Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.als meine Augen dem Hotel des spanischen Gesandten begegneten. Hat Ihnen denn der Doctor das kleine Buch nicht gezeigt, in welchem das Marterthum des frommen Schülers in erbaulichen Versen beschrieben ist? Um Gottes willen, Professor, sein Sie still, sein Sie still nur einen Augenblick! Lassen Sie mich kommen zu mir selbst! Mit diesen Worten setzte sich der Marquis auf das Geländer der Treppe und lehnte sein schwankendes Haupt gegen einen Pfeiler. Ewige Gerechtigkeit! murmelte er vor sich hin und faltete die Hände gegen seine Brust. Wär' es möglich? Dieu! Dieu! C'est toi! Mais pour te comprendre, il faut etre Dieu, comme toi! Strafst du so fürchterlich an den unschuldigen Kindern und Kindeskindern die Schulden ihrer Väter und ihrer Mütter? Dann raffte er sich wieder ein wenig empor und wandte sich an den Professor zurück. Sie sprechen doch von der Ermordung des jungen Spaniers in dem Quartier der Juden? Oder bin ich verwirrt in meinem Kopfe und habe Sie nicht recht verstanden, mein lieber Freund? Lassen wir das jetzt, Herr Marquis. Sie sind zu erschüttert, um heute mehr davon zu hören. Hätt' ich nur ahnen können, daß der Name Floridias Sie so nahe berührte, er wäre nie über meine Lippen gekommen. als meine Augen dem Hotel des spanischen Gesandten begegneten. Hat Ihnen denn der Doctor das kleine Buch nicht gezeigt, in welchem das Marterthum des frommen Schülers in erbaulichen Versen beschrieben ist? Um Gottes willen, Professor, sein Sie still, sein Sie still nur einen Augenblick! Lassen Sie mich kommen zu mir selbst! Mit diesen Worten setzte sich der Marquis auf das Geländer der Treppe und lehnte sein schwankendes Haupt gegen einen Pfeiler. Ewige Gerechtigkeit! murmelte er vor sich hin und faltete die Hände gegen seine Brust. Wär' es möglich? Dieu! Dieu! C’est toi! Mais pour te comprendre, il faut être Dieu, comme toi! Strafst du so fürchterlich an den unschuldigen Kindern und Kindeskindern die Schulden ihrer Väter und ihrer Mütter? Dann raffte er sich wieder ein wenig empor und wandte sich an den Professor zurück. Sie sprechen doch von der Ermordung des jungen Spaniers in dem Quartier der Juden? Oder bin ich verwirrt in meinem Kopfe und habe Sie nicht recht verstanden, mein lieber Freund? Lassen wir das jetzt, Herr Marquis. Sie sind zu erschüttert, um heute mehr davon zu hören. Hätt' ich nur ahnen können, daß der Name Floridias Sie so nahe berührte, er wäre nie über meine Lippen gekommen. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="11"> <p><pb facs="#f0082"/> als meine Augen dem Hotel des spanischen Gesandten begegneten. Hat Ihnen denn der Doctor das kleine Buch nicht gezeigt, in welchem das Marterthum des frommen Schülers in erbaulichen Versen beschrieben ist?</p><lb/> <p>Um Gottes willen, Professor, sein Sie still, sein Sie still nur einen Augenblick! Lassen Sie mich kommen zu mir selbst!</p><lb/> <p>Mit diesen Worten setzte sich der Marquis auf das Geländer der Treppe und lehnte sein schwankendes Haupt gegen einen Pfeiler. Ewige Gerechtigkeit! murmelte er vor sich hin und faltete die Hände gegen seine Brust. Wär' es möglich? Dieu! Dieu! C’est toi! Mais pour te comprendre, il faut être Dieu, comme toi! Strafst du so fürchterlich an den unschuldigen Kindern und Kindeskindern die Schulden ihrer Väter und ihrer Mütter?</p><lb/> <p>Dann raffte er sich wieder ein wenig empor und wandte sich an den Professor zurück. Sie sprechen doch von der Ermordung des jungen Spaniers in dem Quartier der Juden? Oder bin ich verwirrt in meinem Kopfe und habe Sie nicht recht verstanden, mein lieber Freund?</p><lb/> <p>Lassen wir das jetzt, Herr Marquis. Sie sind zu erschüttert, um heute mehr davon zu hören. Hätt' ich nur ahnen können, daß der Name Floridias Sie so nahe berührte, er wäre nie über meine Lippen gekommen.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0082]
als meine Augen dem Hotel des spanischen Gesandten begegneten. Hat Ihnen denn der Doctor das kleine Buch nicht gezeigt, in welchem das Marterthum des frommen Schülers in erbaulichen Versen beschrieben ist?
Um Gottes willen, Professor, sein Sie still, sein Sie still nur einen Augenblick! Lassen Sie mich kommen zu mir selbst!
Mit diesen Worten setzte sich der Marquis auf das Geländer der Treppe und lehnte sein schwankendes Haupt gegen einen Pfeiler. Ewige Gerechtigkeit! murmelte er vor sich hin und faltete die Hände gegen seine Brust. Wär' es möglich? Dieu! Dieu! C’est toi! Mais pour te comprendre, il faut être Dieu, comme toi! Strafst du so fürchterlich an den unschuldigen Kindern und Kindeskindern die Schulden ihrer Väter und ihrer Mütter?
Dann raffte er sich wieder ein wenig empor und wandte sich an den Professor zurück. Sie sprechen doch von der Ermordung des jungen Spaniers in dem Quartier der Juden? Oder bin ich verwirrt in meinem Kopfe und habe Sie nicht recht verstanden, mein lieber Freund?
Lassen wir das jetzt, Herr Marquis. Sie sind zu erschüttert, um heute mehr davon zu hören. Hätt' ich nur ahnen können, daß der Name Floridias Sie so nahe berührte, er wäre nie über meine Lippen gekommen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910/82 |
Zitationshilfe: | Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910/82>, abgerufen am 16.07.2024. |