldmangel, 3) über die Theurung der Produkte, 4) über den Vorrath der Produkte und die Ueberfüllung des Marktes mit Waaren -- so leuchtet ein, daß in den Größen, in den Summen und Massen an sich der Fehler nicht liegen könne, daß es einen tieferen Grund des Uebels geben, daß nicht in den Sachen sondern in den Personen, nicht in der circulirenden Materie der Waaren oder des Geldes, sondern in dem Organismus des Trägers dieser Materie, dem Grunde der unglücklichen Erscheinung nachgespürt werden müsse. So lange man ausschließend das arithmetische Verhältniß der Waaren und Geldzeichen ins Auge faßt, und die Persönlichkeit
Wie nun die Klage uͤber die unverhaͤltnißmaͤßige Menge der Geldzeichen immer andeutet, daß auch wieder ein Man- gel an dieſen Geldzeichen Statt findet, was ſich ſchon in dem hohen Diskont der Wechſel aͤußert, welcher jenen Ueberfluß allezeit zu begleiten pflegt — ſo iſt andererſeits die Klage uͤber die unverhaͤltnißmaͤßige Theurung der Produkte und Lebens- beduͤrfniſſe, ein Zeichen des relativen Ueberfluſſes derſelben: waͤren Geld und Produkte gleichfoͤrmig und verhaͤltnißmaͤßig vertheilt nach Maaßgabe des Beduͤrfniſſes, ſo wuͤrden beyder- ley Klagen nicht Statt finden: die verhaͤltnißmaͤßige Ver- theilung aber kann nur dauerhaft Statt finden, in wie fern alle Kraͤfte, die arbeitenden wie die beduͤrfenden ſphaͤriſch und harmoniſch geordnet ſind, das heißt: in wie fern alles Einzelne in gerechter Beziehung auf das Ganze oder auf den Mittelpunct ſteht.
Wenn nun ein und derſelbige Staatsbuͤrger mit einem Athemzuge klagt: 1) uͤber den Ueberfluß des Geldes, 2) uͤber den Geldmangel, 3) uͤber die Theurung der Produkte, 4) uͤber den Vorrath der Produkte und die Ueberfuͤllung des Marktes mit Waaren — ſo leuchtet ein, daß in den Groͤßen, in den Summen und Maſſen an ſich der Fehler nicht liegen koͤnne, daß es einen tieferen Grund des Uebels geben, daß nicht in den Sachen ſondern in den Perſonen, nicht in der circulirenden Materie der Waaren oder des Geldes, ſondern in dem Organismus des Traͤgers dieſer Materie, dem Grunde der ungluͤcklichen Erſcheinung nachgeſpuͤrt werden muͤſſe. So lange man ausſchließend das arithmetiſche Verhaͤltniß der Waaren und Geldzeichen ins Auge faßt, und die Perſoͤnlichkeit
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Wie nun die Klage uͤber die unverhaͤltnißmaͤßige Menge
der Geldzeichen immer andeutet, daß auch wieder ein Man-
gel an dieſen Geldzeichen Statt findet, was ſich ſchon in dem
hohen Diskont der Wechſel aͤußert, welcher jenen Ueberfluß
allezeit zu begleiten pflegt — ſo iſt andererſeits die Klage
uͤber die unverhaͤltnißmaͤßige Theurung der Produkte und Lebens-
beduͤrfniſſe, ein Zeichen des relativen Ueberfluſſes derſelben:
waͤren Geld und Produkte gleichfoͤrmig und verhaͤltnißmaͤßig
vertheilt nach Maaßgabe des Beduͤrfniſſes, ſo wuͤrden beyder-
ley Klagen nicht Statt finden: die verhaͤltnißmaͤßige Ver-
theilung aber kann nur dauerhaft Statt finden, in wie fern
alle Kraͤfte, die arbeitenden wie die beduͤrfenden ſphaͤriſch
und harmoniſch geordnet ſind, das heißt: in wie fern alles
Einzelne in gerechter Beziehung auf das Ganze oder auf den
Mittelpunct ſteht.
Wenn nun ein und derſelbige Staatsbuͤrger mit einem
Athemzuge klagt: 1) uͤber den Ueberfluß des Geldes, 2) uͤber
den Geldmangel, 3) uͤber die Theurung der Produkte,
4) uͤber den Vorrath der Produkte und die Ueberfuͤllung des
Marktes mit Waaren — ſo leuchtet ein, daß in den Groͤßen,
in den Summen und Maſſen an ſich der Fehler nicht liegen
koͤnne, daß es einen tieferen Grund des Uebels geben, daß
nicht in den Sachen ſondern in den Perſonen, nicht in der
circulirenden Materie der Waaren oder des Geldes, ſondern
in dem Organismus des Traͤgers dieſer Materie, dem Grunde
der ungluͤcklichen Erſcheinung nachgeſpuͤrt werden muͤſſe. So
lange man ausſchließend das arithmetiſche Verhaͤltniß der
Waaren und Geldzeichen ins Auge faßt, und die Perſoͤnlichkeit
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Müller, Adam Heinrich: Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besonderer Rücksicht auf Großbritannien. Leipzig u. a., 1816. , S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816/311>, abgerufen am 24.11.2024.
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